Jamie Oliver,
der Lockdownkoch

Corona hat auch das Leben von Jamie Oliver nachhaltig verändert. Mit News sprach er über seine improvisierte Kochshow mit Ehefrau Jools, darüber, was er aus den vergangenen Monaten mitnimmt und wie er sich die Welt nach Ende der Pandemie vorstellt.

von Jamie Oliver © Bild: Tim P. Whitby/Getty Images
Jamie Oliver wurde am 27. Mai 1975 in Essex geboren und bei einer Dokumentation über das River Café, in dem er als Souschef arbeitete, entdeckt. Seit 1999 hat er 24 Kochbücher veröffentlicht, darunter "Veggies", eines der erfolgreichsten vegetarischen Bücher der letzten Jahre. Seit 2018 macht er immer wieder Schlagzeilen mit der Schließung seiner Lokale, 2020 waren davon seine österreichischen Restaurants betroffen. Er lebt mit seiner Familie in London.

Corona hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt -auch jenes von Jamie Oliver. Statt auf Reisen und im Fernsehstudio fand sich der bekannteste Koch der Welt mit Ehefrau Jools und den fünf Kindern in seinem Londoner Zuhause im Lockdown wieder. Und brach dort recht schnell eines seiner größten Prinzipien: die strikte Trennung von Arbeits-und Privatzeit. Eigentlich managt Jools die Familie und Jamie kümmert sich ums Geschäft - so halten sie es bereits seit Anfang ihrer Ehe. Doch durch Corona wurde aus den beiden ein Produktionsteam. Jamies TV-Show "Keep Cooking and Carry On", in der er auf die Ausgangsbeschränkungen abgestimmte Gerichte kochte, konnte durch den Lockdown nicht weitergedreht werden. Kurzerhand wurde Jools zur Kamerafrau, die Kinder halfen mit, wo es ging, und gedreht wurde in der heimischen Küche. Teamwork, das sich auszahlte. Die Sendung lief überaus erfolgreich auf Channel 4 (in Österreich kann man sie auf Tvnow streamen). News erzählte Oliver, was sich seit Beginn der Corona-Zeit noch bei ihm getan hat.

Eine TV-Show in den eigenen vier Wänden auf die Beine zu stellen, ist eine ganz schöne Herausforderung ...
Es war hart, vor allem anfangs. Wir mussten uns ja trotzdem noch um normale Familienangelegenheiten kümmern. Und plötzlich machst du in deiner eigenen Küche eine Fernsehshow! An so einem Programm arbeiten sonst 25 bis 30 Leute. In unserem Fall waren es nur Jools und ich. Und ihr Handy! Wir haben das spontan entschieden und durchgezogen, weil wir sicher waren, dass die Menschen Unterstützung brauchen, wie sie mit ihren Vorräten und Tiefkühlware gut kochen können. An Tag eins des Lockdowns wurde schon unsere erste Folge ausgestrahlt. Wir haben es als Service für die Öffentlichkeit gesehen und ich bin sehr stolz darauf.

Jamie Oliver
© Theo Wargo/Getty Images Jamie Oliver

Wie war es, so eng mit Ihrer Frau zusammenzuarbeiten?
Es war etwas völlig Neues für uns, aber wir haben uns extrem gut eingespielt. Jools ist ja kein Profi hinter der Kamera, aber nach zwei Wochen war sie so drinnen, dass sie anfing, absolut sensationelle Aufnahmen zu machen. Das bekommen jetzt übrigens die professionellen Kameraleute zu spüren. Wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich gerne: "Also meine Frau kriegt das besser hin, und zwar mit ihrem Handy!"

Was waren bei Ihrer Art des "Homeoffice" die größten Schwierigkeiten?
Der Zeitdruck! Wir hatten ja keinen Puffer. Kochen, filmen, das Material verschicken, und am nächsten Tag war es schon im Fernsehen! Einmal hätte ich beinahe das Handtuch geworfen, als mein Sohn River nicht aufhörte zu weinen. Wir konnten zudem nur mit dem kochen, was wir da hatten. Normalerweise gibt es Ersatzlebensmittel, falls etwas schiefgeht. Aber das geht bei so einem Konzept nicht. Dann kommt halt die angeschrumpelte Zucchini zum Einsatz. Aber so ist es auch im echten Leben! Und darum ging es. Den Zusehern nicht nur Tipps und Ideen zu geben, sondern auch zu zeigen: "Schaut her, ihr seid nicht allein, wir sitzen alle im gleichen Boot!"

Für sein Buch "7 Mal anders“*analysierte Jamie Oliver, welche Lebensmittel regelmäßig in unseren Einkaufswägen landen, und kreierte jeweils sieben frische Rezepte dazu. Erschienen im DK Verlag, € 27, 80

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»Wirklich jeder findet Homeschooling schrecklich «

Gibt es im Hause Oliver eigentlich Homeschooling?
Oh ja! Manchmal läuft das besser, manchmal schlechter. Wir haben unser Esszimmer zum Klassenraum erklärt, und ich habe extra ein Türschild dafür gebastelt. Es ist spannend, wie unterschiedlich die Schulen und Lehrer damit umgehen. Manche haben sich voller Enthusiasmus hineingeworfen, andere waren eher so: "Hallo, Kinder, hier ist eure Hausaufgabe. Wir sehen uns morgen!" Aber eines kann ich seither mit Sicherheit sagen: Niemand steht auf Homeschooling. Das eint uns. Wirklich jeder findet es schrecklich.

Nehmen Sie aus dem Ganzen auch Positives mit?
Man weiß wieder Kleinigkeiten zu schätzen, wie einen Besuch im Pub oder auf dem Markt. Ich hatte die letzten Jahre auch laufend Probleme mit dem Rücken. Das hat sich massiv gebessert, weil ich mir jetzt Zeit nehme, etwas dagegen zu tun. Ich schlafe mehr und ich esse alles, worauf ich Lust habe. Herrlich! Vor allem verbringe ich mehr Zeit mit meiner Familie und habe bemerkt, was mich richtig dankbar macht. Davon möchte ich einiges in mein Post-Corona-Leben hinüberretten.

Lesen Sie hier: Jamie Oliver: "Haben Fehler gemacht"

Wie stellen Sie sich die Zeit nach Covid-19 vor?
Es wird ein Hybrid aus Altbekanntem und Neuem sein. Ich sehe Wochenenden jetzt zum Beispiel anders. Ich möchte sagen: "Lasst uns doch von Montag bis Mittwoch Gas geben, am Donnerstag im Homeoffice werken und von Freitag bis Sonntag nicht arbeiten, sondern nur mit unserer Familie zusammen sein." Ich will, dass meine Mitarbeiter an erster Stelle gute Eltern sind und die Arbeit erst danach kommt. Ich bin mir sicher, wenn sie zu Hause glücklich und zufrieden sind, dann wirkt sich das auch auf ihren Job positiv aus. Negativ betrachtet frage ich mich, wie viele Restaurants die Krise überleben. Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie hart die Gastronomie ist, und ohne öffentliche Hilfen hat man gerade keine Chance. Ich stelle mir Orte, in denen die Hälfte der Lokale und Shops zusperren muss, sehr traurig vor.

Viele haben 2020 ihre Leidenschaft fürs tägliche Kochen entdeckt. Denken Sie, dass das so bleiben wird?
Da bin ich mir sicher, deshalb versuche ich auch, mit meinem aktuellen Buch Inspiration für spannende Alltagsküche zu liefern. Ich habe analysiert, welche Zutaten regelmäßig gekauft werden - was übrigens von Land zu Land und über die Jahre kaum variiert, etwa Faschiertes, Lachs, Huhn, Eier oder Erdäpfel. Nur Avocados sind recht neu in der Liste. Rund um diese Favoriten habe ich alltagstaugliche und abwechslungsreiche Rezepte kreiert. Es ist also ein Handbuch für das tägliche Kochen!

Stichwort Rezepte: Die gibt es auch massenhaft kostenlos im Internet ...
Ein echtes Problem! Manches ist okay, aber wenn ich ohne Gelinggarantie und Fokus auf die Qualität der Lebensmittel koche, kann das Ergebnis sehr demotivierend sein. Da mir viele Menschen vertrauen, wird zumindest auch meine Onlineseite gestürmt. Das freut mich, aber ich habe noch keine Lösung dafür gefunden, wie ich mit Gratisrezepten Rechnungen und Löhne bezahlen kann.

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe von News (04/2021) erschienen.