Zwischen Luxus und Normalität

Der Nobelort Kitzbühel ist vor allem bekannt für millionenschwere Luxus-Chalets. Die Einheimischen werden mit Mietwohnungen um fünf Euro pro Quadratmeter bei Laune und im Ort gehalten.

von Kitzbühel Immobilien © Bild: Ricardo Herrgott

Die teuerste Lage ist, kurz bevor die Sackgasse im Nirgendwo auf einer tief verschneiten Wiese endet, besonders teuer: 23,9 Millionen Euro wurden hier am Sonnberg in Kitzbühel 2016 für eine Immobilie hingeblättert: 800 Quadratmeter Wohnfläche, 1.700 Quadratmeter Grund. Sonnige Hanglage, traditioneller Tiroler Baustil, unverbauter Blick, keine unmittelbaren Nachbarn, Hallenbad, Tiefgarage. Der Käufer, so hört man, ist ein Österreicher. Das alte Bauernhaus, das hier einst stand, wurde abgerissen. So läuft das auf dem teuersten Immobilienpflaster des Landes. Was nicht passt, wird passend gemacht -das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Der Kaufpreis überrascht nur bedingt. Stehen am Sonnberg, der begehrtesten und damit teuersten Lage von Kitzbühel, Immobilien zum Verkauf, müssen Käufer in der Regel tief in die Tasche greifen.

Bereits 2015 ging ein besonders spektakulärer Immobiliendeal über die Bühne: 23 Millionen Euro legte die deutsche Industrielle Maria Schaeffler-Thumann für die "Schlosswiese" mit 8.000 Quadratmetern Baugrund auf den Tisch. "Momentan ist nichts zu haben", winkt Maklerin Karin Gornik ab. "Aber da kommt wieder was auf den Markt. Gerade erst wurden Grundstücke verkauft. Egal, was gebaut wird. In guten Lagen können Projektentwickler alles verkaufen", sagt sie und lenkt ihren Geländewagen vorbei an den kleinen und großen Anwesen von Wirtschaftslenkern, Hoteliersfamilien, Pharmabossen, Künstlern und Yachtherstellern. Häuser gibt es hier auf der Sonnenseite ab 3,5 Millionen € - nach oben wird es durchaus zweistellig. "Kitzbühel ist wie ein Theaterstück auf der großen Showbühne: Mal ist man Schauspieler, mal Zuschauer -und oft denkt man sich: Arg, dieses Theaterstück, das da gerade gespielt wird", sagt Gornik.

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© Ricardo Herrgott Seit Ende 2017 ist in Kitzbühel eine weitere bekannte deutsche Unternehmerfamilie zu Hause

Seit 2002 bearbeitet sie den Markt. Die Konkurrenz ist groß. Bis zu 50 Makler buhlen um die zahlungskräftige Klientel. Andere schätzen die Zahl geringer ein. (Zu) viele sind es allemal. Die einen warten auf den Glücksdeal, andere arbeiten zu Hoch-Zeiten sieben Tage die Woche. In diesen Tagen sind die Terminkalender der Makler nicht ganz so dicht getaktet. Der Ort ist in Partylaune vor dem Hahnenkammrennen am Wochenende; die Anfahrtswege zu den Luxusimmobilien verstopft. Doch die Atempause ist nur kurz. Bis Ostern ist Dauereinsatz gefragt. Hochkonjunktur haben die Makler auch im Herbst, wenn jene suchen, die das Weihnachtsfest im eigenen Chalet mit Blick auf den Wilden Kaiser verbringen wollen.

Das Wunder von Kitzbühel

Die wenigsten, die sich nach einer neuen Bleibe umsehen, kommen in Staudach vorbei. Dabei ist auch hier der Blick auf den Wilden Kaiser traumhaft und der Fußweg in die Stadt kurz. "Hier entsteht das Wunder von Kitzbühel", steht auf einem grünen Plakat an einem der Rohbauten, die vor der Bergkulisse hochgezogen werden. Bis Ende 2018 werden von der Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Wohnungseigentum 32 Wohneinheiten errichtet - um fünf Euro pro Quadratmeter können sie von Einheimischen gemietet werden. "Die Kluft zwischen Residenten und Einheimischen ist kleiner geworden, seit es solche Projekte gibt", sagt Luxusmaklerin Karin Gornik. Es ist bei Weitem nicht das einzige Projekt. Seit rund zehn Jahren versucht die Gemeinde, auch jene im Blick zu behalten, die nicht über Millionen auf dem Bankkonto verfügen.

Bereits 2008 wurden in der Siedlung Sonngrub, am südlichen Stadtrand von Kitzbühel, auf zehn Hektar 400 bis 600 Quadratmeter große Einzelgrundstücke für die einheimische Bevölkerung erschlossen. Angeboten werden sie um 180 bis 200 € pro Quadratmeter - verbunden mit klaren Spielregeln: Die Stadt hat ein 30-jähriges Vorkaufsrecht. Im Haus muss der Hauptwohnsitz begründet und innerhalb eines Jahres muss mit dem Bau begonnen werden. Antragsberechtigt ist, wer zumindest zehn Jahre in Kitzbühel gelebt hat. Klingt gut, hat aber trotzdem mindestens zwei Haken. Zum einen sind die Grundstücke oft nicht einfach zu bebauen -und: "Auch 180 Euro sind für Einheimische noch viel Geld, und unter einer halben Million baut man ja auch nichts hin", sagt Gornik.

"Wir bekämpfen sie nicht"

Für Nachschub ist jedenfalls gesorgt. Will ein Landwirt seinen Grund in Bauland umwidmen, winkt nur dann eine Genehmigung, wenn er den weit überwiegenden Teil der Gemeinde zur Verfügung stellt. Nur ein kleiner Teil des Grundstücks darf gewinnbringend verkauft werden. 370 Wohnungen, Reihenhäuser und Siedlungsgrundstücke wurden so in den vergangenen zehn Jahren der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung gestellt. "Bei Grundstücken ist die Liste der Bewerber nicht ganz so lang wie bei Mietwohnungen", bestätigt Bürgermeister Klaus Winkler. Seit 14 Jahren hält er die Fäden in der rund 8.000 Einwohner zählenden Stadt in den Händen.

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© Ricardo Herrgott Seit rund zehn Jahren versucht die Gemeinde, auch jene nicht aus den Augen zu verlieren, die nicht über Millionen auf dem Bankkonto verfügen

Lang ist hingegen die Liste jener, die gerne in Kitzbühel und Umgebung ihren Zweit- oder Drittwohnsitz legen würden, aber nicht dürfen, weil ihnen die Bestimmungen rund um Freizeitwohnsitze -zumindest in der Theorie -einen Strich durch die Rechnung machen. 7.647 Wohnungen gibt es insgesamt in Kitzbühel. Darunter werden auch 1.287 offizielle Freizeitwohnsitze gezählt. Gesetzlich erlaubt ist ein Anteil von acht Prozent -längst sind es 16,83 Prozent. Auf die Frage nach der Dunkelziffer ernten Nachfrager nur Schulterzucken. In etwa 10.000 nicht angemeldete und somit illegale Freizeitwohnsitze sollen es sein, heißt es hinter vorgehaltener Hand. "Es ist eine Gratwanderung", sagt Bürgermeister Winkler. "Wir fördern Freizeitwohnsitze nicht. Wir nehmen sie zur Kenntnis, bekämpfen sie aber auch nicht." Ein genaueres Hinschauen würde nur für Verärgerung sorgen und die Marke Kitzbühel beschädigen, ist er überzeugt. Zudem bringen Überprüfungen nichts. "Es gibt genügend Beispiele von anderen Gemeinden, wo das ins Leere gelaufen ist. Ich schnüffle sicher nicht den Leuten hinterher, wie viel Müll oder Strom sie verbrauchen." Gewichtiger Nachsatz: "Jeder weiß, dass der Wohlstand der Stadt auf die Residenten zurückzuführen ist. Und ja, das führt zu Spannungen."

Prominenter Neuzugang

Vor ein paar Tagen sorgte ein Immobiliendeal für Aufregung, der bereits im Sommer 2017 über die Bühne gegangen ist und Kitzbühel einen neuen, prominenten Bewohner verschafft hat: Im Juni hat laut einem Bericht der "Tiroler Tageszeitung" die JoRa OGH mit Sitz in München in Jochberg ein rund 2.000 Quadratmeter großes Grundstück mit einem damals noch in Bau befindlichen Haus erworben. Hinter JoRa steckt eine Tochterfirma von Sixt, einem der größten europäischen Autovermietungsunternehmen. Auch auf diesem Grund stand früher ein Bauernhof -mit einer Freizeitwohnsitzwidmung. Doch die neu errichtete Immobilie ist weit größer als der einstige Bauernhof. Folglich werden auch nur 490 der insgesamt 1.000 Quadratmeter Wohnfläche als Freizeitwohnsitz ausgewiesen. In der Theorie müsste es eine Trennung zwischen den unterschiedlich genutzten Räumlichkeiten geben. In der Praxis ist das freilich nicht kontrollierbar. Die Unternehmerfamilie Sixt am wird folglich nicht der einzige Neuzugang bleiben.

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© Ricardo Herrgott Wer ein komplett eingerichtetes Neubau-Chalet bezieht, muss bis zu 17.000 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen

"Für Immobilien im zweistelligen Millionenbereich gibt es nur eine Handvoll Interessenten", rückt Maklerin Karin Gornik das Bild vom Kitzbüheler Immobilienmarkt ein bisschen zurecht. "Rechnen kann man das nicht. Das sind Liebhaberpreise." Ihr Hauptgeschäft bewegt sich in einer anderen Liga. "Das meiste verkaufen wir im Bereich zwischen drei und acht Millionen. Geredet wird aber nur über die Ausreißer." Deutsche, Österreicher und Engländer sind ihre Hauptklientel. Etwa die Hälfte der 100 reichsten Deutschen, so heißt es, haben eine Immobilie in Kitzbühel und Umgebung. Russen sind (mit Ausnahme der russischen Milliardärin Elena Baturina) nicht dabei, denn die dürfen nicht. Für Schweizer gibt es Ausnahmeregelungen. Das noble Chalet am Lebenberg im zweistelligen Millionenbereich hat Gornik vor Kurzem an einen ungarischen Unternehmer verkauft. 640 Quadratmeter Wohnfläche inklusive dem in dieser Preisklasse üblichen Schnickschnack: ein mit Leder überzogenes Treppengeländer, ein Luster aus Bergkristallen, eigens angefertigte Bettwäsche, Naturstein aus Brasilien im Badezimmer, dazu Lift, Indoorpool, Fitnessraum.

Die Geschäfte am Immobilienmarkt laufen gut. Die Jahre 2015 und 2016 sorgten für besonders zufriedene Gesichter in der Branche. 2017 wird als "durchwachsen", aber immer noch sehr gut in die Bücher eingehen. "Die Käuferschichten haben sich verändert", sagt Gornik. "Es gibt viele junge Käufer, die schnell zu Geld gekommen sind. Und die Ansprüche sind gestiegen. Ein neues Haus ohne Aufzug geht gar nicht." Doch Wünsche sind das eine. "Im Moment ist zu wenig von dem, was gefragt wird, am Markt", sagt Gornik. Auch wer nach seinen Wünschen baut, braucht einen langen Atem. Nicht selten vergehen bis zu drei Jahre, ehe die Baugenehmigung erteilt ist und die Bagger auffahren können.

Kuscheliges Miteinander

"Kitzbühel ist einzigartig in ganz Österreich. Um Vergleichbares zu finden, muss man nach St. Moritz oder Davos schauen", sagt Immobilienexperte Peter Berger, der für den ersten "Immoblick Kitzbühel & Umland" 1.868 Transaktionen zwischen 2013 bis 2016 ausgewertet hat. Neubauwohnungen erzielten demnach einen um 30,1 Prozent höheren Kaufpreis als noch 2013 und kosteten durchschnittlich 4.535 Euro pro Quadratmeter (Kitzbühel Stadt 6.846 Euro). Teuerste Immobilie war das Luxuschalet um 23,9 Millionen Euro; das teuerste Grundstück wechselte 2015 um 3.700 Euro pro Quadratmeter den Besitzer. Den Höchstpreis von 15.266 Euro pro Quadratmeter erzielte eine Neubauwohnung in Reith bei Kitzbühel. Überraschend ist der Blick auf die Käuferschichten: Der Großteil der Käufer kommt demnach aus Österreich (68 Prozent); 27 Prozent aus Deutschland, knapp drei Prozent aus der EU und 1,4 Prozent aus Drittländern. Berger sagt aber auch: "In der Region Kitzbühel stehen rund 90 Einfamilienhäuser, die teilweise schon sehr lange in der Vermarktung sind." Was laut dem Experten immer funktioniert: Ein freistehendes Haus im Tiroler Baustil mit einer Grundstücksgröße ab 2.500 Quadratmetern. "Und du brauchst die Nähe zu einem Prominenten -einem A-Prominenten. Das hebt die Verkaufschancen und den Preis." Doch die oft erwähnte Alleinlage können nur wenige vorweisen. Nicht selten stehen die Luxuschalets so nah beieinander, das man dem Nachbarn schon mal auf den Frühstückstisch schauen kann. "Zu Hause würden sie nicht so eng beieinander wohnen", sagen Makler fast entschuldigend. "Aber es gibt einfach nicht mehr Platz." Der Nachfrage schadet das nicht. Berger ist überzeugt, dass die Preise weiter steigen werden. "So lange die Promis in Kitzbühel bleiben, so lange bleiben die Preise hoch. Derzeit sind die Begehrlichkeiten größer als die Abwanderungswünsche."

53 Prozent Preisanstieg

Beeindruckende Zahlen rund um den Kitzbüheler Immobilienmarkt liefert auch das Maklernetzwerk Re/Max, das ebenfalls einen genauen Blick auf die tatsächlichen Verkaufspreise geworfen hat. Demnach waren im ersten Halbjahr 2017 im Bezirk Kitzbühel durchschnittlich 1,6 Millionen Euro für ein Einfamilienhaus fällig. Das entspricht einem Preisanstieg von 53 Prozent binnen fünf Jahren. Im niederösterreichischen Waldviertel, so der Maklerverbund, könnte man dafür 20 Einfamilienhäuser erstehen. Zum Vergleich: Bundesweit lag der typische Preis für ein Einfamilienhaus bei rund 223.000 Euro. Die Preise im unteren Preisviertel in Kitzbühel sind auf 667.000 Euro gestiegen; im oberen Preisviertel beginnen sie ab 2,6 Millionen Euro.

Kitzbühel Immobilien
© Ricardo Herrgott Keine Angst vor neugierigen Blicken haben die prominenten Bewohner der außergewöhnlichen Luxusimmobilie am Lebenberg. Schützende Mauern oder Bäume sind hier Fehlanzeige

Wer den Geschmack der Käufer in spe trifft, kommt in der Regel rasch zum Abschluss. Ende 2017 wurden drei 260 Quadratmeter große Wohnungen im "Chalet Schützkogel" in Jochberg fertigstellt -zwei haben längst einen neuen Besitzer gefunden. Wie viel sie für ihr neues Zuhause gezahlt haben, ist nicht bekannt -zwischen 11.000 und 17.000 Euro sind in dieser Liga aber durchaus üblich. Netter Nebeneffekt: Außer ihrer Zahnbürste müssen die neuen Bewohner nichts mitbringen, denn die exquisiten Bleibe mit beheizter Parkgarage und Hundewaschplatz ist bereits komplett eingerichtet. Und manchmal zeigt sich das Außergewöhnliche dieser Immobilien in Kitzbühel erst bei genauem Hinsehen: Das Holz, das hier im schicken Kamin vor sich lodert, sind Holzscheite aus feinster Keramik. Authentisch und luxuriös.