"In der Causa WKStA bleibe ich dabei, dass es legitim ist, bestimmte Abläufe und Prozesse kritisch zu hinterfragen, denn eine unabhängige und funktionierende Justiz ist ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaats", erklärte der Bundeskanzler Donnerstagfrüh gegenüber der APA. "Deshalb möchte ich mit den Standesvertretern sowie der Justiz- und der Kanzleramtsministerin die aktuellen Kritikpunkte sowie jene der vergangenen Jahre bei einem runden Tisch im Bundeskanzleramt ansprechen und diskutieren, um anschließend die im Regierungsprogramm vorgegebenen Ziele rasch in Umsetzung zu bringen."
Drei-Punkte-Plan
Die Justiz soll laut Kurz "unabhängig und objektiv arbeiten". Beim Runden Tisch soll es nach Meinung des Bundeskanzlers vor allem um drei Punkte gehen: die Verfahrensdauer, das Vertrauen in die Justiz sowie Unabhängigkeit und Objektivität.
"Welche Maßnahmen können gesetzt werden, damit Schuldige schneller bestraft werden und Unschuldigen nicht zu lang etwas Unrechtes vorgeworfen wird, wodurch diese massive Nachteile insbesondere in ihrem Berufsleben in Kauf nehmen müssen". Punkto Vertrauen geht es laut Kurz um die Frage, wie "die anscheinend gravierenden Unstimmigkeiten, Anschuldigungen, Anzeigen und öffentlich ausgetragenen Konflikte zwischen der WKStA und den Oberbehörden endgültig gelöst werden, damit das Vertrauen in die Justiz nicht weiter leidet".
Keine parteipolitischen Besetzungen
In Sachen Objektivität will Kurz laut eigenen Aussagen parteipolitische Besetzungen verhindern. "Es gibt eine lange Tradition und gelebte Praxis von parteipolitischen Besetzungen in Teilen der österreichischen Verwaltung. Wie kann gerade im sensiblen Bereich der Korruptionsstaatsanwaltschaft sichergestellt werden, dass Derartiges insbesondere dort nicht stattfindet."
Darüber hinaus brauche es auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Justiz. "Ich bin überzeugt, dass eine sachliche und faktenbasierte Debatte ohne Tabus zu einer Stärkung sowie Objektivität der Justiz und ihrer Arbeit führen wird."
Aufregung um "Netzwerk roter Staatsanwälte"
Kurz hatte in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch mit Journalisten vor zwei Wochen im Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Causa Casinos und gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Die Wochenzeitung "Falter" hatte die Aussagen diese Woche veröffentlicht. Staatsanwälte, Richter und Opposition reagierten darauf alarmiert. Die Standesvertreter wiesen den im Raum stehenden Vorwurf parteipolitischen Agierens vehement zurück.
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Die Budget-Baustellen sind bekannt
Beim von Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigten "runden Tisch" mit Justizvertretern soll es auch um die finanzielle Ausstattung gehen. Dass der Justiz allein für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes heuer 90,6 Mio. Euro fehlen, hat der damalige Minister Clemens Jabloner schon im Vorjahr in seinem Wahrnehmungsbericht deponiert. Gefordert wird darin auch mehr Personal.
Dass das Justizministerium mit seinem Budget nicht auskommt, zeigen die laufenden Überschreitungen des Finanzplans: zumindest seit 2013 hat die Justiz jährlich mehr Geld ausgegeben als im Budgetentwurf ursprünglich vorgesehen. Auch im Vorjahr wurden die ursprünglich vorgesehenen 1,6 Mrd. Euro um 57 Mio. Euro überschritten.
"Unterbudgetierung"
Im Wahrnehmungsbericht ist daher von einer laufenden "Unterbudgetierung" die Rede. Um diese zu beenden, wäre für das Jahr 2020 allein zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs eine Erhöhung um 90,6 Mio. Euro auf 1,73 Mrd. Euro nötig. Die Budgetverhandlungen muss nun allerdings Jabloners Nachfolgerin Alma Zadic (Grüne) führen. Konkrete Zusagen gibt es im Regierungsprogramm nicht. Die Rede ist allgemein davon, den Personalstand im Strafvollzug nachhaltig zu sichern und die Justizverwaltung "mit den erforderlichen Ressourcen" auszustatten.
Als große Baustelle der Justiz gilt die Personalsituation: Während die Polizei seit Jahren aufgestockt wird, muss die Justiz Planstellen abbauen. Allein im "Fachdienst" der Gerichte und Staatsanwaltschaften - also beim Kanzleipersonal - wurden in den Jahren 2016 bis 2018 180 Stellen gestrichen. Weitere 124 sollten 2019 wegfallen und für heuer ist ein weiterer Abbau um 169 vorgesehen.
Der Wahrnehmungsbericht warnt hier davor, dass der Personalabbau bereits zu "gravierenden Qualitätseinbußen und Verfahrensverzögerungen" geführt habe. Gefordert wird daher ein Stopp des Personalabbaus sowie 100 Planstellen zusätzlich. Außerdem sollen Pensionierungen bei Rechtspflegern nachbesetzt und 20 zusätzliche Staatsanwälte eingestellt werden - u.a. zur Bekämpfung von Terrorismus und Computerkriminalität. Zusätzliches Personal gefordert wird auch für das Bundesverwaltungsgericht (10 Richter und 40 juristische Mitarbeiter zur rascheren Abwicklung von Berufungen in Asylverfahren) sowie für die Justizwache (über 250 Planstellen). Letztere soll auch in die Schwerarbeiterregelung aufgenommen werden.
FPÖ: "Justice Control" statt "Message Control"
Eine schon länger verfolgte Strategie sieht FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hinter den Angriffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft - mit dem Ziel der "Knebelung der WKStA". Es sei zu befürchten, dass die ÖVP nach der "berüchtigten 'Message Control' jetzt auch eine 'Justice Control' einführen will", meinte er am Donnerstag in einer Aussendung.
Den von Kurz einberufenen "Runden Tisch" hält Kickl für eine "Flucht nach vorne eines Ertappten" - und "in Wahrheit" für den nächsten Versuch, die WKStA an die Kandare zu nehmen. Er forderte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf, "dem entschlossen entgegenzutreten". Und wenn Kurz die Baustellen der Justiz bereinigen wolle, müsste er umfassender ansetzen: Denn "es soll ja gar nicht so wenige Staatsanwaltschaften geben, in denen Parteifreunde des Kanzlers die höchsten Positionen besetzen".