"Guido, Sie machen
das schon richtig"

Karl Lagerfeld erkannte als Erster das grenzenlose Talent von Guido Maria Kretschmer als Botschafter seiner Marke. Doch was macht den Designer so erfolgreich? Welche Krisen waren wichtig? Das Karriere-Interview

von Karriere-Interview - "Guido, Sie machen
das schon richtig" © Bild: TVNOW / Andreas Friese

Er redet schnell und frei von der Leber weg. Gerne macht er im Redefluss auch Witze über sich selbst und zeigt Schwächen. Wenn ihn angesichts der Fitnessgötter auf Social Media leichtes Neidgefühl befällt, etwa. Dann rügt er sich, weil er zu wenig Sport macht. Aber nicht lange. Guido Maria Kretschmer hat ein Talent, sich darauf zu konzentrieren, was möglich ist und ihm entspricht. Berührungsängste sind ihm fremd. So startete er nach dem Gewinn seiner ersten Ausschreibung im Alter von 21 Jahren als erfolgreicher Corporate Designer durch und gewann die Deutsche Telekom, Emirates Airlines oder die Kempinski Hotels als Kunden. Ein Couture- Label gründete er 2004. Stars von Charlize Theron bis Iris Berben sind Fans seiner Marke.

Die lädt er regelmäßig als Entertainer mit Emotionen auf. Seit 2012 kürt er auf Vox die "Shopping Queen". Dort darf der 56-Jährige eine ungeschickte Kleiderwahl ungestraft als "Rollbraten auf drei Etagen" bezeichnen. Guido lacht auch hin und wieder über sich selbst, warum also nicht, scheinen die Fans zu denken. Authentizität ist das Erfolgsgeheimnis hinter seinem Imperium, das Parfüms, Möbel, Magazine, Accessoires und Fernsehsendungen verkauft. Sein Erfolgsgeheimnis ist Kretschmer bewusst, das offenbart sich im Karriere-nterview.

Herr Kretschmer, Ihr Weg begann auf einem Hippiemarkt auf Ibiza, heute leiten Sie ein Designimperium, sind gefeierter TV-Entertainer und Magazinmacher. Erinnern Sie sich an die wegweisenden Momente?
Ich weiß gar nicht, ob es einzelne Momente gibt. Wenn ich solche reflexiven Gedanken anstelle, komme ich eher zu dem Schluss, dass ich kontinuierlich das gemacht habe, was ich aus tiefstem Herzen gerne mache. Die Erfahrung sagt mir, dass ich nicht unglücklicher wäre, wenn es anders gelaufen wäre. Ich könnte auch einen kleinen Laden in Graz oder sonst wo auf der Welt haben und würde tun, was ich gut kann und liebe. Dass ich auch noch die Chance hatte, meine anderen Talente zu kultivieren, ist natürlich ein Geschenk.

Warum, denken Sie, bekamen Sie diese Chance?
Das hatte sicher damit zu tun, dass ich immer schon sehr offen und wortgewandt war. Karl Lagerfeld hat einmal zu mir gesagt: "Guido, Sie machen das schon richtig, weil Sie sind, wie Sie sind. Sie werden immer der beste Markenbotschafter für sich und Ihre Mode sein, weil Sie authentisch sind." Ich habe Menschen gern und gehe auf sie zu. Dadurch hatte ich auch das Glück, dass mich sehr früh in meiner Karriere ein berühmter deutscher Textilunternehmer unter seine Fittiche genommen hat. Er sagte mir beim ersten Treffen, er hätte noch nie jemanden erlebt, in dessen Augen so viel Leidenschaft für Textilien brennt wie in meinen. Ihm habe ich viel zu verdanken, weil er verstanden hat, dass ich bereit bin, zu lernen und anzupacken.

»Ich glaube nicht, dass man aus Krisen lernt. Man lernt aus positivem Feedback«

Wer war dieser Unternehmer, der Ihr Mentor wurde?
Er hieß Rembert van Delden und stammte aus einer großen Textildynastie. Ich hatte damals schon meine erste große Ausschreibung als Designer gewonnen und habe mich bei ihm einen halben Tag lang vor die Tür gesetzt, um ihn zu treffen. Die Sekretärin wollte mich wegschicken. Ich bin geblieben. Wie im Film. Dann bin ich in sein Büro, und er hat sofort gesagt: "Hinsetzen! Sie haben ja Textiler-Augen!" Mit ihm bin ich zu Messen gefahren und habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass auch europäische Mode einen Stellenwert hat. Als dessen Sohn das Unternehmen viel später an die Wand gefahren hat, hat der Sohn mir geschrieben: "Hätte ich doch Ihre Kraft gehabt, hätte ich meinem Vater sagen können, dass ich kein Textiler bin. Sie wären es gewesen." Das war ein trauriger Moment, in dem ich aber wusste, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Aber ansonsten lebe ich reflexiv genug, um zu wissen, dass Erfolg mit Arbeit, Stringenz und Fleißigsein zu tun hat. Sonst geht es nicht.

© 2019 Getty Images Mode vom Stardesigner: Laufsteg von Guido Maria Kretschmer

Wann haben Sie entschieden, was Ihre Botschaft, Ihr Design, Ihre Markenstrategie sein soll? War das klar oder ein Findungsprozess?
Ich war nie jemand, der für sich selbst hübsche, kleine Sachen genäht hat und noch ein Schleifchen drauf machte und dachte, das reicht aus. Ich hatte immer das Gegenüber im Blick. Insofern war ich immer kommerziell, weil ich wusste, es macht ja keinen Sinn für mein eigenes Seelenheil, wenn ich hübsche Sachen mache, die niemand trägt. Meine Befriedigung war immer auch, auf der Straße stattzufinden und in den Kleiderschränken der Menschen. Ich habe früh den ersten Großauftrag für Uniformen für die Fluglinie Hapag-Lloyd bekommen und wurde deshalb als Corporate-Fashion-Designer bekannt. Das war eine Zäsur. Es hat gezeigt, dass ich eben nicht das Gleiche mache wie alle anderen. Mode war meine Möglichkeit, Menschen nah zu sein. Deshalb war ich auch wie versessen darauf, Fremdsprachen zu lernen, damit ich meine Mode über die Grenzen hinaus begreifbar machen kann.

Man sagt, am meisten lerne man aus Krisen. Gab es die bei Ihnen?
Daran glaube ich nicht. Man lernt am meisten, wenn man Mentoren hat und Menschen, die einem positives Feedback geben, vor allem in Momenten, in denen man an sich selbst zweifelt. Denn wenn man nicht dumm ist, weiß man ohnehin selbst, wenn man nicht gut war. Aus Krisen habe ich nur gelernt, besser aufzupassen, aber das hat meinen Weg nicht maßgeblich beeinflusst. Meine Lebensmaxime ist Subsidiarität, die Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht darum, Menschen zu unterstützen in dem, was sie gut können, und nicht ihnen den Marsch zu blasen in eine Richtung, die man für sie aussucht. Viele Menschen sind nicht in der Lage, das zu tun, was sie am besten können, weil ihnen andere immer erzählen, was sie nicht können und worin sie besser werden müssen.

»Meine Lebensmaxime ist Subsidarität, die Hilfe zur Selbsthilfe«

Sie waren, was das betrifft, immer sehr selbstbewusst und unbeeindruckt von der Meinung anderer. Was haben Ihnen Ihre Eltern dafür mitgegeben?
Sie haben mich immer auch für Dinge gefeiert, die gar nicht so großartig waren. Oft werden Kinder gemaßregelt, wenn sie etwas sagen oder tun, was den Erwachsenen gerade nicht passt. Aber wenn die Kinder etwas mit Herzblut und Liebe tun, muss man das auch sehen. Egal, wie klein es erscheint. Meine Eltern konnten sich für Lächerlichkeiten begeistern. Meine Schwester und ich bekamen die Aufgabe, ein Stück Garten zum Wohl aller zu gestalten. Sie hat Rasen ausgesät, weil sie dachte, da können alle drauf spielen. Und ich habe Rabatten angelegt mit Erbsen, Bohnen und so weiter. Wir wurden beide wertgeschätzt dafür. "Keiner macht das so schön wie du, Guido!", haben meine Eltern gesagt. Man muss nicht aus einem Esel ein Rennpferd machen. Aber man soll auch nicht die, die rennen wollen, durch Kritik einschränken. Das ist auch so ein Geheimnis im Teambuilding. Man wird ja nur mit einem Team ein berühmter Designer. Da gehören Assistenten, Schneidereien, Marketing und viele mehr dazu. Das ist etwas, das ich als Kind gelernt habe: An meine Ideen zu glauben, aber auch andere machen zu lassen.

Wer waren Ihre wichtigsten Begleiter auf dieser Reise?
Viele, von der Familie bis zu meinem Partner. Aber das war ich auch immer selbst, mein eigenes Ich. Ich wusste immer, wann etwas gut ist, wann ich mich verbessern musste und wann etwas nicht zu mir passt. Ich kann mich auch gut selbst feiern, dafür muss man geboren sein. Gute Leute erkennen, wenn sie deinen Lebensweg kreuzen, ist auch ein wichtiges Talent. Auch die Menschen nehmen, die dir geschickt werden, damit du aus Unstimmigkeiten etwas lernst. Wichtig waren mir auch immer berufliche Kooperationen wie jetzt mit Lenor. Das ist eine Marke, die mich seit meiner Kindheit begleitet, und dafür Testimonial sein zu dürfen, ist mir lieber als eine Oscar-Auszeichnung. Ehrlich.

© Lenor/ svengoerlich.com Wo Guido draufsteht ... Als Testimonial für einen Wäschepflegespezialist zeigt er sich ganz privat mit zwei seiner fünf Barsoi- Hündinnen

Sie haben von Möbeln über Schmuck bis nun Wäschepflege viele Kooperationen. Welchen Stellenwert haben diese für Sie als Unternehmer?
Gerade im Textilbereich mit Profis zu arbeiten, die dafür sorgen, dass man nachhaltig Freude an seiner Kleidung und Wäsche haben kann, ist für mich eine logische Konsequenz. Wobei mir gerade diese Kooperation eher persönlich wichtig ist, als dass sie etwas zu meiner Marke beiträgt. Vor Kurzem hat mich meine Schwester angerufen und gefragt, was ich mache. Ich drehe einen Werbefilm für Lenor, hab ich gesagt. Darauf sagt sie: "Das glaube ich nicht! Weißt du, wie viele Partner ich im Leben hatte? Wie oft ich im Leben enttäuscht worden bin? Weißt du, auf wen immer Verlass war? Auf Lenor!" Ich musste so lachen! Da wusste ich, dass diese Kooperation Sinn macht, weil ich den Menschen genau das sagen kann und sie mir zuhören: Man kann auch durch Waschen einen Beitrag leisten für Nachhaltigkeit und ein gesünderes Leben.

Wie weit sind wir denn Ihrer Meinung nach in Sachen Diversität?
Ich glaube, dass viele Menschen nur Superlativen nachjagen. Wir sind rasch von den neuen Medien begeistert, von uns selbst und vom Feedback, das wir bekommen. Das impliziert, dass man nicht mehr richtig aufpasst, ob das alles noch der Wahrheit entspricht. Es ist aber wichtig, dass Menschen wach bleiben und ein Gefühl für die komplexe Zeit behalten, in der wir leben. Man muss auf sich selbst hören und nicht gleich denken, man ist doof, weil man irgendwo nicht dazugehört. Das ist schwierig, weil ich auf Insta selbst oft beim Durchschauen denke: Gott, was habe ich für ein trauriges Leben! Schau, der kann rückwärts die Wand hochgehen! Doch dann denke ich: Bitte mach weiter, du kriegst von mir auch den sechsmillionsten Like, aber mach das ohne mich. Sich für andere begeistern, aber auch wissen, wo man selbst steht, das ist mein Weg.

© 2019 Tristar Media/Getty Images Liebe. Nach 28 Jahren Beziehung heiratete Kretschmer 2012 Frank Mutters. 2018 sagten sie noch einmal Ja, nachdem die Ehe für alle beschlossen worden war.

Demnächst startet auf Vox ihre neue Herausforderung als Entertainer. Sie begleiten in "Guidos Wedding Race" Paare zum Traualtar. Warum war es Ihnen denn selbst wichtig, zu heiraten?
Ich glaube, dass Ehe etwas Heiliges ist. Dabei ist es egal, ob man konfessionell verbunden ist oder vor dem Staat oder seinen besten Freunden oder Haustieren. Es geht darum, laut Ja zu sagen, ich will dich. Das ist schon eine eigene Qualität in einer Beziehung, und ich glaube, dass man in diesem Bewusstsein anders zusammen ist. Dass man anders durchhält in schlechten Zeiten. Es gibt einer Beziehung eine andere Intensität, finde ich. Und wir ermöglichen in der Sendung Menschen, völlig individuell zu heiraten. Wir erfüllen ihnen den Traum von einer Hochzeit, die sie sonst nie bekommen hätten. Ich habe bis jetzt sechs Paare begleitet und wünsche allen, dass sie gewinnen. Und das Schönste ist, dass ich bei allen in kürzester Zeit ein Teil der Familie werden konnte. Es war für mich ein Geschenk, das erleben zu dürfen.

Das Markenwunder Kretschmer

Die Marke zieht. Guido Maria Kretschmer ist als Designer genauso glaubwürdig wie als Magazinmacher ("Guido"), Spezialist für schönes Wohnen (TV-Sendung und Magazin "Guidos Deko Queen") oder Accessoires-Spezialist. In seinem Magazin gibt er Tipps fürs glückliche Leben. In Kooperation mit dem Versandmulti Otto vertreibt er seine Home-&-Living-Kollektion, die von der Couch über Bett und Tisch bis zum Bilderrahmen reicht. Natürlich gibt es auch Schmuck vom Designstar. Seine regelmäßigen TV-Sendungen "Shopping Queen" und "Promi Shopping Queen", die er seit 2012 moderiert, bringen den Mann mit dem humorvollen Blick aufs Leben regelmäßig in die Wohnzimmer und halten das Interesse an der Marke hoch. Seit Kurzem ist Kretschmer Testimonial für den Wäschepflegespezialist Lenor. In dieser Rolle ist er besonders glücklich ("Wir sollten uns um die Dinge kümmern, die uns umgeben!") und will Verbraucher aufrufen, durch die Pflege ihrer Wäsche einen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit zu leisten. Ein weiteres TV-Highlight folgt im Herbst: In "Guidos Wedding Race" begleitet der Entertainer Paare zum Ja-Wort.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 33/2021