Bedenkliche Rekorde der Klimakrise

Was die Hitzewelle am Südpol und der trockenste März der Messgeschichte in Österreich miteinander zu tun haben. Menschengemachte Treibhausgasemissionen heizen die Erde noch immer weiter auf. Über Lösungen wird schon lange gesprochen und zu wenig passiert.

von Trockenheit © Bild: iStockphoto

Der trockenste März seit Messbeginn in Österreich, also seit gut 160 Jahren. Der heißeste Märztag im Death Valley in den USA mit 40 Grad Celsius. Eine nie da gewesene Hitzewelle in der Antarktis, hier wurden minus 11,7 Grad gemessen, wo es sonst um diese Jahreszeit etwa minus 45 Grad hat. Ein Eisschelf von der Größe Roms, das im Osten der Antarktis vom Festland weggebrochen ist und nun im Meer schwimmt. Das sind die jüngsten "Rekordmeldungen" über die Klimakrise. Ist diese schon weiter fortgeschritten als bisher befürchtet? Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, ordnet im News-Gespräch die jüngsten Meldungen ein und sagt: "Wir müssen uns auf jeden Fall Sorgen machen - können aber auch etwas dagegen tun."

»Wir müssen uns auf jeden Fall Sorgen machen - können aber auch etwas dagegen tun«

An den Polen zu warm

Dass sich die Arktis deutlich schneller erwärmt als der Rest des Globus, beobachten die Klimaexperten schon länger. "Das hängt auch damit zusammen, dass durch das Schmelzen des Meereises dunkles Wasser zum Vorschein kommt, das mehr Sonneneinstrahlung absorbiert, wodurch sich die Erwärmung weiter verstärkt", sagt Olefs. Anders ist die Situation in der Antarktis: Hier wurden am 18. März bei der Forschungsstation Concordia Dome C, auf 3.200 Meter Seehöhe, jene minus 11,7 Grad gemessen, die international für Aufsehen sorgen. Es ist vermutlich die höchste Temperatur seit Beginn der kontinuierlichen Messungen 1957 in der Antarktis, 38,5 Grad über dem Durchschnitt bzw. 20 Grad wärmer als der bisherige Höchstwert im März. "Das ist wirklich ein extrem außergewöhnliches Ereignis", sagt Olefs, "die Antarktis ist normalerweise einer der kältesten Plätze der Erde. Zudem geht dort ja jetzt der Sommer zu Ende, es sollte sich daher eigentlich abkühlen." Schuld an dieser polaren Hitzewelle waren starke Nordwinde, die in mehreren Kilometern Höhe recht feuchte Luftmassen von Australien bis ins Innere des antarktischen Kontinents transportiert haben. Auch die Sommerausdehnung des Meereises im Südpolarmeer ist so gering wie noch nie.

Was kommt da noch?

Allerdings, sagt Olefs, es fehlen klimatologische Langzeitbeobachtungen, die uns sagen können, ob es sich um ein singuläres Ereignis oder den Anfang einer krisenhaften Entwicklung handelt. Dazu vergleicht man in Klimamodellen die aktuelle Lage mit einer Welt ohne menschengemachte Treibhausgase, um herauszufinden, wie viel wahrscheinlicher und intensiver solche Hitzewellen durch menschliches Handeln gemacht werden. "Was man aber generell jetzt schon sagen kann, ist, dass das ein Bild der Zukunft ist. Wenn wir es nicht schaffen, die CO2-Emissionen jetzt drastisch zu reduzieren, können wir solche enormen Hitzewellen an den beiden Polen in Zukunft viel öfter sehen", sagt Olefs.

Wenn das Klima kippt

Ist es in der Antarktis dauerhaft zu warm, schmilzt das Schelfeis, das aus den Kontinenten auf das Meer ragt, von unten und bricht an den Kanten. Die Ankerpunkte des Eisdamms brechen ab, das gesamte Eis vom Kontinent kommt schneller in Bewegung und trägt somit plötzlich massiv zum Meeresspiegelanstieg bei. Ein solches Szenario gehört zu jenen Kipppunkten, die, nach und nach durch menschliches Handeln ausgelöst, die Klimakrise endgültig unkontrollierbar und unumkehrbar machen. Im jüngsten Klimabericht des Weltklimarats IPCC wird ein solches Ereignis für zwar noch unwahrscheinlich, aber doch möglich gehalten. "Wenn wir mit unseren Emissionen so weitermachen wie bisher und diese Kipppunkte nicht ausgelöst werden, rechnet man mit einem weiteren Meeresspiegelanstieg von 45 Zentimetern ab jetzt bis zum Jahr 2100. Sollten diese Kipppunkte allerdings ausgelöst werden, könnten es etwas mehr als 1,5 Meter werden. Das hätte massive Konsequenzen in Küstengebieten und in Inselstaaten", erklärt Olefs.

»Wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher für die nächsten Jahrtausende«

Einen weiteren unerfreulichen Nebeneffekt haben die hohen Temperaturen in der Arktis: "Dort ist Kohlenstoff im Permafrostboden gefangen. Wenn dieser auftaut, kommen diese Treibhausgase zusätzlich zu den menschengemachten Emissionen in die Atmosphäre."

Wir schreiben Geschichte, so oder so

Um all diese Entwicklungen aufzuhalten, hat man sich bei der Weltklimakonferenz in Paris darauf geeinigt, alles zu tun, um den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Olefs: "Das wird extrem schwer. Österreich müsste seine Emissionen dafür bis 2040 praktisch auf null reduzieren. Das ist sogar für ein reiches und technologisch hoch entwickeltes Land eine extreme Herausforderung." Mit jeder Tonne eingespartem CO2 kann man zumindest die Geschwindigkeit krisenhafter Entwicklungen drosseln. Aber: "Jede Tonne CO2, die wir emittieren, heizt die Problematik weiter an", sagt Olefs, "je geringer die Emissionen sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kipppunkte ausgelöst werden. Machen wir weiter wie bisher, könnte der Meeresspiegel in den nächsten 2.000 Jahren um fünf bis zehn Meter steigen, bleibt es bei den zwei Grad Erwärmung, sind es nur zwei bis fünf Meter. Das heißt, wir schreiben jetzt die Geschichtsbücher für die nächsten Jahrtausende."

CO2 einsparen - was wir dafür tun müssen, ist seit Jahren klar. ORF-Wetterchef Marcus Wadsak und die Klimaaktivistin Paula Dorten zählen in ihrem aktuellen Buch "Die letzte Generation. Das Klimamanifest"(Braumüller-Verlag, 15 Euro) - man muss sagen: wieder einmal -die nötigen Schritte auf: Reduzierung der Emissionen, Schutz der Wälder, weniger Autofahren, die Ernährung umstellen, raschere Energiewende, weniger Blabla der Politik.

Bestechend, weil die Menschen dann scheinbar viel weniger tun müssten, ist die Idee, das CO2 aus der Atmosphäre zu filtern. Das scheint technisch machbar, ist allerdings bisher nur in kleinem Maßstab erprobt. DAC (Direct Air Capture) heißt das Verfahren, das vom Schweizer Start-up Climeworks AG entwickelt wurde. Die größte Anlage dafür steht in Island, CO2 wird dort aus der Luft gesaugt und unterirdisch deponiert. Das Problem: Bei einem jährlichen CO2-Ausstoß von 51 Milliarden Tonnen braucht es viele solcher Anlagen, sehr viel grüne Energie, um sie zu betreiben, und das entsprechende Gestein, das CO2 aufnehmen kann.

Die Kosten? Bill Gates stellt in seinem 2021 erschienenen Buch "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern"* folgende Rechnung an: Schafft man es, die Kosten des Verfahrens pro Tonne CO2 auf 100 Dollar zu drücken, käme man auf Gesamtkosten von 5,1 Billionen Dollar -pro Jahr. Das sind etwa sechs Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

Was wir schon spüren

Am 4. April wird der Weltklimarat einen weiteren Teil seiner regelmäßigen Sachstandsberichte veröffentlichen. Es wird darin darum gehen, wie sich der vom Menschen gemachte Klimawandel mindern lässt. In Österreich wird dann der trockenste März der Messgeschichte vorbei sein. Seine Auswirkungen werden wir aber noch länger spüren. Olefs: "Diese Trockenheit steht in einem deutlichen Zusammenhang mit der Klimakrise. Im Frühjahr und im Frühsommer häufen sich solche Trockenereignisse. Wir haben es zu dieser Jahreszeit mit Hochdruckgebieten über Europa zu tun, die dazu führen, dass die niederschlagsführenden Fronten vom Atlantik abgeschirmt werden." Auch daran sei der Klimawandel mitschuldig.

Über dem Nordatlantik hat sich eine Kaltluftblase etabliert, an der unter anderem die Abschwächung des Golfstroms schuld ist - was wiederum klimabedingt ist. Während wir uns also freuen, dass wir die ersten Märzsonnenstrahlen genießen können, beginnt ein Kreislauf in der Natur: Durch die Wärme verdunstet mehr Wasser aus dem Boden, die Pflanzen blühen früher und entziehen der Erde zusätzlich Wasser. Aus dem trockenen Boden steigt dann im Sommer weniger Feuchtigkeit auf, darum gibt es weniger Gewitter und Niederschläge - was wiederum die Trockenheit verstärkt. Die selteneren Gewitter sind dafür aber intensiver und führen leichter zu Unwettern, weil die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen, der trockene Boden hingegen weniger Wasser aufnehmen kann.

Österreich stärker betroffen

Österreich als Binnenland ist von der Klimakrise stärker betroffen, die Erwärmung fällt hier stärker aus als etwa in Küstengebieten. Dennoch scheint die Diskussion über die Klimakrise wieder einmal in den Hintergrund zu rücken. Corona und der Ukraine-Krieg beanspruchen mehr Aufmerksamkeit. Marcus Wadsak schreibt: "In Diskussionen höre ich meist, dass wir erst handeln werden, wenn wir die Folgen der globalen Erwärmung am eigenen Leib spüren. Vielen ist dabei völlig klar, dass es dann zu spät sein wird."

51 Milliarden Tonnen beträgt der weltweite CO2-Ausstoß pro Jahr. Viele Länder haben sich zur Reduzierung ihrer Emissionen verpflichtet. Bisher mit wenig Erfolg.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 13/2022.

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