Viel Kritik für das
Krankenhaus Nord

Durch Verzögerungen wären deem Spital jährlich Potenzial an 30 Mio. Euro entgangen

Der Rohbericht des Rechnungshofs zum Krankenhaus Nord ist nun an die Rathausfraktionen ergangen. 173 Seiten umfasst das Ergebnis, wobei zuletzt schon wesentliche Punkte durchgedrungen waren: Kritisiert werden unter anderem die fehlende Bauherrenrolle des KAV, dessen mangelndes Know-how und Fehlentscheidungen, die Konflikte und Störungen "wesentlich begünstigt" hätten.

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Krankenhaus Nord

So habe der KAV (Krankenanstaltenverbund) als Bauherr keine "stabile, durchgängige Projektorganisation" gewährleisten können, da ihm Ressourcen zur Wahrnehmung der Bauherrenrolle fehlten und er zunehmend Leistungen auslagerte. "Da dem KAV ausreichendes internes Know-how fehlte, konnte er das Projekt Bauausführung nicht innerhalb der Kosten- und Terminvorgaben abwickeln", heißt es in dem Rohbericht. Da der KAV Leistungen vergeben habe, die auf einer nicht ausschreibungsreifen Planung basierten, sei es bei mehreren Gewerken zu "erheblichen Kostenabweichungen zwischen Ausschreibung und Prognose" gekommen.

Fehlentscheidungen bereits zu Beginn

Fehlentscheidungen seien bereits zu Beginn getroffen worden: So wird kritisiert, dass der KAV 2006 beabsichtigte, alle Leistungen - von der Grundstücksbereitstellung bis zu Finanzierung, Planung, Errichtung und den Betrieb - als Public-Private-Partnership-Modell an einen Totalunternehmer zu vergeben. "Die - im internationalen Vergleich atypische - Verknüpfung der Grundstücksbereitstellung mit der Vergabe der Planung und Errichtung war weder wirtschaftlich noch zweckmäßig, weil der KAV mit dieser Verknüpfung den Wettbewerb erheblich einschränkte", heißt es in dem Bericht.

Im April 2010 widerrief der KAV das Verhandlungsverfahren für das PPP-Modell. Da er von der Ausschreibung bis zum Widerruf drei Jahre und elf Monate benötigte, habe sich der Projektablauf erheblich verzögert. Der Preis, den der KAV letztendlich für das Grundstück zahlte, sei mit rund 292 Euro pro Quadratmeter "am oberen Ende einer vom RH ermittelten Bandbreite" von 228 bis 295 Euro pro Quadratmeter gelegen.

Mehrkosten von rund 203,93 Mio. Euro

Mit der neuen Vergabestrategie, mit der der KAV den Wettbewerb stärken wollte, seien einige Risiken einhergegangen, die er in der Projektsteuerung nicht entsprechend abgebildet habe. Viele dieser Risiken wurden schlagend und trugen zu den gesamten im Projektablauf entstandenen Mehrkosten von rund 203,93 Mio. Euro bei, "was den möglichen Vergabeerfolg von der neuen Vergabestrategie (rund 68,35 Mio. Euro) erheblich übertraf".

Die Beauftragung mehrerer Planer statt eines Generalplaners habe Konflikte und Störungen im Projektablauf "wesentlich begünstigt", bemängelt der RH weiters. Zu den Schwächen bei der Projektorganisation zählte etwa auch, dass der Beginn des Innenausbaus vor der Herstellung der Gebäudedichtheit geplant war. Aber auch Kritik an den Kopierkosten fand Eingang in den Bericht: Die Dokumentation der Auftragsvergaben erfolgte in einem "internetbasierten Projektraum". Allerdings habe der KAV die Dokumente zusätzlich um 197.000 Euro kopieren und in Buchform binden lassen, woraus "kein Mehrwert für den KAV" entstanden sei, kritisiert der RH.

Um bis zu 388 Mio. Euro teurer

Wie bereits bekannt wurde, werden die im Jahr 2010 geplanten Kosten von 1,017 Mrd. Euro für die Errichtung des Krankenhauses voraussichtlich um zumindest 272 Mio. Euro überschritten werden, im schlechtesten Fall sogar um rund 388 Mio. Euro.

Auch dass der Zeitplan für die Eröffnung nicht eingehalten werden konnte, bemängelt der Rechnungshof. Statt wie ursprünglich geplant 2016 soll das Krankenhaus erst im September 2019 in den Vollbetrieb gehen, kündigte KAV-Direktor Herwig Wetzlinger Ende des vergangenen Jahres an. Der KAV habe mit seinen Entscheidungen die Konflikte und Störungen teilweise wesentlich begünstigt, stellt der RH fest. Dadurch sei ihm jährlich ein Potenzial von rund 30 Mio. Euro an Kosteneinsparungen und Mehreinnahmen entgangen, da sich die Zusammenlegung der Krankenanstalten und die vereinfachte Betriebsführung verzögerten.

Die Stadt hatte bereits in einer Pressekonferenz Ende des Jahres auf die damals publik gewordenen Kritikpunkte reagiert und unter anderem eine Stärkung der Bauherrenrolle angekündigt. Der Rohbericht wird nächste Woche im Stadtsenat behandelt, wo die Stellungnahme des Gesundheitsressorts und des KAV zu den Kritikpunkten formal beschlossen werden muss. Deshalb erging der Bericht samt Stellungnahme an alle Rathausfraktionen. Die Erwiderungen der Stadt müssen dann noch in den RH-Endbericht eingearbeitet werden, erst dann wird er offiziell veröffentlicht.

FPÖ fordert sofortige Ablöse der Gesundheitsstadträtin

Der nun vollständig vorliegende Rohbericht des Rechnungshofs zum Wiener Krankenhaus Nord erzürnt die Rathausopposition. FPÖ, ÖVP und NEOS kritisierten in Aussendungen die Stadtregierung. Die Freiheitlichen kündigten erneut die Einsetzung einer Untersuchungskommission an und forderten als "erste Mindest-Konsequenz" die sofortige Ablöse von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ).

»Wie hier mit Hunderten Steuermillionen umgegangen wurde, ist für mich ein Fall für die Staatsanwaltschaft«

Die Sache müsse "aufgrund der Schwere der Vorwürfe nicht nur politische, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen", forderte FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp: "Wie hier mit Hunderten Steuermillionen umgegangen wurde, ist für mich ein Fall für die Staatsanwaltschaft." Die Blauen wollen im nächsten Gemeinderat am 23. Februar einen Misstrauensantrag gegen Frauenberger stellen. "Vielleicht helfen wir damit ja dem designierten Häupl-Nachfolger Michael Ludwig, die längst überfällige personelle Notbremse früher zu ziehen", so Nepps Hoffnung.

ÖVP für rasche Einsetzung einer U-Kommission

Die ÖVP plädiert für die rasche Einsetzung einer U-Kommission. In einer Pressekonferenz am Montag will die Volkspartei eine Liste präsentieren, wen sie sich als Zeugen wünscht. Der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch appellierte schon jetzt an den neuen Wiener SPÖ-Chef und künftigen Bürgermeister: "Wenn Ludwig tatsächlich reinen Tisch machen will und unbeschadet in sein Bürgermeister-Amt starten möchte - dann muss er dieser U-Kommission und dieser Zeugenliste zustimmen."

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Auch NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger sieht nun Ludwig am Zug. "Mit dem Krankenhaus Nord hat sich die Gesundheits- und Baupolitik der Wiener SPÖ ein zweifelhaftes Denkmal geschaffen. Ich fordere Ludwig und die nächste Stadtregierung auf, nun rasch zu handeln und eine Gesundheitspolitik zu betreiben, wie sie die Wienerinnen und Wiener verdient haben."

Zur Verteidigung der Gesundheitsstadträtin rückte am Freitag SPÖ-Klubobmann Christian Oxonitsch aus. "Bereits im November hat Sandra Frauenberger mit Herwig Wetzlinger einen erfahrenen Krankenhausbauer in die interimistische KAV-Führung geholt, um Wiens größten Krankenhausneubau zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Zudem gibt es speziell für diese kritische und wichtige Phase des Projektes, nämlich die Inbetriebnahmephase, einige Neuerungen wie die Stärkung der Bauherrenrolle mit der Einrichtung eines neuen mit ExpertInnen besetzten Lenkungsausschusses und eine enge Kooperation mit dem AKH und der MedUni Wien." Das KH Nord sei weder ein Skandalfall noch ein Kriminalfall. Der RH-Rohbericht zeige, dass alle handelnden Akteure zum gegebenen Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hätten.

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