Woody Allen à la française

Alexandra Liedtke inszenierte Florian Zellers Komödie "Die Kehrseite der Medaille"

Boulevard-Stücke zählen zu den größten Herausforderungen am Theater. Vor allem, wenn sie eine scheinbare Leichtigkeit ausstrahlen, wie die Komödien des jungen Franzosen Florian Zeller. Aus der banalen Geschichte eines Ehepaars, das die junge Geliebte eines Freundes beim gemeinsamen Abendessen kennenlernt, generiert Alexandra Liedtke mit Michael Dangl, Sona MacDonald, Marcus Bluhm und Alma Hasun fulminantes Konversationsstück, das an die große Zeit Woody Allens erinnert.

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Kammerspiele - Woody Allen à la française © Bild: Sepp Gallauer

Konversationsstücke, die leicht vor sich hin perlen, ohne große Emotionen zu erzeugen, stehen seit Yasmina Reza am Theater wieder hoch im Kurs. Florian Zeller gibt sich jedoch nicht mit der oft unerträglichen Einfachheit des Sprechens zufrieden, wie „Die Kehrseite der Medaille“ zeigt. Das Stück für vier Schauspieler ist eine artifizielle Komödie, die sich eines Stilmittels bedient, das man heute fast nur noch aus Klassikern kennt: Das Beiseitesprechen. Das heißt, der Schauspieler erzeugt eine zweite Ebene zum Geschehen, indem er zum Publikum spricht. Man kennt das aus den Komödien Molières und später auch Nestroys, deren Figuren damit große komische Momente erzeugen. Volker Hintermeiers überladene Bühne, ein mit goldenen Designermöbeln ausgestattetes Wohnzimmer reflektiert die Tradition dieses molièreschen À-part-Sprechens und holt sie gleichsam in die Gegenwart. Denn Zeller arbeitet dieses Beiseitesprechen zu einer zweiten Handlung aus. Zum einen zeigt er ein Konversationsstück, das die Beziehungen zweier Paare wie nach dem Muster einer Komödie Woody Allens abhandelt. Das funktioniert.

© Sepp Gallauer Michael Dangl, Alma Hasun und Marcus Bluhm

Die zweite Ebene jedoch, die beiseite gesprochene, verrät die wahren Gedanken. Damit spielt auch Regisseurin Alexandra Liedtke. Zuweilen scheint es, als hätte sie für jede ihrer Figuren eine eigene Partitur erstellt, wie sie zu agieren hat, . Und das verlangt größtes Können der Schauspieler. Darüber verfügt Michael Dangl. Er zeigt den Verleger Daniel, der im Beruf erfolgreich ist, sich zu Hause aber den Gesetzen seiner Ehefrau Isabelle (Sona MacDonald) unterwirft. Wie er seine Gewissensbisse, seine Ängste, seine Wünsche und Sehnsüchte à-part spricht und sich dabei vom soignierten Herren zum Schulbuben wandelt, der seine kleinen Streiche nicht zu gestehen wagt , ist Präzisionsarbeit. Und nur damit lässt sich wahre Komik erzeugen. Sona MacDonald gibt die überlegene Universitätsprofessorin mit Noblesse. Marcus Bluhm zeigt authentisch einen verliebten Mann. Und Alma Hasun vervollständigt das Ensemble als junge Verführerin. An dieser Aufführung fehlt nichts.

© Sepp Gallauer Michael Dangl und Alma Hasun

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