Klimawandel - das Ende des Skifahrens?
Globale Erwärmung lässt Schnee schmelzen

10 Mrd. €-Geschäft mit dem Skitourismus in Gefahr FORMAT: Knackpunkt ist die tiefe Lage der Skigebiete

Immer mehr schneelose Winter und dann nur noch grüne Hänge sagen Wissenschaftler dem Alpenraum voraus. Österreichs 10-Milliarden-Geschäft mit dem Skitourismus ist in Gefahr.

Klimawandel - das Ende des Skifahrens?
Globale Erwärmung lässt Schnee schmelzen

Der Mensch ist ein Meister der Verdrängung. Unangenehmes wird gerne beiseite geschoben. "An inconvenient truth", eine unbequeme Wahrheit, nennt Al Gore seinen in den heimischen Kinos angelaufenen Dokumentarstreifen. Der ehemalige US-Vizepräsident, missionarisch in Sachen Umweltschutz unterwegs, zeigt die Folgen einer weltweiten Klimaerwärmung auf, die von der Politik nur widerwillig problematisiert und als Bedrohung wahrgenommen wird. Kassandrarufe, die nicht überall ungehört verhallen. Denn auch heimische Wissenschaftler arbeiten an Szenarien der Zukunft.

Kein Schnee im Alpenraum
Während Voraussagen über die genaue globale Erwärmungsentwicklung derzeit aber kaum auf Punkt und Komma festzumachen sind, wollen österreichische Experten für den Alpenraum schon über einigermaßen sichere Daten und Beobachtungen verfügen, etwa über die Gletscherschmelze. Die globale Erwärmung stieg in den letzten 150 Jahren weltweit um 0,6 Grad Celsius und in den Alpen um 1,2 bis 1,8 Grad.

Schneefall so selten wie in Nizza
"Bis Ende des Jahrhunderts", so Herbert Formayer, Meteorologe und Klimaforscher an der Universität für Bodenkultur in Wien, "wird es mit Sicherheit keinen Schnee mehr in den Alpen geben, höchstens tageweise so wie jetzt manchmal auf Sizilien oder in Nizza". Bis dahin werde sich ein Wechselspiel ergeben. Einmal zwei, drei Winter ganz ohne Schnee, dann wieder Schneefall. "Langfristig", so prophezeit auch Michael Kuhn, Professor am Institut für Meteorologie und Geodynamik in Innsbruck, "wird man sich das Skifahren abgewöhnen müssen." Die Prognose ausgerechnet aus Tirol trifft das heimische Nationalgefühl, das sich immer wieder am Skilauf erwärmt. Weltweit wedeln rund 40 Millionen Skifahrer über Pisten. Wintersportland Nummer eins ist Österreich.

10 Milliarden stehen auf dem Spiel
Auf dem Spiel steht somit nicht weniger als der Skisport in Österreich ebenso wie das Geschäft mit dem Wintertourismus, der bisher rund fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt und zuletzt ein Umsatzvolumen von fast 10 Milliarden Euro auswies.

Neue Absatzmärkte
Dazu kommen noch die Umsätze des Handels mit Wintersportartikeln und Kleidung sowie jene der Skiindustrie. Der Handel könnte notfalls ganz auf Sommerausrüstung setzen, und auch die Industrie wüsste sich zu helfen und könnte neue Absatzmärkte erschließen. Gregor Dietachmayr, Chef bei Fischer-Ski, der eben im fernen Kamtschatka durch Tiefschnee pflügte, hat den hohen Norden - Russland, Norwegen, Finnland und Schweden - im Visier und erzielt bei einem Umsatz von 200 Millionen Euro einen Exportanteil von 85 Prozent. Heimische Wintersportorte, Hoteliers und Liftbetreiber scheinen dem düsteren Szenario der Forscher allerdings ausgeliefert.

Knackpunkt Lage
Derzeit gelten Lagen über 1.200 Meter als noch schneesicher. In 30 bis 50 Jahren, so errechnete Stefan Schleicher, Professor für Volkswirtschaft am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel an der Uni Graz, werden nur Skigebiete über 1.500 bis 2.000 Meter mit einer regelmäßig ausreichenden Schneedecke rechnen können. Ein Grad Erwärmung verschiebt die Schneegrenze um rund 150 Meter nach oben. Weshalb der Trend, in höhere Lagen auszuweichen, schon im letzten Jahrzehnt zu beobachten war und Gletscherskigebiete als sicherste Regionen immer begehrter werden. "Österreich", so Schleicher, "ist besonders betroffen, weil die meisten Orte recht tief liegen. Jedes zweite Skidorf könnte gefährdet sein." Prominentes Beispiel: Kitzbühel mit nur 760 Höhenmetern.

Lösung mit Schneekanonen
"Ganz im Gegenteil", widerspricht Christian Harisch, Obmann des Tourismusverbandes von Kitzbühel, "die Zukunft gehört den niedrigen Lagen und Skigebieten." Harisch argumentiert mit Beschneiungsanlagen. Die sind auf Terrain mit grasbewachsenen Bergen leichter einsetzbar als auf felsigem Grund. "Wir müssen nur eine Schneehöhe von 30 Zentimetern erzeugen. Auf den Gletschern braucht man einen Meter, und eines Tages sollen sie sowieso abgeschmolzen sein."