Kindesunterhalt: Trend zur Doppelresidenz?

Geschiedene Eltern streiten oft um den Unterhalt. Wenn einer das Kind hauptsächlich betreut, zahlt der andere Unterhalt. Und wenn das Kind bei beiden lebt?

von Sie haben Recht - Kindesunterhalt: Trend zur Doppelresidenz? © Bild: Marius Höfinger

Grundsätzlich gilt: Jener Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung durch den so erbrachten Naturalunterhalt; der andere Elternteil ist geldunterhaltspflichtig. Solange sich die Betreuung im üblichen Ausmaß befindet (man spricht in der Regel von rund 80 Betreuungstagen im Jahr), ermittelt sich die Höhe des Unterhaltsanspruches nach der Prozentabzugsmethode. Sofern die Betreuung gering über dieses "übliche" Maß hinausgeht, kann es zu einer Reduktion des so ermittelten Unterhaltsanspruches um zehn oder 20 Prozent pro wöchentlichem Betreuungstag kommen.

Wie verhält es sich aber, wenn die "Doppelresidenz" gelebt wird?

Sollte sich das Betreuungsverhältnis derart annähern, dass die Betreuungs- und Naturalleistungen beider Eltern völlig gleichwertig sind, ist zur Ermittlung der Unterhaltshöhe das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell, besser bekannt als Doppelresidenz, heranzuziehen. Diese liegt bereits dann vor, wenn das Kind drei Tage in der Woche beim einen und vier Tage in der Woche beim anderen Elternteil ist. Dann, und ist das maßgebliche Einkommen der Eltern etwa gleich hoch, steht dem Kind kein Geldunterhaltsanspruch (mehr) zu, da beide Elternteile ihre Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung des Kindes in ihrem Haushalt erbringen.

Sollten jedoch Einkommensunterschiede vorliegen, hat das Kind gegenüber dem besser verdienenden Elternteil einen Unterhaltsergänzungsanspruch. Nicht vernachlässigt werden darf, dass mit einer derartigen gleichteiligen Betreuung auch ein gewisser organisatorischer Aufwand verbunden ist; neben "Doppelanschaffungen" sollten sich die Wohnsitze der Eltern in räumlich vertretbarer Nähe zueinander befinden, um dem Kind das bisher gewohnte Lebensumfeld zu erhalten.

Viele Eltern sind sich in diesem Zusammenhang auch nicht bewusst, dass sich bei gleichteiliger Betreuung der besser verdienende Elternteil (trotzdem) an langlebigen Anschaffungen zu beteiligen hat; im Vergleich dazu ist dieser Anspruch im Rahmen des üblichen Kontaktrechts bereits mit Zahlung des Prozentunterhalts abgegolten. Auch diese - nicht zu vernachlässigende -Komponente hat bei den Überlegungen, ob eine Betreuung im Sinne der Doppelresidenz tatsächlich zu der dadurch oftmals erhofften Reduzierung der monatlichen Unterhaltszahlungen führt, mit berücksichtigt zu werden. Konsequenz dieser neuen Betreuungsvariante ist mitunter auch, dass die Eltern nunmehr vermehrt über die Aufenthaltszeiten des Kindes Buch führen und gegebenenfalls bei Erreichen gleichwertiger Betreuungstage eine Anpassung des Unterhalts beantragen.

Letztlich sollte aber nicht übersehen werden, dass, egal, welches Betreuungsmodel gewählt wird, nach wie vor festgelegt werden muss, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhält.

Stephanie Pšick-Göls ist Rechtsanwältin bei www.ulsr.at