Krise: Strenge Mütter

Ein Gen und die wirtschaftlichen Verhältnisse wirken sich auf Kindererziehung aus

Wirtschaftskrisen und ein Gen haben laut einer aktuellen Studie Einfluss auf den Erziehungsstil: Der Beginn der Finanz-und Bankenkrise in den USA soll demnach manche Mütter dazu gebracht haben, ihr Kind eher anzuschreien oder gar zu schlagen. Dieser Effekt sei aber nur bei Frauen mit einer speziellen Gen-Variante zu beobachten, welche sie empfindlicher auf die Umwelt reagieren lässt. Das berichten US-Forscher in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). Damit zeigt sich, dass sich Wirtschaftskrisen negativ auf die Erziehung auswirken.

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Kindererziehung - Krise: Strenge Mütter

Als sich die wirtschaftlichen Bedingungen ab 2007 verschlechterten, stieg der Anteil der barschen Mütter der Studie zufolge von rund 31 auf etwa 43 Prozent. Bei den Müttern ohne die spezifische Gen-Variante betrug der Anteil konstant 31 Prozent und änderte sich somit nicht.

Nach Angaben der Wissenschafter glaubte man bisher, dass wirtschaftliche Not in Familien zu Stress und dieser zu einem schlechteren Erziehungsstil führt. "Aber die Studienergebnisse zeigen, dass ein Wirtschaftsabschwung in einer größeren Gemeinschaft sich negativ auf die Erziehung auswirkt - ungeachtet dessen, mit welchen Bedingungen sich einzelne Familien konfrontiert sehen", sagte der Soziologe Dohoon Lee von der New York University.

Angst als Erziehungs-Gefahr

Für ihre Analyse nutzten die Forscher unter anderem Daten einer Langzeit-Studie zu zerbrechlichen Familien und dem Wohlergehen von Kindern. Diese umfasste 4.898 Kinder, die zwischen 1998 und 2000 in 20 US-amerikanischen Großstädten geboren worden waren. Deren Mütter wurden über neun Jahre lang mehrfach befragt. Wie streng die Frauen zu ihren Kindern waren, wurde anhand von zehn Aspekten gemessen: etwa Anschreien, Drohen, Verfluchen, Schlagen und Schütteln. Als die Kinder neun Jahre alt gewesen waren, wurde von 2.612 Müttern eine DNA-Speichelprobe genommen. Die Forscher kombinierten nun diese Daten mit Zahlen zur Wirtschaftslage wie etwa Arbeitslosenquoten.

Die Analyse zeigte nun: Je höher die Arbeitslosenquote am Wohnort und je niedriger die Kauflaune war, desto ruppiger war der Erziehungsstil. Hingegen hätten sich die Mütter nicht barscher verhalten als sonst, wenn sie persönlich von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Eine Erklärungsmöglichkeit nannte Sara McLanahan von der Princeton University, die an der Analyse beteiligt war: "Die Menschen können sich an schwierige Umstände anpassen, wenn sie einmal wissen, was sie erwartet. Mit Angst oder Ungewissheit über die Zukunft lässt sich hingegen schwieriger klarkommen."

Die Forscher fanden außerdem eine genetische Empfindlichkeit: Ein einziger ausgetauschter Buchstabe in einem Gen namens DRD2 habe einen bedeutsamen Effekt auf den Erziehungsstil gehabt. Das betroffene Gen liefert den Bauplan für einen Dopamin-Rezeptor. Dopamin ist ein Hormon, das dabei hilft, Gefühle und das Verhalten zu regulieren.

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