Auf Zeit spielen? Diese Zeit haben wir nicht

Der Bericht des Weltklimarats ist alarmierend. Dass es so weit kommen konnte, liegt an lahmer, ignoranter Politik. Zumindest deren Ende ist nicht in Sicht.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Der Krieg in der Ukraine nimmt unsere Sorgen und Aufmerksamkeit in Anspruch. Das mag eine Erklärung dafür sein, dass sich der alarmierende Bericht des Weltklimarates nur kurz in den Schlagzeilen gehalten hat. Die großen Rechtfertigungen und Besserungsgelübde der Politikerinnen und Politiker blieben weitgehend aus. Was auch daran liegen mag, dass das, was in diesem Bericht steht, für viele sehr unangenehm ist. UN-Generalsekretär António Guterres ist schon lange ein Mahner in der Klimakrise. Sein Arbeitsauftrag laut Website der Vereinten Nationen: "Sprecher für die Interessen der Völker der Welt, insbesondere der Armen und Schwachen unter ihnen". Was er zum Bericht der Wissenschaftler über den Zustand der Welt und das, was uns bevorstehen könnte, sagt, kommt ohne diplomatische Höflichkeiten aus. "Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen." Regierungen und Unternehmen, die für hohe Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, "ersticken unseren Planeten" und "sie lügen". Nicht Klimaaktivisten seien "gefährliche Radikale", sondern jene Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen ausbauen. Solch eine Strategie sei "moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn". Zwei Tage nach der Präsentation des Weltklimaberichts hat Österreich am 6. April seinen individuellen "Welterschöpfungstag" erreicht. Das ist jener Tag eines laufenden Jahres, an dem unsere Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot und die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen in diesem Jahr übersteigt. Österreich zählt damit zu den rücksichtslosesten Verbrauchern dieser Welt. Jamaika etwa wird diesen Punkt erst im Dezember erreichen.

»Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen«

Auch davon wird nicht allzu viel gesprochen. Dafür sehr viel über die Tatsache, dass Österreich 80 Prozent seiner Gasimporte aus Russland bezieht, weswegen es zu jenen Ländern gehört, die bei entsprechenden Sanktionen seitens der EU auf der Bremse stehen. Es schade der Wirtschaft, wird argumentiert. Und: Jene 900.000 Haushalte, die mit Gas heizen, könnten nicht so rasch umstellen.

Das Ärgerliche daran ist - und damit schließt sich der Kreis zum Weltklimabericht -, dass diese Abhängigkeit von russischem Gas nicht nur daher rührt, dass lange Jahre die Putin-Versteher von ÖVP und SPÖ die Entscheidungen trafen. Während in der Industrie bei manchem Prozessen Gas tatsächlich noch schwer zu ersetzen ist, weiß man beim Heizen schon ziemlich lange, wie es anders geht. Die nötigen Technologien gibt es. Die dafür nötigen Förderungen und die Kraftanstrengungen der Politiker (und erst in zweiter Linie der Konsumenten) gab es lange nicht oder nicht im ausreichenden Maß. Dass so viele von uns noch am Öl- und Gashahn hängen, wäre nicht nötig gewesen.

Will man den Temperaturanstieg auf die von der Staatengemeinschaft vereinbarten 1,5 Grad (gegenüber der vorindustriellen Zeit) begrenzen, braucht es mittlerweile ein sofortiges und radikales Zurückfahren der Treibhausgasemissionen. Die meisten Politiker spielen aber immer noch auf Zeit. Lamentieren lieber, etwa gegen Windräder und für Straßen. Hauptsache, wiedergewählt. Diese Zeit haben wir nicht mehr.

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