"Ich habe mich bei Google einfach beworben"

Innovations-Coach Frederik G. Pferdt verrät, worauf Google bei Bewerbungen achtet und wie man Kreativität fördert und fordert.

von Karriere - "Ich habe mich bei Google einfach beworben" © Bild: Wolfgang Fasching-Kapfenberger/beigestellt

Frederik G. Pferdt ist Chief Innovation Evangelist bei Google und unterrichtet an der d.school der Stanford Universität. Mit news.at spricht der Innovationschef des Internet-Giganten Google über Kreativität und was es braucht, um bei Google zu arbeiten.

Herr Pferdt, welche kreative Idee hatten Sie zuletzt?
Vermutlich hunderte, so wie Sie sicherlich auch. Wir alle haben ständig kreative Ideen. Teilweise fehlt uns aber der Mut zum Risiko, diese Ideen in die Realität umzusetzen.

Bei Google sind Sie „Chief Innovation Evangelist“ – was kann man sich darunter vorstellen; wie sieht ihr Job in der Praxis aus?
Ich versuche Menschen Selbstvertrauen in ihre eigene Kreativität zu geben und durch Experimentieren Lösungen für herausfordernde Probleme zu finden. Dazu gehört durch Coachings und Trainings Innovationsfähigkeit und Erfindergeist zu entwickeln. Ein sehr wichtiges Element ist dabei, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Mut zu machen etwas zu riskieren und aus Fehlern zu lernen. Mein Team besteht aus einer Community von kreativen Problemlösern, die mit bis zu 500 Teams bei Google im Jahr zusammenarbeiten.

» Haben Kinder noch bis zu 140 Fragen pro Tag sind es bei Erwachsenen oft nur mehr 4«

Was ist Kreativität überhaupt?
Dabei geht es um die Möglichkeit Neues zu denken. Wir alle sind kreativ geboren, über die Jahre verlieren wir jedoch das Selbstvertrauen in unsere Kreativität und leben sie nicht mehr aus. Beispielsweise stellen wir als Erwachsene kaum noch Fragen oder stellen kaum noch Dinge in Frage. Haben Kinder noch bis zu 140 Fragen pro Tag sind es bei Erwachsenen oft nur mehr vier.

© beigestellt Frederik Pferdt ist bei Google für innovative und kreative Prozesse zuständig.

Wie kann man Kreativität ganz allgemein fördern?
Indem man Rahmenbedingungen zum Experimentieren schafft - zum kreativ denken und handeln. Und man muss die Scheu ablegen, unfertige Ideen oder Konzepte mit anderen zu teilen. Da geht es oft weniger darum Kreativität zu trainieren sondern das Selbstvertrauen und den Erfindergeist.

…und im Büro?
Vor allem hier gilt: Freiräume schaffen um Dinge anders und besser zu machen und den Menschen die Sicherheit geben, dass Fehler passieren dürfen.

Mindmapping, Brainstorming, das sind bekannte, teilweise schon ältere Strategien. Sind die noch zeitgemäß?
Es gibt viele Tools und Techniken die einem helfen können, seine Gedanken zu strukturieren, neue Verbindungen zu schaffen oder ihnen besser freien Lauf zu lassen. Wir haben dazu einige entwickelt und erforscht. Ich würde hier aber gerne einen Schritt vorher ansetzen. Wir sind evolutionär bedingt viel zu oft in einer kritischen Sichtweise vor Neuem verhaftet. Statt einen neuen Weg zu finden machen wir dann lieber das, was auch schon in der Vergangenheit funktioniert hat.
Ich empfehle da lieber neue Idee zu bejahen, mit einem kräftigen: “Ja, lasst es uns versuchen!” Optimismus und eine positive Einstellung spielen hier eine wichtige Rolle.

Der "Aha"-Moment

Ist Kreativ-Sein anstrengend?
(lacht) Hervorragende Frage! Ich würde sagen, das Gegenteil ist vor allem anstrengend: in einer Umgebung zu leben oder zu arbeiten, die neue Dinge aus Prinzip ablehnt und Kreativität in ihrem Keim erstickt kann sehr anstrengend sein.

Die spannendsten Ideen kommen den meisten unter der Dusche, beim Autofahren oder im Bett. Braucht es dann überhaupt noch Büroräume bzw. wie müssen diese aussehen, damit kreativ gearbeitet werden kann?
Studien zeigen, dass Entspannung für kreatives Denken wichtig ist. Wer also mehr “Aha”-Momente haben möchten, sollte sich ohne Druck entspannen können, was natürlich auch von der Umgebung abhängt.
Mir kommt es aber auf einen weiteren Aspekt an: Was tut man, wenn man aus der Dusche steigt - welche Schritte unternimmt man, um seine Ideen umzusetzen?

Kreativität ist heutzutage in jedem Beruf extrem wichtig

Muss jeder Berufszweig kreativ sein? Muss ein Steuerberater genauso kreativ sein wie ein Grafikdesigner?
Kreativität ist heutzutage in jedem Beruf und in jeder Branche extrem wichtig. Und ich würde sagen: Nicht muss - sondern: darf und kann.

Sie stammen aus Ravensburg und leben seit 2011 in den USA. Was macht das Leben in Amerika aus?
Ich bin fasziniert vom “California Dream” - vom unbeschränkten Optimismus und der gesunden Missachtung des Unmöglichen. Vor allem die Offenheit gegenüber Neuem ist für mich wichtig.

Kann man den „American Dream“ noch leben?
Klar, meine Familie und ich leben den California Dream. Schauen Sie gerne mal bei uns vorbei! (lacht)

Wer hat die besten Chancen, um bei Google zu arbeiten?

Seit wann arbeiten Sie bei Google und wie sind Sie zu Google gekommen?
Seit 71/2 Jahren und durch ein ganz normales Bewerbungsverfahren, soll heißen: ich habe mich einfach beworben. Google hatte mich schon immer interessiert, da es eine Mission lebt, für die ich eine Leidenschaft entwickelt habe: Das Leben von Menschen durch Technologie zu verbessern.

Es gibt viele Gerüchte rund um den Bewerbungsprozess bei Google – klären Sie uns auf: Wer hat die besten Chancen, dort zu arbeiten?
Wir suchen immer nach talentierten, passionierten Menschen und schauen vor alle auf drei Dinge: 1. Kognitive Fähigkeiten, um Probleme zu analysieren und zu lösen 2. Führungskompetenz: Kann jemand ein Team führen aber auch anderen die Führung überlassen? 3: Googleyness: wir suchen Leute, die bereit sind, die Welt aktiv mitzuentwickeln - gepaart mit einer ordentlichen Prise intellektueller Demut, Spaß, Eigenverantwortung und Mut zu unkonventionellen Lebenswegen.

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Stimmt es, dass bei einem Bewerbungsgespräch mit Googles Personalern, teilweise auch skurrile Fragen gestellt werden, wie z.B. „Wie würden Sie Probleme auf dem Mars lösen“ oder „wie viele Golfbälle passen in einen Schulbus“?
Von diesen Fragen haben wir gelernt, dass sie ehrlich gesagt nicht viel Aussagekraft haben. Wir fragen jetzt nach Dingen wie: Welches große Problem haben Sie schon gelöst und wie haben Sie das angestellt? Worauf sind Sie besonders stolz?

» Ich möchte ein Teil davon sein, den Wandel zu sauberer Energie zu beschleunigen«

Herr Pferdt, wie würden Sie denn Probleme auf dem Mars lösen?
Ich verfolge gespannt SpaceX und ihre Mission, Weltraumfahrt erschwinglich zu machen. Vielleicht kann ja schon bald jeder den Mars erkunden.

Auf dem Google Gelände in Mountain View gibt es eine Garage – was steckt dahinter?
Ich nehme an sie meinen “The Garage”, die ich vor drei Jahren gegründet habe? Das ist ein Hacker/Designer/Maker-Space, der zum Experimentieren und Lernen einlädt. Menschen mit kreativen Ideen nutzen dort 3D-Drucker, Plastilin, Legos und Laser-cutter. Manche Innovation von Google wurde dort erstmals umgesetzt.

Blicken wir in ihre private Garage – was würden wir dort vorfinden?
Mobilität von gestern und morgen in verschiedenster Form. Und viele Lego-Steine!

Harley Davidson, 66er-Ford Mustang-Cabrio, 91er VW-Vus, Tesla X. Was kommt als nächstes?
Ein neues Elektro-Skateboard und ein Tesla Model 3. Ich möchte ein Teil davon sein, den Wandel zu sauberer Energie zu beschleunigen.

Wenn ich nicht bei Google arbeiten würde...

Jeden Freitag treffen sich Google Mitarbeiter und Führungskräfte zusammen, um zu diskutieren, wie darf man sich das vorstellen?
Wir nennen es “TGIF”, das heißt “Thank Google it’s Friday” mit einem Augenzwinkern. Das ist ein sogenanntes “All-Hands Meeting”, das in Mountain View in der größten Kantine, “Charlies Cafe”, stattfindet und auch in allen anderen Büros live übertragen wird.
Dabei werden zum Beispiel jede Woche die neuen Kolleginnen und Kollegen begrüßt und dann kann man den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin und unserem CEO Sundar Pichai Fragen stellen. Dieser Event ist ein sehr zentraler Teil unserer Kultur und unseres Selbstverständnisses und schafft etwas sehr wichtiges: Vertrauen.

„Google als Datenkrake“, „Google als Smartphone-Monopolist“. Die Kritik am Konzern ist vielfältig. Können Sie das nachvollziehen?
Hier würde ich gerne alle User ermutigen sich selbst eine Meinung darüber zu bilden, was wir genau machen. Jeder hat unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen zum Datenschutz. Unser Ziel ist es, Klarheit darüber zu schaffen, welche Informationen wir erheben - zum Beispiel um maßgeschneiderte Inhalte anzubieten - aber auch wie man seine Daten steuern, entfernen und verwalten kann. Ganz wichtig ist hier die persönliche Seite “Mein Konto” - erreichbar über myaccount.google.com - für jeden Nutzer. Das ist der zentrale Ort, an dem jeder seine Einstellungen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre individuell gestalten kann.

Wenn Sie nicht bei Google arbeiten würden, was würden Sie dann machen?
Gute Frage…(denkt nach)... dann würde ich einen Kindergarten gründen und eine Schule der Zukunft leiten.

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