"Ich weiß nicht, ob „Amour Fou“ lustiger ist, als die anderen Filme"

Jessica Hausner über ihre "absurde Komödie", die die Viennale eröffnet

von Jessica Hausner © Bild: Gianmaria Gava/coop 99/Stadtkino Filmverleih

NEWS.AT: „Amour Fou“ ist der erste österreichische Film seit fünf Jahren, der die Viennale eröffnet. Fühlst du dich geehrt?
Jessica Hausner: Sehr! Das freut mich sehr. Gerade weil in Österreich die österreichischen Filme oft nicht so beachtet werden, finde ich das eine selbstbewusste und coole Geste von Hans Hurch.

NEWS.AT:Wie wichtig ist es für den österreichischen Film, dass heimische Werke auf der Viennale präsent sind?
Jessica Hausner: Ich finde das sehr wichtig. Ich wundere mich oft, dass meine Filme im Ausland besser beurteilt werden oder mehr Zuschauer haben und gerade unlängst habe ich an einer Diskussion darüber teilgenommen, wie gering der Marktanteil österreichischer Filme in Österreich ist und man rätselt, woran das liegt. Ein Punkt ist bestimmt die Aufmerksamkeit. Also wenn österreichische Filme ins Spotlight geraten, gehen mehr Leute hin, um sich das anzuschauen.

Amour Fou
© Stadtkino Filmverleih

NEWS.AT:Spürt man das auch an den Besucherzahlen, wenn ein Film auf der Viennale gezeigt worden ist?
Jessica Hausner: Ich bin mir ganz sicher, dass es ein guter Effekt ist, denn im Rahmen eines Festivals entsteht viel Diskussion und wenn mehrere Leute gemeinsam über den Film reden, hat das mit Sinnstiftung zu tun.

NEWS.AT:„Amour Fou“ lief auch schon in Cannes. Wie ist der Film dort angekommen?
Jessica Hausner: Ich hatte den Eindruck, dass der Film gut ankommt. Was mich gefreut hat, war, dass das Absurde, das Komische an meinem Film auch gesehen und geschätzt wurde. Das hat mir gefallen, weil ich keinen tragischen Film über einen Doppelselbstmord machen wollte, sondern eben einen absurden.

NEWS.AT:Wie bist du überhaupt auf das Thema Doppelselbstmord gekommen?
Jessica Hausner: Mich hat das Thema interessiert, weil ich mich gefragt habe, warum jemand aus Liebe gemeinsam sterben will. Es ist absurd, weil der Tod die Liebenden ja auf immer trennt. Und in „Amour Fou“ ist diese Idee sozusagen ein Aufhänger. Es geht um das Getrennt-Sein in der Liebe. Und die Frage, ob es überhaupt möglich ist, jemanden zu finden, der die Vorstellungen und Sehnsüchte, die man hat, erfüllt.

NEWS.AT:Der gemeinsame Tod aus Liebe. Ist das wirklich große Liebe oder nicht viel eher großer Egoismus?
Jessica Hausner: Das ist genau das, was der Film versucht: Die Liebe aus einem Blickwinkel heraus zu beschreiben, der eher ungewöhnlich ist, der bedeutet, dass Liebe sowieso ein Missverständnis oder ein Irrtum oder eben sehr egoistisch ist. Wobei ich immer dazu sage: Ich meine das nicht als Vorwurf, dass da lauter Egoisten herumlaufen, sondern ich glaube, das ist einfach so. Man steckt in seiner eigenen Haut, man schaut aus seinen eigenen Augen und man sieht das, was man sehen kann und das führt dazu, dass man letztendlich immer nur raten kann, was in jemand anders vor sich geht. Dass man glücklich ist oder dass man denkt, man ist einer Meinung oder man versteht einander, das ist eine Illusion.

NEWS.AT:Diese Thematik dargestellt als „Komödie“ war von Anfang an so geplant?
Jessica Hausner: Das Humorvolle ergibt sich daraus, dass der Film von diesem Selbstmord-Plan handelt, wie wenn Heinrich jemanden zum Heiraten suchen würde, aber er sucht halt eine zum Sterben. Und dadurch, dass das komplett untragisch gebracht wird, muss man lachen. Das war mir wichtig, weil ich nicht auf einer Psychose oder Depressionsdarstellung kleben bleiben wollte.

»Alles, was bereits einmal gemacht wurde, haben wir in großem Bogen umgangen.«

NEWS.AT:Der Film spielt im Jahr 1811. Wie groß war der Aufwand eines Kostümfilmes?
Jessica Hausner: Die Kostüme hat die Kostümbildnerin Tanja Hausner in London machen lassen. Wir haben uns dabei aber vor allem bemüht, Klischees aus dem Weg zu gehen. Also alles, was bereits einmal gemacht wurde, haben wir in großem Bogen umgangen. Auch andere Dinge, wie zum Beispiel die Beleuchtung betreffend. Normalerweise gibt es in diesen Filmen Wandkerzen, die bestimmen den Look. Ich habe mit dem Kameramann Martin Gschlacht lange überlegt, wie wir das brechen können. Er hat den Vorschlag des Kerzenlusters gebracht, der von der Decke hängt. Dadurch kommt ein weiches, diffuses Licht von oben und das fand ich super. Auch die Ausstattung betreffend, haben wir es anders gemacht: Normalerweise hat man diese symmetrisch schön aufgehängten Bilder, wir aber haben zum Beispiel das zweite von rechts herausgenommen. Es ist dadurch ein Ungleichgewicht entstanden, aber es wirkt auch natürlicher.
Oder der Hund der Vogels: Die Hunde haben auch den Sinn, das Ganze in eine neu zu entdeckende Wirklichkeit zu bringen. So ein Hund ist ein natürliches Wesen und das führt, glaube ich, eher dazu, dass man das Momentane akzeptiert.

NEWS.AT:Die Hunde sieht man auch in einer Szene in dem Raum mit schwarz-weiß gemustertem Boden und einem dicken, roten Vorhang. Sie erinnert an den „Red Room“ aus David Lynchs „Twin Peaks“. War das beabsichtigt?
Jessica Hausner: Ja, wir haben auf jeden Fall daran gedacht. David Lynch ist überhaupt ein mich inspirierender Regisseur.

NEWS.AT:Der Film ist als „Komödie“ beschrieben. Ist das somit deine erste Komödie?
Jessica Hausner: Ich weiß nicht, ob „Amour Fou“ lustiger ist, als die anderen Filme. „Lourdes“ ist so Komödie wie „Amour Fou“.

Amour Fou
© Stadtkino Filmverleih

NEWS.AT:Willst du noch weiter in die Komödien-Richtung gehen?
Jessica Hausner: Nicht mehr als das. Wir nannten „Amour Fou“ Komödie, aber der herkömmliche Zuschauer würde das wahrscheinlich nicht als Komödie bezeichnen. Ich meine damit das befreiende Lachen, das aus der Reflexion über die eigene Unzulänglichkeit heraus entsteht. Mehr ist es ja nicht. Das ist aber wichtig und so gesehen ist das sicherlich ein Tonfall, der mir liegt. Ich liebe es, Distanz zu meinen Geschichten einzunehmen, um diesen Humor zu ermöglichen.

NEWS.AT:Die Filmdialoge sind sehr komplex. War das deine Absicht bzw. hast du keine Angst davor, damit die Zuseher abzuschrecken?
Jessica Hausner: (Lacht.) Beides. Es ist auch ein Teil des Humors. Es wird so viel und so kompliziert gequatscht, dass man dem gar nicht folgen kann. Und teilweise handelt der Film ja von Missverständnissen. Davon, dass man nicht verstehen kann, was ein anderer zu sagen hat. Komplizierte Worte bilden komplizierte Sätze. Und dann kommt ganz plötzlich wieder ein ganz einfacher Einschub wie „Wollen Sie mit mir sterben?“ Es ist eine Art der Komposition, die ich für den Film gewählt habe. Einige Zuschauer denken zwar vielleicht: „Da versteht man nichts“, aber ich kann nur dazu sagen: Das gehört so.

NEWS.AT:Das Ganze könnte man sich auch gut im Theater vorstellen...
Jessica Hausner: Ja, das habe ich mir auch schon überlegt.

NEWS.AT:Würdest du dann auch gerne Regie führen?
Jessica Hausner: Das würde ich irrsinnig gerne machen, es ist einfach nur eine Frage der Kraft und des Zeitpunktes.

»Diese rätselhafte Erzählung beschäftigt mich immer wieder.«

NEWS.AT:Was sind deine nächsten Projekte?
Jessica Hausner: Ich arbeite an einem neuen Projekt, aber da bin ich erst am recherchieren. Es ist eigentlich eine Mystery-Geschichte. Ein bisschen eine Fortführung von „Hotel“: „Der weiße Hai“ ohne den Hai, also diese Unheimlichkeit, die keine Auflösung hat. Ich merke, diese rätselhafte Erzählung beschäftigt mich immer wieder; ein Labyrinth zu konstruieren, in dem verschiedene Wege möglich sind, aber kein Weg führt zu einer eindeutigen Lösung oder Interpretationen der Ereignisse. Das Bild bleibt ohne Titel, ohne Überschrift.

NEWS.AT:Kehren damit die Charaktere aus „Hotel“ wieder auf die Leinwand zurück?
Jessica Hausner: Nein. Nur der Stil sowie die Idee, dass man von etwas bedroht wird, das man nicht benennen oder erfassen kann.

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