Bahlsen: Von Zwangsarbeit
zum goldenen Keks

Umgang mit Zwangsarbeit im Fokus

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Keks-Imperium - Bahlsen: Von Zwangsarbeit
zum goldenen Keks

Verblüfft hatte er im Mai mit ansehen müssen, wie unbedachte Äußerungen seiner Tochter Verena heftige Diskussionen um die Behandlung der Bahlsen-Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg auslösten. Heute sagt er: "Die Geschichte der Zwangsarbeiter bei Bahlsen nicht aufzuarbeiten, war ein Fehler - wir haben daraus gelernt."

Feierlaune will nicht aufkommen

Die externe und unabhängige Aufarbeitung der Unternehmenshistorie laufe an - alles werde auf den Tisch kommen: "Wir setzen auf absolute Transparenz; das habe ich angekündigt und dazu stehe ich", beteuert er. Nach Feiern zum Firmenjubiläum ist Bahlsen nicht zumute. "Wir haben vor fünf Jahren alle Mitarbeiter weltweit nach Hannover eingeladen und unser 125-jähriges Jubiläum gefeiert; in diesem Jahr finden keine Feierlichkeiten statt."

Zwangsarbeit in der Fabrik

Unternehmenserbin Verena Bahlsen hatte der "Bild" auf eine Frage nach den damaligen Zwangsarbeitern im Unternehmen gesagt: "Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt." Die Bemerkung hatte nicht nur in sozialen Medien empörte Reaktionen hervorgerufen. Kurz danach hat Bahlsen sich für ihre Äußerungen entschuldigt und von einem Fehler gesprochen. Doch der Name Bahlsen stand plötzlich nicht mehr nur für Leibniz-Keks und Pick-up-Riegel. Der Göttinger Professor Manfred Grieger soll mit einem unabhängigen Expertenteam nun die Firmengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus beleuchten. "Wir haben als Unternehmen und als Familie daraus Konsequenzen gezogen; wir möchten nicht nur wissen, was damals passiert ist, sondern auch darüber sprechen, welche Lehren wir daraus ziehen", sagt Bahlsen.

Das bringt die Zukunft bei Bahlsen

Die Debatte fällt in eine Neuausrichtung, mit der der traditionsreiche Keks- und Süßwarenhersteller bis zum Jahr 2025 eine Verdopplung seines Jahresumsatzes von rund 560 Mio. Euro anstrebt. Die Gruppe setzt dabei auf neue Produkte, neue Verpackungskonzepte und ein frischeres Design sowie verstärkt auch auf Markeninszenierung in der Werbung. "Die heutige Zeit ist ähnlich aufregend wie die Gründerzeit, mit vielen Veränderungen und neuen Möglichkeiten", ist Werner M. Bahlsen überzeugt. Er hält Ernährung für eines der spannendsten Zukunftsthemen. Neue Rohstoffe, technische Entwicklungen und neue Vertriebswege sollen den Weg bereiten.

Die Gründe für nachhaltigen Erfolg

Trends von morgen nachzuspüren war ein Grund für den Erfolg von Bahlsen. Am Anfang stand Unternehmensgründer Hermann Bahlsen, der am 1. Juli 1889 eine Bäckerei in Hannover gründete, aus der die Bahlsen Keksfabrik und der berühmte Leibniz-Keks hervorgingen. Als Mensch, der mit offenen Augen und einem Gespür für Chancen in einer spannenden Zeit die Welt bereist hat, beschreibt ihn sein Enkel. "Findig im Finden" sei er gewesen, meint Werner M. Bahlsen und betont: "Er war der erste, der das Fließband in der industriellen Produktion eingesetzt hat." Die Mobilität spielte schon damals eine große Rolle: Bahlsen bot verpacktes Hartgebäck für unterwegs an, als die ersten Bahnreisenden von Hannover aus ihre Fahrten antraten. Den Trend zu Snacks für unterwegs nutzt Bahlsen aktuell auch mit seinen Riegeln. Das Keks-Imperium aus Hannover reklamiert auch für sich, die ersten Salzstangen in Deutschland eingeführt zu haben.

Ein sehr kurioser Diebstahl

Der kuriose Diebstahl eines 20 Kilo schweren, vergoldeten Messingkekses - der seit 100 Jahren am Bahlsen-Stammsitz hing - machte 2013 weltweit Schlagzeilen. Der Diebstahl gilt heute als wichtiger Bestandteil der Markengeschichte. Der Goldene Keks ist eine Art Denkmal für den jahrelangen Umsatztreiber, den nach Hannovers Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz benannten goldbraunen Knusperkeks mit seinen 52 Zähnen. Er gilt als eines der ersten Markenprodukte Deutschlands. Den Keks hatte Bahlsen einst erfolgreich in England kopiert. Der damals für deutsche Genießer schwer aussprechbare Name "Cakes" wurde eingedeutscht zum "Keks".

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