"Jedermann" geht also doch

Heinz Sichrovsky über den fabelhaften Philipp Hochmair

Die Räumlichkeiten, die allgemein "Theater" genannt werden, besucht unsereins ja häufig. Dass man deshalb aber auch im Theater gewesen wäre, kommt heute schon seltener vor. Oft nämlich beobachtet man jetzt anstelle von Schauspielern zwangsentspannte Textflächenbehämmerer, denen ihr Tun offenbar peinlich ist, weshalb sie witzelnd Distanz von Stück und Rolle suchen. Rundum toben alle Schrecken der Videoelektronik.

von Heinz Sichrovsky © Bild: News

Vor Kurzem aber durfte ich -in St. Pölten -einem Schauspieler zusehen, der den Beruf pur, mit aller Hingabe und bis zur Erschöpfung ausübte. Das Projekt heißt "Jedermann Reloaded", und auf der Bühne steht neben der Rockband Elektrohand Gottes nur der fabelhafte Philipp Hochmair. Gezeigt wird Hofmannsthals "Jedermann", und Hochmair spielt, singt und tobt alle Rollen. Nun wäre nichts einfacher, als sich mit diesem Verfahren über das alberne Stück und seine Aufführungsgeschichte lustig zu machen. Hochmair aber spielt sich eindreiviertel Stunden lang die Seele aus dem Leib und ist als Buhlschaft so authentisch wie als Titelprasser oder Schuldknecht. Unter diesem Zugriff offenbart Hofmannsthals verlogene Erbauungsdevotionalie ungeahntes Verstörungspotenzial. Hochmair ist mit dem Programm seit 2013 unterwegs. Kommt es Ihnen unter, zögern Sie nicht und gehen Sie wieder einmal ins Theater.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

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