13 Tipps, wie man finanziell
(ver-)handlungsfähig bleibt

Die Corona-Krise beschert Millionen Menschen in Österreich unverschuldet Geldsorgen. Der Grat zwischen Ver- und Überschuldung ist schmaler geworden. 13 Tipps, wie man finanziell (ver-)handlungsfähig bleibt

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Kassasturz - 13 Tipps, wie man finanziell
(ver-)handlungsfähig bleibt

Kurzarbeit, keine Arbeit, kaum Aufträge. Geld wird schnell knapp, wenn man sich sein altes Leben in der neuen Normalität nicht mehr leisten kann. "Noch ist der Zahlungsdruck draußen, und es wird zur Zeit vieles veratmet", sagt Gerhard Wagner vom Kreditschutzverband KSV 1870. Wie laut es im Gebälk kracht, wie viele neue Schulden sich seit Beginn der Corona-Krise angehäuft haben, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Mit 1. Juli 2020 werden jedenfalls jede Menge gestundete Rechnungen aus den vergangenen drei Monaten fällig.

Die gute Nachricht zuerst: Für Kreditnehmer ist eine weitere Verschnaufpause in Aussicht. Die Möglichkeit, Verbraucherund Kleinstunternehmerkredite zu stunden, steht vor einer Verlängerung bis 31. Oktober 2020. Bisher galt die Regelung bis Ende Juni 2020.

Wird bei einem krisenbedingt gestundeten Kredit die Laufzeit einfach gestreckt, kann das Bezahlen fälliger Rechnungen nicht bis zum Nimmerleinstag hinausgezögert werden. "Es herrscht eine trügerische Sicherheit", warnt Bernhard Sell von der Schuldnerberatung Wien, "doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Der Zahltag kommt, und darauf will man vorbereitet sein.

Das Wichtigste bei Liquiditätsproblemen ist, Herr(in) der Lage zu bleiben, sein Geld zu steuern -und nicht umgekehrt. News hat Experten befragt und 13 Tipps fürs Geld-Krisenmanagement zusammengetragen:

#1 Erst rennen, dann rechnen

Vernebeln Geldsorgen das Gehirn, ist es besser, sich zuerst zu bewegen und erst danach wie wild zu rechnen. Körperliche Bewegung wirkt gegen Stress und sorgt für ein gut durchblutetes Gehirn. Nachdem Geldangelegenheiten emotional geladen sind, braucht es dafür einen klaren Kopf, "Wir sind schließlich nur dann handlungsfähig, wenn wir klar und strukturiert denken können", betont Psychologin Daniela Aflenzer.

#2 Einen Überblick verschaffen

Bei jeder Veränderung der Einkommenssituation ist ein Gegenüberstellen der Einnahmen und Ausgaben fällig. Man meint vielleicht, zu wissen, wie (schlecht) es um die Finanzen steht, aber weiß man es wirklich?

Die Einnahmenseite ist zumeist recht schnell addiert: Gehälter, Pension, Arbeitslosengeld, Alimente, Familienbeihilfe, Zuschüsse aus dem Corona-Hilfspaket.

Aufwändiger ist die Ausgabenseite: Hier sind zunächst sämtliche Fixkosten aufzulisten: Miete, Energie-und Telekomkosten, Versicherungen, Sparpläne, Kreditraten. Ausgaben, die quartalsweise zu bezahlen sind, sollten aufs Monatsbudget heruntergebrochen werden. Bei den variablen Ausgaben ist das Gebot der Stunde, konsequent Belege zu sammeln, zumal beim bargeldlosen Zahlen der Überblick leicht verloren geht.

#3 Liquiditätsbedarf genau planen

Liegen die Zahlen auf dem Tisch, wird der Liquiditätsbedarf für die kommenden Monate ausgerechnet. Monat für Monat. Wer zuletzt Stundungen von Rechnungen in Anspruch genommen hat, muss auch diese Verbindlichkeiten im Finanzplan berücksichtigen, um nicht von Forderungen überrollt zu werden. Ist bereits jetzt klar, dass am Stichtag nicht genug Geld vorhanden sein wird, um die fälligen Rückstände zu begleichen, umgehend die betroffenen Unternehmen kontaktieren, um eine Lösung zu finden -etwa einen realistischen Ratenplan.

#4 Gläubiger kontaktieren

Abstand halten bleibt wichtig, jedoch nicht gegenüber Gläubigern. Selbst wenn es schwerfällt, bei Liquiditätsproblemen sollten sich säumige Zahler mit der Bank, dem Vermieter, dem Mobilfunkanbieter in Verbindung setzen -bevor der Hut brennt. Es ist wichtig, zu signalisieren, dass man zahlungswillig ist. Ein Ignorieren von Zahlungen führt neben dem Stress auch zu erheblichen Kosten der Forderungbetreibung.

#5 Zuschüsse beantragen

Auch wenn es mühsam sein mag: Zuschüsse aus diversen Corona-Hilfstöpfen oder Wohnbeihilfen sind dazu da, bei Bedarf in Anspruch genommen zu werden.

#6 Sparstift ansetzen

Beim Finanzcheck werden auch Sparpotenziale sichtbar. So einiges an Konsumverzicht hat sich durch die Corona-Maßnahmen ergeben, andere Einsparungen wird man sich verordnen müssen. Die Schlüsselfrage lautet: "Brauchen oder wollen?" - und die kann letztlich nur jeder selbst für sich beantworten.

#7 Kreditrate neu verhandeln

Nicht nur durch Verzicht kann gespart werden. Die Zeit der Kreditstundung sollte genutzt werden, sich den Vertrag anzusehen. Die wichtigste Frage des Kreditnehmers: Kann die alte Kreditrate künftig im Haushaltsbudget untergebracht werden? Falls nicht, ist ein Termin mit dem Bankberater fällig, um schon jetzt nach einer Lösung zu suchen, wie die Rate so angepasst werden kann, dass sie leistbar bleibt - etwa durch Laufzeitverlängerung oder Sondertilgungen.

Meistens ist es günstiger, die Möglichkeiten einer Änderung im Kreditvertrag zu nutzen, als einen neuen abzuschließen. Bei einer Verlängerung der Kreditlaufzeit sollten sich Bankkunden keine unerwünschten Produkte zwecks Nachbesicherung andrehen lassen, warnen Konsumentenschützer.

#8 Kreditzinsen senken

"Wer die Kreditstundung beansprucht, sollte mit der Bank unbedingt über das Thema Zinsenstopp reden", sagt Christian Prantner von der Arbeiterkammer (AK). Laufen die Zinsen während der Ratenstundung weiter, wächst der aushaftende Saldo. Dabei kann auch gleich der Zinssatz für die Zeit danach verhandelt werden. Die Zinsen für Hypothekarkredite lagen zuletzt im Schnitt bei 1,44 Prozent. Wer also 2,0 Prozent oder mehr für seine Haus-oder Wohnungsfinanzierung zahlt, zahlt zu viel. "Hypothekarkredite sind ein langfristiges Geschäft, sie intakt zu halten, liegt im Interesse der Banken", betont Prantner.

#9 Überziehungszinsen kappen

Ist das Girokonto im Minus, sollten sich Bankkunden ihre Sollzinsen ansehen und gegebenenfalls einen vernünftigen Zinssatz verhandeln. Bis zu 14 Prozent (!) verrechnen Österreichs Banken dafür. Der günstigste Zinssatz liegt bei 5,375 Prozent.

#10 Stundung nutzen

Wer krisenbedingt Einkommensverluste und einen Kredit laufen hat, sollte lieber die gesetzliche Kreditstundung in Anspruch nehmen, als das Girokonto zu überziehen. Die Stundung kommt deutlich günstiger. Ein Leben am Kontolimit ist nicht nur teuer, sondern auch riskant - vor allem das Überziehen jenseits des "Einkaufsrahmens" sollte unbedingt vermieden werden. Es kommt immer wieder vor, dass Banken bei schwächelnden Eingängen den Rahmen fällig stellen. "Es ist sehr wichtig, sich ein funktionsfähiges Konto zu erhalten", betont Bernhard Sell von der Schuldnerberatung Wien.

#11 Bei Versicherungen richtig sparen

Werden Versicherungsverträge gestundet oder stillgelegt, unbedingt nachfragen, ob der Versicherungsschutz aufrecht bleibt.

Auch hier gilt: Im Rahmen des Finanzchecks auch die Verträge überprüfen. Mitunter werden sinnlose Risiken wie ein Schaden am Aquarium, das man nicht hat, abgedeckt. Auch der Pkw ist in Österreich tendenziell überversichert. Vielleicht können einige Risiken aus dem Vertrag herausgenommen werden, auch ein höherer Selbstbehalt reduziert die Prämie.

#12 Nicht alles muss weg

Bei Liquiditätsproblemen wollen viele Menschen ihre Finanzprodukte möglichst schnell auflösen und zu Geld machen. "Die Anfragen kommen oft erst dann zu uns, da wurde bereits alles in die Wege geleitet", berichtet Prantner von der AK. Besser ist es, sich vorher über die Möglichkeiten zu informieren. Der Rückkauf einer Lebensversicherung ist fast immer ein Verlustgeschäft.

Beim Bausparer kann die Einzahlung problemlos ausgesetzt werden. Prantner: "Ein Aussetzen der Sparleistung ist in der Covid-19-Krise bei allen Bausparkassen bis zu sechs Monate möglich." Wichtig, zu wissen: Mit der Kündigung seines Bausparers verliert der Kunde die Anwartschaft auf ein Bauspardarlehen.

#13 Droht Überschuldung, sofort zur Beratung

Es gibt Schulden, und es gibt Schulden. Drohen die Verbindlichkeiten dem Schuldner über den Kopf zu wachsen, sollte er sich ehestmöglich an eine der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen wenden. Die Beratung ist kostenlos. Die Schuldnerberatungen rechnen ab Herbst mit einem Ansturm an Anfragen.

Kreditstress?

Viele Infos für gestresste Kreditnehmer finden sich in der aktuellen Broschüre "Was tun, wenn es Rückzahlungsprobleme beim Kredit, Kontoüberziehung &Co gibt?". Die Broschüre steht auf der AK-Website zum Download zur Verfügung www.arbeiterkammer.at

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 24-25/2020

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