Jan Böhmermann gibt Gernot Blümel "noch Zeit zurückzutreten"

Jan Böhmermann provoziert. Aber erst seitdem er es um jeden Preis macht, wird er auch entsprechend wahrgenommen. Für sein Stinkefinger-Video bekam er den Grimme-Preis, mit der "Schmähkritik" gegen den türkischen Präsidenten Erdogan wirbelte er den meisten Staub auf. Nach scharfen Attacken gegen die österreichische Regierung war es für einige nicht überraschend, dass er mit der Ibiza-Affäre in Verbindung gebracht wurde

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Porträt - Jan Böhmermann gibt Gernot Blümel "noch Zeit zurückzutreten"

Und wieder einmal sorgte der deutsche Satiriker Jan Böhmermann für Aufregung. In seiner ZDF-Sendung "Magazin Royale" am 7. Mai hat er Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine "Spezialausgabe" gewidmet. Vor der Ausstrahlung hatte Böhmermann die Sendung via Twitter mit den Worten "Noch hat Gernot Blümel Zeit zurückzutreten, ohne dass es aussieht, als wäre das @zdfmagazin schuld daran" beworben, was zu Spekulationen in diversen Medien und auf Twitter sorgte.

Schließlich hatte Böhmermann 2019 vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos mit Andeutungen über den Inhalt des auf der Mittelmeerinsel aufgenommen Materials, das die türkis-blaue Regierung zu Fall gebracht hatte, für Aufsehen gesorgt. Seither spielte er immer wieder einmal mit Anspielungen auf die österreichische Politik, angekündigte "Bomben" blieben aber aus. So auch am Freitag. Was der TV-Satiriker dafür lieferte, war ein pointierter Überblick über die Geschehnisse der letzten Jahre.

Wer ist eigentlich Jan Böhmermann?

Für manchen ist Jan Böhmermann ein arrogant-zynischer Yuppie-Journalist oder karrieregeiler Klugscheißer, für andere ein Ironie-Genie.

Seine Fans bewundern ihn für seinen spöttisch-wütenden Humor, der sich schon gegen die "Bild"-Zeitung, Pegida-Anhänger, prominente YouTuber, türkische Präsidenten oder Sänger Campino und dessen Kollegen beim sozialen Projekt "Band Aid 30" als Musiker-Werbung gerichtet hat.

Wenn man Böhmermann fragt, was ihn aufregt, dann sagte er einmal laut "Zeit Magazin": "Ignoranz, Ungerechtigkeit und grundlose Angst." Er spreche von sich als "mehrfacher Vater mit einem unerschütterlichen Wertekompass". Nach der Arbeit wolle er schnell nach Hause, um sich auf dem Sofa an der "eigenen Spießigkeit zu erfreuen". Was Details zu seinem Privatleben angeht, hält sich der Spaßmacher stets bedeckt.

Im Video: Böhmermanns Countdown-Schmäh

© Video: News.at

"Willkommen" Österreich!

Spätestens seit Böhmermanns Auftritt im "Kulturmontag" des ORF ist der Satiriker auch in Österreich ein Begriff. Darin ritt er scharfe Attacken gegen die türkis-blaue Bundesregierung und entwickelte ein Zitat von Thomas Bernhard weiter, wonach Österreich nicht aus "sechseinhalb Millionen Debilen und Tobsüchtigen" sondern aus jetzt "acht Millionen Debilen" bestehen würde, der Ruf nach autoritärer Führung sei immer noch sehr laut.

Die Ibiza-Affäre deutete Böhmermann bereits im April an. Demnach sagte er in einer Videobotschaft zur Romy-Gala: "Während Sie jetzt gerade die Gala genießen, Sekt trinken, feine Schnittchen essen, und charmant versuchen, Gernot Blümel nicht spüren zu lassen, wie sehr Sie ihn verachten (...) hänge ich gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-bezahlt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza herum - und verhandle darüber, ob und wie ich die Kronen Zeitung übernehmen kann und die Meinungsmache in Österreich an mich reißen kann."

Nicht zuletzt deshalb gab es Theorien, dass er bei der Lockfalle gegen Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus seine finge im Spiel gehabt haben könne. Sein Manager dementiert dies nicht einmal: Da sie ihm nicht angeboten worden seien, habe er sie auch nicht abgelehnt. Woher Böhmermann die Aufnahmen kannte, wisse er nicht, sagte Peter Burtz.

Wenig später darauf der nächste vermeintliche "Coup": Der Hinweis eines Countdown auf Twitter, der weitere brisante Informationen zur Ibiza-Affäre ankündigte. Einen Hinweis gab es - typisch für Böhmermann - eine kryptisch verstecktes "Ibiza" im CSS-Quellcode der Webseite.

Das Ergebnis? Ein Song über Europa, den Böhmermann und weitere europäische Satiriker gemeinsam aufnahmen.

Eigene Ausstellung in Graz

Ob zur Provokation konstruiert oder ehrlich gemeint: Aus seiner Abneigung zu Österreich scheint Böhmermann keinen Hehl zu machen. In Graz lief seine Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich", wo er an ""östereich - nie vom faschismus geheilter blinddarm großdeutschlands" kein gutes Haar lässt.

Passkontrolle am Eingang, Mobiltelefon- und Pressefotografen-Verbot: Böhmermann ist nicht auf der Suche nach Freunden und wohlgesonnenen Ausstellungskritiken. Doch wer hatte sich das auch schon erwartet? Während seine Fans ihn für seine schonungslose Offenheit selbst bei Tabu-Themen lieben, gilt er bei anderen als anstandslos.

Österreich ist für den Satiriker deshalb so spannend, weil hier seiner Meinung nach jene, die nicht akzeptieren würden, dass die Rechten salonfähig geworden seien, nicht salonfähig sind. Das sei der Unterschied zu Deutschland. In seinem Heimatland würden sich die Menschen dagegen wehren, dass die Rechten salonfähig werden: "Die Erosion in Österreich ist dagegen weit fortgeschritten", konstatierte er. "Bei der ersten schwarz-blauen Koalition standen alle auf den Hinterbeinen. Nun habe ich den Eindruck von acht Millionen Achselzucken", so Böhmermann, ohne dabei auf Ausnahmen wir ORF-Anchor Armin Wolf zu vergessen. "Der breite Widerstand ist Gemütlichkeit gewichen."

Omnipräsente Satire

"Er verfolgt eine gezielte Provokationsstrategie, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Diese Themen werden bewusst gesetzt", sagt die Medienwissenschafterin Joan Kristin Bleicher von der Uni Hamburg. Sie glaubt, dass es Böhmermann daher geradezu entzückt haben dürfte zu hören, dass er sogar im Bundeskanzleramt Thema war. Man könne ihn auch nicht als klassischen Fernsehmoderator begreifen. "Böhmermann kann man nicht ohne enge Wechselwirkungen mit dem Social Web betrachten", sagt Bleicher.

Böhmermann ist auf allen Kanälen präsent: TV, Twitter, Facebook, überall. Mehrere Beiträge aus dem "Neo Magazin Royale" sind zu viralen Hits geworden, wie man neudeutsch sagt und was im Prinzip die Währung der neuen Medienwelt ist. Sei es der Varoufakis-Bluff, sein Video "Polizistensohn" oder der Clip "Be Deutsch!", mit dem er sich in die Debatte um Rechtspopulismus einmischte.

Ein Böhmermann-Kosmos für Fans

All das ist immer sehr stylish produziert und mit vielen Querverweisen für ein Publikum gespickt, das Nachrichten, Serien und Filme ähnlich konsumiert wie Böhmermann selbst. Er vermeidet es dabei, seine Aktionen bis ins Letzte zu erklären, zum Beispiel in Interviews. So ist es auch aktuell. Was er zu sagen hat, sagt er im Böhmermann-Kosmos. Verwirrung inklusive.

Dass Böhmermann dabei einen guten Teil des Publikums auch verschreckt, nimmt er wohl bewusst in Kauf. "Böhmermann will wahrscheinlich gar nicht wesentlich über die Zielgruppe hinaus, die er mit seinem Format adressiert. Das ist eine klare Ausdifferenzierungsstrategie", sagt Wissenschafterin Bleicher.