Joachim Brandl: "Wenn man es richtig macht, darf Satire alles"

Der "Anchorman" im Gespräch über die "Tagespresse" im ORF, Fake News und mehr

Ab dem 19. September setzt der ORF auf Fake News mit dem Start der „Tagespresse aktuell“, dem Fernsehformat des beliebten Satire-Internetportals „Die Tagespresse“. Das Magazin, das auch im TV von den Machern des Portals, Woche für Woche kreiert wird, wird von Schauspieler und Simpl-Kabarettist Joachim Brandl in der Rolle des Anchormans Joachim Fuchs präsentiert. News.at traf den gebürtigen Grazer zum Interview und sprach mit ihm über die neue Sendung, Fake News und die Nationalratswahl.

von Joachim Brandl Die Tagespresse Aktuell © Bild: ORF/Hans Leitner

Sie moderieren ab 19. September „Tagespresse Aktuell“ im ORF. Haben Sie das Online-Portal davor gekannt?
Joachim Brandl: Natürlich.

Gab es eine bestimmte Geschichte, die Ihnen besonders gut gefallen hat?
Oh ja, eine ist mir konkret im Kopf geblieben. „Millionen Amerikaner vor dem Ruin. Trump ersetzt Obamacare durch die SVA“ hieß die in etwa. Diese Verknüpfung von Überseegeschichte und heimischer Situation habe ich grenzgenial gefunden. Die ums Eck gedachten Zusammenhänge, die die Burschen finden, faszinieren mich am meisten.

Sind Sie in die Konzeption der TV-Sendungen eingebunden?
Nein. Ich bin ganz klassisch als Darsteller, als Moderator, angestellt. Das ist deren Baby. Das wäre vermessen, als Neuling den Jungs, die das groß gemacht haben, zu sagen, wie es geht.

Sie haben auch kein „Veto-Recht“, wenn Ihnen etwas nicht so gut gefällt?
In der Situation war ich noch nicht, denn alles was wir in den Proben gemacht haben, war super. Dass nicht immer jede Wuchtl gleich gut aufgeht, liegt in der Natur der Sache. Das wird sich irgendwie einpendeln.

Joachim Brandl Die Tagespresse Aktuell
© ORF/Hans Leitner Die "Tagespresse aktuell"-Macher Jürgen Marschal, Sebastian Huber und Fritz Jergitsch mit ihrem Anchorman Joachim Brandl als Joachim Fuchs

Sowohl bei den Fake News der "Tagespresse" als auch in Ihren Kabaretts geht es immer wieder um Österreich. Was sind typisch österreichische Eigenheiten, die sich besonders gut persiflieren lassen?
Die Falschheit der Österreicher. Die Österreicher können gut hinten rum, das ist etwas, was mich immer wieder fasziniert.
Auch dieses Selbstbild der Österreicher, das sich mit dem Bild von außen nicht immer deckt, ist interessant.
Und wenn man in Wien ist, kommt man um die Art der Wiener nicht herum, die oft… wie bringe ich das jetzt diplomatisch heraus… grantige und unfreundliche Art. Das ist einfach ein Thema, auch wenn es natürlich ein Stereotyp und nichts Neues ist.

»"Sebastian Kurz schreit danach, auf die Schaufel genommen zu werden"«

Welche Politiker lassen sich gut auf die Schaufel nehmen?
Schade ist es um Werner Faymann, muss ich ganz ehrlich sagen. Das ist ein Verlust, dass der nicht mehr an Bord ist. Der war durch seine Art und die Stimme einfach aufgelegt. Ansonsten gibt es keinen, den man nicht gut auf die Schaufel nehmen kann. Van der Bellen hat ein bisschen verloren, weil er in Wahrheit nicht mehr wirklich da ist.
Im Moment ist es natürlich Sebastian Kurz, der schreit danach, auf die Schaufel genommen zu werden, was aber in Wahrheit eh eine Auszeichnung ist. Weil das heißt, dass ich in irgendeiner Form im Rampenlicht stehe und von Wichtigkeit bin.

Sobald etwas passiert auf der Welt, ist das Internet überflutet von Memes und dergleichen. Wie schwer ist es, als Kabarettist da noch originell zu sein?
Das ist ein guter Punkt. Es wird immer interessanter. Zum Beispiel posten auf Facebook sofort 2.000 Leute etwas und sind damit oft schneller. Außerdem gibt es Dinge, die sind so aufgelegt, dass mehrere Leute unabhängig voneinander auf denselben Gedanken kommen. Damit muss man einfach leben. Das heißt nicht, dass ich bewusst fladern soll, aber man kann das Rad auch nicht neu erfinden und ich glaube, es kommt darauf an, wie man damit umgeht.

Was macht gutes Kabarett aus?
(übelegt lange…) Für mich ist gutes Kabarett böse, muss anecken und muss lustig sein. Objektiv betrachtet gibt es kein gutes und schlechtes Kabarett. Humor ist eine wahnsinnig persönliche Geschichte.

Muss es niveauvoll sein?
Für mich, ja. Aber wenn jemand über tiefe Schmähs lacht und sich amüsiert, hat das bis zu einem gewissen Grad seine Berechtigung.

Sowie auch die „Tagespresse aktuell“-Rubrik „9 Orte, 9 Aborte – auf der Suche nach der schönsten Toilette“?
Da gibt es nur einen Trailer dazu, keine Sendung. Aber selbst Fäkalhumor kann man mit einem Dreh bringen, dass es funktioniert. Es ist erstaunlich, wie simpel Dinge oft sein können, um lustig zu sein. Es gibt den Spruch: „Der Furz ist der König des Witzes.“ Die Leute haben schon zu Shakespeares Zeiten gelacht, wenn jemand auf der Bühne einen fahren gelassen hat. Das ist der größte Klassiker aller Zeiten.

Joachim Brandl Die Tagespresse Aktuell
© ORF/Hans Leitner Joachim Brandl in seiner Rolle als Joachim Fuchs bei der "Tagespresse aktuell".

Kann die „Tagespresse“, die bislang ein unabhängiges, kleines Online-Portal war, im ORF funktionieren? Ist man da nicht einem gewissen – inhaltlichen wie quotentechnischen – Druck ausgesetzt?
Das müssen sie den ORF fragen. Ich hoffe nicht. Frau Zechner hat bei der Pressekonferenz gesagt, dass sie den Erfolg der Sendung daran misst, ob die Jungs ihre satirische DNA behalten und das finde ich eine schöne Ansage. Wenn im Fernsehen schon Satire gemacht werden soll, muss auch ein Freiraum gegeben werden. Das hat der ORF bis jetzt sehr gut vorgelebt, er war ja auch selbst oft Ziel des Spotts.
Ich bin mir sicher, dass es funktionieren wird, obwohl ich mir eingestehen muss, dass die Erwartungen verdammt hoch sind.

Die Sendung startet am 19. September, kurz vor den Nationalratswahlen. Ist das ein gefundenes Fressen oder macht das eher Druck?
Das ist perfekt, weil das Feld bereitet ist. Wir zeichnen immer erst einen Tag vor der Sendung auf und können aktuell auf die Dinge reagieren.

Wie wird die Wahl ausgehen?
Keine Ahnung. Das Dreierrennen an der Spitze wird knapper ausgehen, als man das jetzt denkt. Ich glaube es wird haarscharf werden und es kann in jede Richtung ausschlagen.

Die Fake News der „Tagespresse“ sind Satire, es gibt aber gerade im Moment viele falsche Nachrichten, die nicht so lustig sind. Wie schwer ist es, hier eine Grenze zu ziehen?
In Wahrheit machen wir unseren Job dann gut, wenn die Leute möglichst oft auf uns reinfallen. Die Jungs sind vom "Guardian" zitiert worden und das Außenministerium wurde angerufen, ob Snowden in Wien ist. Das ist das Beste, was einer Satireseite passieren kann.
Ich glaube, dass man durch den Sendeplatz und die Kennzeichnung alles getan hat, was dazu zu tun ist.
Wenn die Leute reinfallen, sollen sie nachdenken, was sie glauben und wo sie sich ihre Informationen holen.

Glauben Sie, dass Satire auch aufklären kann?
Ich glaube, unser Format ist nicht das richtige, um Aufklärungsarbeit zu betreiben. Man kann nur Themen aufzeigen und hoffen, dass dieser Effekt eintritt.
Im Gegensatz zu US-Formaten, wie die "Late Show" von Stephen Colbert oder "Last Week Tonight" von John Oliver. Die vermitteln Fakten und trennen dann zwischen Fakt und lustiger Kommentar. In den USA sind die Satiriker in der absurden wie genialen Situation, dass sie viel mehr Freiheiten haben, die Dinge beim Namen zu nennen. Die „Washington Post“ kann nicht schreiben, dass Idioten am Handwerk sind, das geht nicht. Wenn Stephen Colbert sagt; „Das sind lauter Idioten“, dann ist das zutreffend und er darf es. Die haben da ein ganz ein anderes Gewicht bekommen, weil sie von diesen Regeln des Journalismus ein bisschen befreit sind. Und das ist in der Situation, in der die USA jetzt sind, Gold wert.

»"Ich glaube, es darf auch persönlich werden."«

Wie weit darf Satire gehen? Gibt es Grenzen?
Nein. Ich glaube, wenn man es mit dem richtigen Dreh macht, dann ist alles erlaubt. Dann darf ich jemanden, der im Rampenlicht steht und sich zu einem Thema hinauslehnt, richtig hart angehen, wenn das im Kontext gerechtfertigt ist. Ich glaube, es darf auch persönlich werden, den Protagonisten betreffend. Was für mich nicht mehr geht, ist, wenn man anfängt, die Familie hineinzuziehen wie zum Beispiel Trumps Sohn. Das geht einfach nicht. Aber: Wenn man es richtig macht, darf Satire alles.

Haben Sie als Satiriker und Kabarettist schon jemals Angst gehabt, Stichwort Charlie Hebdo?
Nein, nie. Zum Glück ist Österreich zu unwichtig auf der Weltkarte, als dass uns jemand wahr nimmt. Außerdem ist der Stil den Charlie Hebdo macht Wahnsinn und irrsinnig mutig, so mutig wäre ich nicht. Das rechtfertigt in keinster Weise die Reaktion natürlich! Aber in so Extremen bewegen wir uns in Österreich traditionellerweise nicht. Das ist eine ganz andere Kultur.

Moderieren Sie lieber die „Tagespresse aktuell“ oder würden Sie auch gerne einmal die „Zeit im Bild“ moderieren?
Nein, die „Zeit im Bild“ möchte ich nicht moderieren, das wäre mir zu fad.

Sie schreiben im Magazin „Eltern“ eine monatliche Kolumne übers Vater sein. Was ist schwieriger, ein gutes Kabarettprogramm zu schreiben oder eine Familie zu managen?
Eine Famlie zu managen! … Abgesehen davon, dass man es nicht vergleichen kann. Aber was das Schöne an der Familie ist, im Vergleich zum Kabarett: Beim Kabarett geht es um nichts! Ich liebe es, aber die wirklich wichtigen Dinge passieren nicht auf der Bühne.

Finden Ihre Kinder Sie witzig?
Brandls vierjährige Tochter, die ihn zum Interview begleitet: Nein.

Würden Sie gerne bei der Tagespresse mitschreiben?
Um Gottes willen! Sollte man gefragt werden, wäre das erstens ein riesiges Kompliment und natürlich würde man diese Chance ergreifen. Aber das ist überhaupt nicht mein Ziel.

Sie spielen in der TV-Sendung den fiktiven Anchorman Joachim Fuchs. Haben Sie ein Anchorman-Vorbild im Kopf für diese Rolle?
Es gibt viele Leute, die das gut machen, von Armin Wolf angefangen bis zu Ron Burgundy, der macht das auf seine ganz eigene Art auch gut.
Wir haben eine Figur im Kopf, die wachsen wird und hoffentlich gedeihen und wir schauen, wo sie uns hin führt.

Es sind erst einmal zwölf Folgen geplant. Wird es danach weiter gehen?
Ich gehe davon aus, dass es weiter geht. Aber die letzte Entscheidung liegt beim Seher, das wird sich weisen.

Joachim Brandl
© RF/Sobieszek Agentur/Jan Frankl

Zur Person:
Joachim Brandl ist Schauspieler und Kabarettist und moderierte die ORF-Show "Hirn mit Ei". Er schreibt und spielt seit 2013 im Kabarett Simpl, derzeit in der Revue "Im freien Fall!" und ist seit 2017 Conferencie im Kabarett Simpl. Er wurde in Graz geboren und lebt mit seiner Familie in Wien. Für das Magazin "Eltern" schreibt er eine monatliche Kolumne übers Vater sein. Ab 19. September wird er die "Tagespresse Aktuell" in der ORF-Comedyschiene DIE.Nacht moderieren.