Klimt-Bilder: Klägerin Maria Altmann möchte, 'dass Porträts in Österreich bleiben'

Kritik an Gehrer: "Hat auf Briefe nie geantwortet" PLUS: Die Chronologie des langen Rechtsstreits

Das dreiköpfige Schiedsgericht im Streitfall um die in der Österreichischen Galerie Belvedere befindlichen Klimt-Bilder aus dem Besitz der Familie Bloch-Bauer hat heute, Dienstag, Vormittag, in einer "ungewöhnlichen Pressekonferenz" (Schiedsgerichts-Vorsitzender Peter Rummel) seine gestern bekannt gewordene Entscheidung erläutert. Zu anderen als rechtlichen Interpretationen war man nicht bereit: "Wir wollen den Fall nicht politisch kommentieren", so Rummel. Auch das genaue Abstimmungsergebnis wollten die drei beteiligten Juristen nicht bekannt geben.

"Der Fall war außerordentlich schwierig", meinte Rummel und verwies auf 13.000 Seiten Akten sowie auf den Umstand, dass es Zeugen "nahe liegender Weise nicht mehr gab": "Beide Standpunkte hatten etwas für sich." Für das Schiedsgericht war erwiesen, "dass die endgültige Überlassung der Bilder an die Republik in gleicher Weise mit der Erlangung der Ausfuhrerlaubnis für Teile der restlichen Sammlung verknüpft war", wie bei anderen Objekten der Sammlung "zweifelsfrei belegt" sei, erläuterte Zivilrechtprofessor Rummel. Die strittige Bitte im Testament von Adele Bloch-Bauer an ihren Mann, die Kunstwerke nach seinem Tod der Galerie zu hinterlassen, sei ein rechtlich unverbindlicher "bloßer Wunsch" gewesen.

Die Frage, ob der Rückgabebeirat, der vor einigen Jahren gegen die Rückgabe entschieden hat, von der gleichen Aktenlage ausgegangen sei wie nun das Schiedsgericht, beantwortete Rummel so: "Neue Dokumente sind zweifellos aufgetaucht", ob es die entscheidenden gewesen seien, oder sie nur einen Eindruck des Schiedsgerichts verstärkt hätten, könne er nicht sagen. Man habe bei den Bildern ein Eigentum von Ferdinand Bloch-Bauer angenommen. "Wir haben geglaubt, die besseren Indizien für sein Eigentum zu haben", so Rummel.

Die Frage, was mit den Bildern und speziell mit den Porträts danach geschehen solle, sei nicht Gegenstand der Beratungen des Schiedsgerichts gewesen, betonte man. Das Schiedsgericht habe "einen Einigungsversuch entriert", der habe aber zu keinem Ergebnis geführt habe. Zu Überlegungen von Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann über den künftigen Verbleib der Bilder wolle man nicht Stellung nehmen. "Von dem Vorkaufsrecht der Republik, das gestern durch die Medien ging, haben wir gestern das erste Mal gehört", sagte Rummel.

Ob die Bilder nun von Österreich zurückgegeben werden müssen, dazu Aussagen zu treffen sei das Schiedsgericht nicht befugt. Das Schiedsgericht habe nicht den Auftrag, "einen so genannten Leistungsbefehl zu erteilen", sondern nur festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Rückgabe vorliegen. Aber "ein Schiedsspruch steht einem gerichtlichen Urteil vollkommen gleich", so Walter Rechberger, neben Andreas Nödl weiteres Mitglied des Schiedsgerichts. "Mit dem gestrigen Tag ist der Schiedspruch wirksam geworden, seine Feststellungen sind daher rechtskräftig." Die Parteien hätten aber "natürlich zugesagt, sich an diesen Spruch zu halten", sagte Rummel, "sonst wäre das ganze Schiedsverfahren ja sinnlos gewesen."

Nun wird über "Amalie Zuckerkandl" beraten
Das ebenfalls in der Österreichischen Galerie Belvedere befindliche Klimt-Gemälde "Amalie Zuckerkandl" sei "ein zweites, von diesem formal unabhängiges Verfahren", so Schiedsgerichts-Vorsitzender Peter Rummel. Dieses Bild wird sowohl von den Bloch-Bauer-Erben als auch von der Familie Müller-Hoffmann beansprucht. Das Schiedsgericht bestätigte, dass es sich mit dem Fall ab nun befassen werde.

Einen Zeithorizont könne und wolle man dazu nicht geben, man werde "so rasch, wie es eben geht", entscheiden. Alfred Noll, Rechtsanwalt der Familie Müller-Hoffmann, erklärte am Rande der Pressekonferenz gegenüber der APA, dass in der Causa am 24. Februar ein Hearing angesetzt sei.

Wiederholt betonte das Schiedsgericht die Schwierigkeit des Falles Bloch-Bauer: "Es ist kein Anlass zu denken, die Republik habe sich unvernünftiger Weise so lange gewehrt, auch auf dieser Seite gab es gute Argumente. Es war durchaus honorig und vertretbar, diesen Fall auszustreiten", betonte Rummel. "Ich habe schon lange keinen Fall erlebt, wo ich nach dem ersten Durchgang noch überhaupt keine Vorstellung hatte, wie es ausgeht."

Eben weil es sich dabei um einen besonderen Einzelfall gehandelt habe, seien vom Schiedsgericht nur wenige Überlegungen grundsätzlicher Natur angestellt worden, die auch für andere Restitutionsfälle angewendet werden könnten. Über mögliche Folgewirkungen könne man daher "nur spekulieren", so Walter Rechberger, der sich aber nicht vorstellen kann, "dass das ein echter Präzedenzfall sein könnte." Die Einigung auf ein Schiedsgericht sei "in diesem Fall von uns als ungewöhnlich empfunden" worden, betonten die drei in Hinblick auf die Möglichkeit, dass nun weitere bereits durch den Restitutionsbeirat entschiedene Fälle wieder aufgerollt werden könnten. "Wir würden dies auch bei anderen Fällen als ungewöhnlich sehen".

Es geht um sechs Klimt-Bilder
In dem Verfahren geht es um insgesamt sechs Bilder von Gustav Klimt, die sich im Besitz von Altmanns Onkel, dem jüdischen Industriellen Ferdinand Bloch-Bauer, befanden und während der NS-Zeit in die Österreichische Galerie Belvedere gelangten. Fünf davon (alle außer "Amalie Zuckerkandl") wurden im Testament von Ferdinands Gattin Adele Bloch-Bauer (1881-1925) erwähnt, in dem sie ihren Mann bat, nach dessen eigenem Tod die Bilder der Republik Österreich bzw. der Österreichischen Galerie zu schenken. Ferdinand Bloch-Bauer wurde in der NS-Zeit enteignet und musste in die Schweiz flüchten. Die Bilder wurden noch zu seinen Lebzeiten von einem von den Nazis eingesetzten "kommissarischen Verwalter" an das Museum übergeben bzw. verkauft. In seinem Testament setzte Ferdinand aber seinen Neffen und seine zwei Nichten als Alleinerben ein.

Sechsjähriges Tauziehen
Nach sechsjährigem Tauziehen vor dem Kunstrückgabebeirat, österreichischen und amerikanischen Gerichten hatten sich die Klägerin Maria Altmann und die Republik Österreich im Mai 2005 darauf geeinigt, sich einem verbindlichen Schiedsverfahren in Österreich zu unterwerfen. Rummel zur Seite standen dabei der von der Republik berufene Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Walter Rechberger, und der von Altmann nominierte Anwalt Andreas Nödl. Zunächst sollte eine Entscheidung bis 1. November 2005 fallen, später wurde dann das Jahresende 2005 als Termin genannt.

In der knapp 50-seitigen Begründung seiner Entscheidung folgt das Schiedsgericht in weiten Teilen den Argumenten der Klägerin Maria Altmann. Dabei hatten die drei Schiedsrichter aber nicht über die eigentliche Rückgabe der fünf Klimt-Bilder zu bestimmen, sondern zwei dafür nötige Voraussetzungen abzuklären: Erstens, ob und zu welchem Zeitpunkt die Republik Österreich Eigentum an "Adele Bloch-Bauer I", "Adele Bloch-Bauer II", "Apfelbaum", "Buchenwald/Birkenwald" und "Häuser in Unterach am Attersee" erworben hat, sowie ob die Kriterien des Restitutionsgesetzes, das Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) zu einer Rückgabe der Bilder ermächtigt, erfüllt sind. Letzteres wurde positiv bewertet, die Republik sei im Jahr 1948 Eigentümer der Bilder geworden. Die Auffassung der Republik, wonach die Bilder bereits auf Basis des Testaments der 1925 verstorbenen Gattin Ferdinands, Adele Bloch-Bauer, an die Republik gekommen seien, wurde dagegen verworfen.

"Sehr wichtige Entscheidung für Österreich"
Für die Restitutionsexpertin Erika Jakubovits von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) ist der Spruch des Schiedsgerichtes eine "sehr wichtige Entscheidung für Österreich". Obwohl es "traurig ist, wenn so wichtige Bilder weggehen, ist es auch eine gute Entscheidung für Österreich - gerade jetzt, wo das Land noch mehr im Augenmerk der Öffentlichkeit ist", so Jakubovits unter Verweis auf den derzeitigen österreichischen EU-Ratsvorsitz. "Man hätte sich viel ersparen können. Viel Ärger, viel Aufregung, viel schlechte Publicity, viel Geld". Für einen Rückkauf von Klimts "Bildnis Adele Bloch-Bauer I", der "Dame in Gold", sprachen sich am Montag gegenüber der APA der Direktor des Leopold Museums, Prof. Rudolf Leopold, und der Generaldirektor des Kunsthistorischen Museum, Wilfried Seipel, aus.

Maria Altmann "unendlich glücklich"
Als "unendlich glücklich" bezeichnete sich Maria Altmann im Gespräch mit der APA über den Spruch des Schiedsgerichtes. "Ich habe gehofft, dass es kürzer und friedlicher gelöst werden kann", so die 1916 geborene Nichte von Ferdinand und Adele Bloch-Bauer über den mehrere Jahre währenden Rechtstreit mit der Republik Österreich, der durch das Schiedsgericht beendet worden ist. "Aber Hauptsache ist, dass es gelöst worden ist."

Zu den nach Bekanntwerden der Schiedsgericht-Entscheidung u.a. vom Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere, Gerbert Frodl, angeregten Sondierungen über einen Kauf zumindest der beiden Porträts "Adele Bloch-Bauer I" und "Adele Bloch-Bauer II" durch die Republik Österreich meinte Altmann: "Davon weiß ich noch nichts." Sie halte eine Einigung über einen derartigen Kauf der Bilder jedoch für "durchaus möglich. Ich werde mit Vergnügen bereit sein, über alle Angebote nachzudenken."

Als sie vom Spruch des Schiedsgerichtes erfahren hat, war "die erste Emotion großartig", so Altmann. Sie habe zwar ein "sehr gutes Vorgefühl gehabt, dass es rosig aussieht", so Altmann in Bezug auf den Schiedsgerichtsspruch. "Wenn dann die wirkliche Tatsache kommt, ist man aber noch mehr erfreut." Dass der Rechtstreit so lange gedauert hat, "tut mir furchtbar leid", so Altmann. "Ich war vor sieben Jahren in Österreich und habe einen sehr netten Brief geschrieben, wo ich vorgeschlagen und erläutert habe, was ich alles tun würde, damit das Goldporträt ('Adele Bloch-Bauer I', Anm.) Österreich nicht verlässt. Doch es wurde mir nicht geantwortet."

(apa/red)