Langzeitarbeitslos:
Jobsuche mit 50+

Menschen zwischen 55 und 59 Jahren suchen im Schnitt 207 Tage nach einem neuen Job.

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Jobsuche - Langzeitarbeitslos:
Jobsuche mit 50+

Aktuell profitiert der österreichische Arbeitsmarkt von der guten Konjunktur. Die Zahl der Arbeitslosen ist rückläufig, laut AMS waren im August 2018 aber immer noch knapp 290.000 Personen in Österreich arbeitslos, inklusive Schulungsteilnehmer waren es sogar 345.000 Menschen.

Auf Jobsuche mit 50+

Wenig erfreulich ist die Zahl von 141.209 Menschen, die länger als 12 Monate keiner Beschäftigung nachgegangen sind. Besonders ältere Menschen sind länger arbeitslos: Im Durchschnitt ist ein über 60-jähriger Arbeitsloser mehr als 350 Tage ohne Job. Bei den 55- bis 59-Jährigen dauert die Jobsuche 207 Tage.

»Langzeitarbeitslosen fällt die Arbeitssuche deutlich schwerer«

„Die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Job zu finden, sinkt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit. Langzeitarbeitslosen fällt die Arbeitssuche deutlich schwerer, denn eine lange Dauer der Arbeitslosigkeit gilt bei vielen Arbeitgebern als negatives Signal“, sagt Agenda Austria-Arbeitsmarktexperte Wolfgang Nagl.

Passend dazu: Arbeitslosigkeit: Alltag ohne Auftrag

Die Arbeitslosigkeit in Österreich sei durch strukturelle Probleme geprägt, so Nagl. Trotz guter Konjunktur ist die Arbeitslosigkeit für österreichische Verhältnisse sehr hoch. Ungeachtet der florierenden Wirtschaft finden Arbeitslose keinen Job, während Unternehmen vergeblich nach neuen Mitarbeitern suchen. Dieser Mismatch liegt primär an zwei Gründen:

  • Erstens: Die freien Stellen werden oft in Regionen angeboten, in denen die passenden Arbeitskräfte fehlen. Umgekehrt suchen viele Arbeitslose in jenen Gegenden eine Beschäftigung, in denen zu wenig passende Jobs angeboten werden.
  • Zweitens: Arbeitgeber suchen Mitarbeiter mit Qualifikationen, die trotz der hohen Anzahl an Arbeitssuchenden nicht in ausreichendem Maße angeboten werden. Davon zeugt neben der stark gestiegenen Zahl offener Stellen auch die Mangelberufsliste des Sozialministeriums.

Die Verantwortung sieht Nagl bei den Unternehmen, der Staat solle lediglich die Rahmenbedingungen schaffen. Um Arbeitslosenzahl zu minimieren, fokussiert Nagl fünf Punkte:

  • Um- und Weiterqualifizierung sollte im Mittelpunkt der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen stehen. Das Arbeitsmarktservice sollte angesichts des dokumentierten Qualifikations-Mismatches die arbeitsplatznahe Qualifizierung und die Fachkräfteausbildung forcieren.
  • Um den regionalen Mismatch in den Griff zu bekommen, sollte die Liste der Mangelberufe regionalisiert werden. Das würde Unternehmen entlasten, die von einem Fachkräftemangel etwa im Westen Österreichs betroffen sind.
  • Das Risiko, in die Langzeitarbeitslosigkeit zu geraten, ist für ältere Arbeitnehmer deutlich höher. Nach schwedischem Vorbild sollten sich die österreichischen Kollektivverträge zukünftig mehr an der Produktivität und nicht am Alter orientieren. Ein weniger ausgeprägtes Senioritätsprinzip bedeutet aber nicht, dass Arbeitnehmer weniger verdienen, das Einkommen wäre lediglich im Laufe des Arbeitslebens anders verteilt. Der Einkommenshöhepunkt wäre früher (zwischen 40 und 50), die Arbeitskosten würden sich ab einem gewissen Alter nicht weiter erhöhen, sondern abflachen. In Österreich ist es derzeit genau umgekehrt, je älter die Arbeitnehmer sind, desto hoher sind die Arbeitskosten.
  • Um zusätzlichen Spielraum für neue Arbeitsplätze zu schaffen, sollte die Steuern- und Abgabenlast auf den Faktor Arbeit gesenkt werden. Im internationalen Vergleich liegt die Summe aller Steuern und Abgaben in Österreich im Spitzenfeld.
  • Um für Arbeitslose einen höheren Anreiz zu schaffen, eine Beschäftigung aufzunehmen, wäre eine Staffelung des Arbeitslosengeldes zielführend. Am Anfang sollte das Arbeitslosengeld höher sein, dann aber gestaffelt sinken. Über die Bezugsdauer soll die Auszahlungssumme gleich sein.

Fordern und fördern

"Neben der angesprochenen Abschwächung des Senioritätsprinzips wäre auch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts für Ältere zielführend", resümiert Nagl. "Individuell ist es sicherlich auch wichtig mit 50+ noch neue Herausforderungen anzunehmen und sich weiterzubilden. Neben dem Fordern, sollte aber auch ein Fördern stehen. Gezielte Arbeitsmarktpolitik muss für die Arbeitslosen zielgerichtete Weiterbildungsangebote bereitstellen und die Beschäftigung Älterer gegebenenfalls auch finanziell unterstützen."

Tipps vom Experten

News hat bei einem Experten nachgefragt, worauf es bei der Bewerbung von Jobsuchenden 50+ ankommt. Christian Ploy ist Coach in Wien, seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen der Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung. Seit 10 Jahren führt er sein Unternehmen Christian Ploy und begleitet Menschen bei Veränderungs- und Entwicklungsprozessen, sowie Karriereplanung.

Worauf kommt es bei Bewerbungen von Jobsuchenden 50+ an?

In diesem Alter ist der Lebenslauf vollgepackt mit Berufserfahrungen in verschiedenen Positionen oder Unternehmen, Weiterbildungen, uvm. Daher mein Rat speziell an diese Altersgruppe sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, anstatt die Bewerbungsunterlagen zu überladen. Als Coach arbeite ich mit meinen KundInnen daher konkret ihre Kernkompetenzen heraus. In einer guten Bewerbung bleibt der Bewerbende authentisch indem er seine Stärken kennt. Wichtig neben der verbalen Selbstpräsentation sind auch Kenntnisse wie heutzutage Bewerbungen formal aufbereitet sein sollen. So mancher hat seine letzte Bewerbung vor vielen Jahren/Jahrzehnten geschrieben. BewerberInnen dieser Altersgruppe sollten sich nicht scheuen Hilfe von Jüngeren anzunehmen.

»Standardvorlagen oder unpersönliche Motivationsschreiben führen nicht zum Ziel«

Was sollte man in diesem Alter in der Bewerbung vermeiden?

Die Altersgruppe 50+ sollte in keinem Fall dem Irrtum erliegen einzig und allein mit Berufserfahrung punkten zu können. Im Vergleich zu jüngeren BewerberInnen liegt darin ein entscheidender Vorteil, jedoch würde ich Abstand davon nehmen wahllos sämtliche Stationen, die keinen Bezug zur Stellenausschreibung haben, anzuführen. Standardvorlagen oder unpersönliche Motivationsschreiben führen nicht zum Ziel.

Ein zweiter ganz wesentlicher Punkt ist die Einstellung der Jobsuchenden. Viele haben bereits Absagen erlebt oder lassen sich von den Meinungen des Bekanntenkreises „das wird in dem Alter aber schwierig“ leiden und nehmen eine demütige Haltung ein. Gerade der Fokus auf die Defizite lässt diese Personen im Bewerbungsprozess dann scheitern. Gleich tragisch wäre es jedoch auch aufgrund der umfassenden Berufserfahrung eine überhebliche Haltung einzunehmen.

Ist es ratsam sich auf seine Erfahrung zu berufen?

Es ist ratsam sich in erster Linie auf die eigenen Kernkompetenzen zu berufen und anschließend diese mit Erfahrungen zu unterstreichen. In diesem Alter verfügt man nicht nur über fachliche Erfahrung, sondern besonders auch „Lebenserfahrung“, Umgang mit schwierigen Situationen, Rückschlägen, Veränderungen, unterschiedlichen KollegInnen und Vorgesetzten. Somit ist man als 50+ BewerberIn den Jungen darin einen entscheidenden Schritt voraus – das bringt ein bestimmtes Lebensalter zumeist mit sich.

»Es ist ratsam sich in erster Linie auf die eigenen Kernkompetenzen zu berufen «

Was 50+ Bewerber in einem Bewerbungsprozess unterscheiden kann sind: die Gewissheit wofür man Leidenschaft hat, wer man als Person und Arbeitnehmer ist, welche Tätigkeiten einem liegen und welche weniger – ja auch das kommt durch Erfahrung.

Oftmals haben ältere Jobsuchen negative Erfahrung, sie suchen länger nach einer passenden Stelle; wie kann man die Motivation dennoch hochhalten?

Schlüssel Nummer 1: negative Gefühle zu akzeptieren und sich selbst nicht bestrafen. Wichtig ist ein realistischer Zugang von Beginn an: ja es werden auch Absagen kommen, ja es kann nur eine Person den Job bekommen (von vielleicht hunderten). Mit der Einstellung aus Absagen zu lernen, kommen Sie wieder ins Tun. Fragen Sie als Bewerber nach Feedback bei Absagen.
Ich empfehle sich von Beginn an eingehend mit eigenen Kompetenzen, Motiven und Antreibern zu beschäftigen. Der eigene Fokus geht dadurch in Richtung positive Einstellung mir selbst gegenüber. Über die Beschäftigung damit erlangt man mehr Sicherheit im Bewerbungsgespräch. Verstärkend hilft, sich mental ein Bild davon zu machen, was man erreichen möchte, wie es sich anfühlt und aussieht, wenn man es erreicht hat - so als wäre es bereits eingetreten.

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