"Vielleicht soll Österreich
Mitglied der Visegrad-Gruppe werden"

Der erste Besuch der von der FPÖ-nominierten Außenministerin Karin Kneissl führt in die Slowakei - ein Visegrad-Staat.

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Karin Kneissl - "Vielleicht soll Österreich
Mitglied der Visegrad-Gruppe werden"

Dass der erste Besuch der von der FPÖ-nominierten Außenministerin in die Slowakei führt, will Karin Kneissl nicht als Annäherung an die Visegrad-Staaten verstanden wissen. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache hatte im Wahlkampf genau das in Aussicht gestellt. "Österreich sollte mit diesen Staaten vermehrt zusammenarbeiten, vielleicht sogar Mitglied der Visegrad-Gruppe werden", hatte er erklärt.

Die Visegrad Vier, auch V4 genannt, sind nicht unumstritten. In Brüsseler Diplomatenkreisen gilt dieses lose Kooperationsforum aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei als "Schmuddeleck". Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn sprach von einem "Verein der Abtrünnigen". Visegrad sei "ein Symbol, gegen alles zu sein", sagte der tschechische Politologe Jiri Pehe.

Die Visegrad-Gruppe wurde nach dem Fall des Eisernen Vorhangs am 15. Februar 1991 gegründet: von dem polnischen Präsidenten Lech Walesa, dem ungarischen Ministerpräsidenten Jozsef Antall und Vaclav Havel als Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei, die 1993 in zwei Staaten zerfiel. Benannt ist die Gruppe nach dem ungarischen Gründungsort Visegrad in der Nähe von Budapest an einem Donau-Knie.

Die Idee für das Treffen ging auf eine ähnliche Zusammenkunft im Jahr 1335 zurück. Damals nahmen die Könige von Böhmen, Ungarn und Polen, also der ungarische König Karl von Anjou, Kasimir der Große von Polen und Johann von Böhmen, teil. Das Hauptmotiv für beide Treffen war der Wunsch, die gegenseitige Kooperation und die Freundschaft zwischen den mittelosteuropäischen Ländern zu vertiefen. Hauptziel bei der Gründung 1991 war der EU-Beitritt der Länder. Die vier traten zusammen am 1. Mai 2004 der EU bei.

Die V4 haben einiges gemeinsam: Die Erfahrung mit der kommunistischen Diktatur, alle sind EU-Nettoempfänger, NATO-Mitglieder und setzen auf Atomenergie. Auf Österreich trifft keines dieser Kriterien zu. EU-Nettozahler Österreich hat ein viel höheres Lohnniveau und ist ein Zielland von Arbeitskräften aus den östlichen EU-Ländern. Ein gemeinsamer Nenner findet sich aber in der Flüchtlingspolitik.

Österreich als Brückenbauer

Die Visegrad-Länder führen seit Jahren das Wort gegen die verpflichtenden Verteilungsquoten und fanden nun in der neuen Bundesregierung einen Verbündeten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ging auf Distanz zur Flüchtlingspolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es ein Irrweg, Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu zwingen, meinte er. Auch der Fokus der neuen Regierung auf mehr Subsidiarität als Antwort auf "zentralistische Tendenzen in der Europäischen Union" findet bei den V4 Anklang.

Wegen der Gemeinsamkeiten wurden in der Visegrad-Gruppe Stimmen für einen Beitritt Österreichs laut. Der tschechische Präsident Milos Zeman etwa sieht in Kurz einen möglichen willkommenen Partner. Doch es gibt in der Region auch historisch bedingtes Misstrauen gegen Österreich, das noch aus der Zeit der Donaumonarchie stammt. Die Visegrad-Länder wollen "unter sich bleiben", sagte Außenministerin Kneissl.

Auch Kurz schließt einen Visegrad-Beitritt Österreichs aus. "Wir sehen uns als Brückenkopf", so Kurz. Er strebe gute Beziehungen zu Deutschland und Frankreich, aber auch zum Osten Europas an. Kurz und Strache rühmten sich beide in einem TV-Duell der persönlichen Kontakte zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Internationale Zeitungen, aber auch heimische Kritiker warnten bereits vor einer "Orbanisierung" der Politik Österreichs. Kennzeichen dieser sei die "angstgetriebene abgeschottende Renationalisierung und Enteuropäisierung", wie etwa der Theologe Paul Zulehner 2016 definierte.

»Die Vorurteile gegenüber der neuen österreichischen Regierung sind überzogen«

"Die Vorurteile gegenüber der neuen österreichischen Regierung sind überzogen", kommentierte dagegen die "Welt" am Wochenende. "Berlin konnte in der Flüchtlingspolitik keinen Konsens innerhalb der EU erzielen, der französische Präsidenten Emmanuel Macron ebenso wenig. Da könnte Wien, das nach der dortigen Regierungsbildung zwar nach rechts gerückt ist, sich aber deshalb weder von demokratischen Werten noch der europäischen Idee verabschiedet hat, zum Brückenbauer werden."

Die Visegrad Vier untereinander sind sich auch nicht immer einig. Im Streit zwischen Polen und der EU über die Unabhängigkeit der Justiz etwa stellte sich bisher nur Budapest auf die Seite Warschaus. Orban kündigte ein Veto gegen die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Polen an. Das Verfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen kann, muss einstimmig beschlossen werden.

Ungarn seinerseits pflegt enge wirtschaftliche und politische Kontakte zu Russland. Anders als etwa Polen. Die Slowakei wiederum ist der einzige Visegrad-Staat, in dem mit dem Euro bezahlt wird. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sieht sein Land "als proeuropäische Insel". Der letzte Sozialdemokrat Mitteleuropas ging schon etwas auf Distanz zu seinen Partnern: Basis der slowakischen Politik sei es, dem "Kern" Europas, Frankreich und Deutschland, nahe zu sein. Die Slowakei sei an der regionalen Kooperation innerhalb der Visegrad-Gruppe interessiert, "aber das lebenswichtige Interesse der Slowakei ist die EU".

Es kommt der Verdacht auf, dass nur der Widerstand gegen muslimische Migranten und die Flüchtlingsquoten die Visegrad-Gruppe verlässlich zusammenschweißt, meinte die konservative tschechische Zeitung "Lidove noviny": "Sobald es um andere Themen geht, bröckelt die Entschlossenheit."

Kommentare

street

Es bestehen die Bedenken, dass ähnlich den Grenzen des ehemaligen Ostblocks dieser nicht mehr an den Grenzen des Burgenlands beginnt, sondern demnächst bereits am Inn. Was Menschenrechte und Lebensqualität betrifft, ist das eine bedenkliche Entwicklung.

Markus Wolf

Also was jetzt:
Will die oesterreichische blau-braune Rechte auf einmal wider WEG von Cisleithanien?
I am so confused...

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