Uraufführung im Akademietheater:
Jelineks buntes "Schwarzwasser"

Was macht ein pinker Gorilla im "Schwarzwasser"? Vor allem eine gute Figur. Nachdem Elfriede Jelinek auch bei ihrem neuesten Stück keine Rollen und keine Handlung, sondern einzig einen langen, monologischen Text geschrieben hat, hatte der deutsche Regisseur Robert Borgmann (39) für die Uraufführung alle Freiheiten. Diese nutzte er für einen prallen Bilderreigen, der nicht immer überzeugte.

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"eintritt macht frei" verkündet - wohl in Abwandlung der zynischen KZ-Toraufschrift "Arbeit macht frei" - ein Schriftzug auf einer hohen Gipskartonwand, die die Besucher auf der Bühne des Akademietheaters ebenso wie einiges an szenischem Treiben im Zuschauerraum empfängt. Ist bei den Bühnenvorgängen freies Assoziieren angesagt, so ist bei den Texten genaues Hinhören notwendig. Jelineks sprachlicher Fleischwolf funktioniert auch diesmal wie geschmiert. In den Trichter kommen Wahrnehmungen aus der zeitgenössischen Politik und der medialen Berichterstattung, Rückgriffe auf die "Bakchen" der Euripides und Verweise auf den französischen Kulturanthropologen und Religionsphilosophen René Girard ("Das Heilige und die Gewalt"). Die nach dem Faschieren entstandene Textwurst ist voller Bissig- und Bösartigkeiten, sprachlicher Finessen und politischer Warnungen. Im Zentrum stehen Brandstifter, die sich ihre Gesetze am liebsten selber machten, und Volksverführer, die sich als neue Götter gerieren.

"Schwarzwasser" ist Jelineks Kommentar zur Ibiza-Affäre. Gleich zu Beginn verkündet Martin Wuttke im Frack in einer Art Ouvertüre, dass das berühmte Video auf Anraten der Burgtheater-Rechtsabteilung nicht gezeigt werde. Schemenhaft ist es als Großprojektion die erste Zeit dennoch präsent, während Wuttke das Märchen von der Blutwurst und der Leberwurst erzählt. Es geht nicht darum, sich noch einmal über sattsam bekannte Vorgänge lustig zu machen, die an Lächerlichkeit ohnedies nicht zu überbieten sind, sondern sie weiterzudenken, einzubetten und die Gefährlichkeit dessen, was sich hier in einem scheinbar unbeobachteten Moment offenbarte, deutlich zu machen. Das gelingt Jelineks Text immer wieder, auch in Borgmanns Inszenierung. Bloß hat der Regisseur für die Jelinek'sche ecriture automatique, in der quasi die Sprache selbst spricht, keine überzeugende Umsetzung gefunden. Und teilt daher den (notwendigerweise stark gekürzten) Text in meist monologische Portionen, in Nummern, deren Zusammenhalt sich kaum erschließt.

Ein Bilderrätsel nach dem anderen

Also bricht Caroline Peters als Gorilla im pinken Fellkostüm durch die Gipskartonwand, schwärmt von der ach so verführerischen Gewalt, ereifert sich über den jungen Agitator, dessen Sanftmut nur gespielt sei, und erzielt mit der mehrmaligen Verwendung des Adjektivs "kurz" die ersten Lacher des Abends. Die heraufbeschworene Gewalt manifestiert sich anschließend in einem Kampf von Sprayern mit Polizisten im Kampfanzug, bei dem die Wand in Stücke gehauen wird und Gewalt schon mal in Zärtlichkeit umschlägt. Das Dionysische lässt grüßen. Die Gewaltorgie wird unterdessen von einem Biedermeier-Paar, das sich für ein Picknick im Grünen bequem gemacht hat, interessiert verfolgt. Ein Bilderrätsel, dem noch viele weitere folgen.

Borgmann, der nicht nur seine Bühnenbilder selbst macht, sondern auch als bildender Künstler arbeitet, lässt ein lebendes Bild mit lauter Infantinnen stellen, während Wuttke, der soeben noch storchenbeinig über die angerichteten Verwüstungen tänzelte und in Slapsticknummern die besten Pantomimen des Ibiza-Videos andeutete, sich als Hofmaler betätigt. Nach der Pause sieht man in Ausstellungsraumambiente ein Gemälde, auf dem Rechtsterroristin Beate Zschäpe im klassischen Kleid mit einer Pistole in der Hand abgebildet ist - dazu gibt es auf die NSU-Morde Bezug nehmende Textpassagen.

"Schwarzwasser" durch die Kläranlage

Doch der über dreistündigen Abend bietet noch viel mehr: viel Kunstschnee; einige Auftritte des mehrköpfigen Chores, die nicht immer zwingend scheinen; zwei Sängerinnen im Duett; Christoph Luser und Felix Kammerer in immer wieder sehr überzeugenden Abbildern von jungen Politikern, die über Leichen gehen würden, wenn man sie nur ließe, und eine großartige Kabarettnummer vor dem Roten Vorhang, in der "Joker" Wuttke weinerlich seine Opferrolle beschwört, während zwei Sessel zwischen ihm und "Präsentatorin" Peters hin- und herwandern.

Letztlich ist auch Borgmann mit seiner Uraufführungs-Inszenierung zwischen allen Stühlen gelandet: Dieses "Schwarzwasser" ist ordentlich durch die Kläranlage gelaufen. Es ist kein strenges Textexerzitium, sondern ein bunter Abend. Es überwältigt nicht, sondern gefällt. Es tut nicht weh, sondern wirkt als schmerzstillendes Mittel. Dem Premierenpublikum - darunter Wiens Bürgermeister und Wiens Kulturstadträtin - gefiel es. Langer Jubel.