Kindergarten-Studie von
Außenministerium bearbeitet

Inhaltliche Korrekturen, um möglichst ungünstiges Bild in Islam-Kindergärten darstellen

Die ohnehin nicht unumstrittene Kindergarten-Studie des Islamwissenschafters Ednan Aslan steht nun auch unter Korrektur-Verdacht. Der "Falter" veröffentlichte am Dienstag ein Dokument, das nahelegt, dass die Studie von Beamten des Außen- und Integrationsministeriums nachgeschärft wurde. Die inhaltlichen Korrekturen sollten ein möglichst ungünstiges Bild in den Islam-Kindergärten darstellen. Aslan selbst bestreitet das, das Ministerium ebenso.

von Kindergarten © Bild: iStockphoto.com/ChiccoDodiFC

Die vom Integrationsministerium in Auftrag gegebene Aslan-Studie hatte schon seit ihrem Erscheinen im Dezember 2015 immer wieder für Aufregung gesorgt. Einerseits setzte eine Debatte über integrationsfeindlich geprägte Islam-Kindergärten ein, andererseits wurde dem Wissenschafter vorgehalten, nicht gerade umfassende Informationen über die entsprechenden Einrichtungen eingeholt zu haben. Letztlich einigte man sich, dass Stadt Wien und Integrationsministerium eine gemeinsame Studie unter Mitwirkung Aslans erstellen lassen. Sie soll bis Herbst vorliegen.

Änderungen dank Korrektur-Modus nachvollziehbar

Neu ist nun der Vorwurf, dass Beamte des von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz geleiteten Integrationsministeriums die ursprüngliche Aslan-Studie an etlichen Stellen beeinflusst haben. Dank Korrektur-Modus ist nachzuvollziehen, wo Änderungen von den Beamten vorgenommen wurden. Dies betrifft zwar viele Passagen, wo es nur um Formalia geht, aber auch etliche, wo Aussagen in eine andere Richtung umgedeutet wurden.

Ein Beispiel: Aslan formulierte ursprünglich, dass auch muslimische Eltern in den Kindergärten für ihre Kinder "Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln" suchten. In der Neuformulierung der Beamten heißt es dagegen: "Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden".

Wie das Word-File laut "Falter" verrät, setzten sich Beamte an insgesamt sechs Tagen im Jänner und Februar 2016 an das Dokument und bearbeiteten es jeweils mehrere Stunden lang. "Insgesamt 903 Änderungen nahmen ein leitender Beamter und sein Kollege vor; darunter 429 Einfügungen, 402 Löschvorgänge und acht Verschiebungen. 59 Mal wurde Aslans 161 Seiten starke Arbeit von den Beamten in einer Randspalte 'kommentiert'", heißt es im "Falter".

Laut Integrationsministerium gab es insgesamt 890 Anmerkungen zum Studientext: 256 davon betrafen Satzzeichen, Format und Gendern, 170 Grammatik- und Zeitfehler, 148 Lektorat, insbesondere Satzstellung, 116 Rechtschreibung bzw. Groß- und Kleinschreibung, 87 Quellen und Fußnotenanmerkungen, 59 Kommentare an der Seite, 19 die Verschiebung von Satzteilen und Passagen und 35 inhaltliche Anmerkungen, die von Aslan in Auftrag gegeben wurden.

Aslan weist Vorwürfe zurück

Aslan selbst hatte die Vorwürfe zuvor zurückgewiesen. Er stehe zu allen Inhalten und Formulierungen der Studie. Vom Ministerium seien Anmerkungen formaler oder redaktioneller Natur gekommen, inhaltliche Änderungen habe nur er selbst vorgenommen. Via Twitter wies der Islamwissenschafter auch zurück, dass Textpassagen gestrichen worden seien. "All jene Texte, die ich an den betreffenden Stellen herausgenommen habe, können Sie in verschiedenen anderen Stellen finden", erklärte Aslan.

Integrationsminister Kurz pochte ebenfalls darauf, dass alles in der Studie "die Handschrift Aslans" trage. Wenn jemand glaube, nun die Problematik schön färben zu können, halte er das für falsch, so der ÖVP-Obmann. Indes wirft ihm der "Falter" vor, nicht nur die Balkanroute schließen zu wollen, sondern auch die Islamkindergärten. "Weil Kurz sein Anliegen wissenschaftlich untermauern möchte, hat er Ednan Aslan engagiert, der auch als profunder Kenner der muslimischen Szene gilt", heißt es im "Falter".

Politische Konkurrenz reagiert verhalten

Die politische Konkurrenz reagierte wohl auch angesichts des Reizthemas Islam-Kindergärten eher verhalten, ließ aber bereits Kritik durchschimmern: "Wenn das auch nur im Ansatz stimmt, bin ich ehrlich bestürzt", meinte der für Kindergärten zuständige Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Grünen-Klubchef Albert Steinhauser meinte, es wäre absolut inakzeptabel, bei einem sensiblen Thema innenpolitisch motiviert Studien zu manipulieren und tendenziös zu ändern. Volle Aufklärung verlangte die Wiener NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger. Es wäre aus ihrer Sicht jedenfalls in höchstem Maße verantwortungslose Politik, mit womöglich manipulierten Aussagen politisches Kleingeld zu schlagen.

Uni Wien will Kindergartenstudie prüfen

Die Universität Wien will die Kindergartenstudie einer wissenschaftlichen Prüfung unterziehen. Sie sammelt nun alle Fakten zu den medial erhobenen Vorwürfen zur sogenannten Kindergartenstudie. "Auf dieser Grundlage wird eine Prüfung des Sachverhalts erfolgen, um festzustellen, inwieweit die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten wurden", teilte die Universität mit.

Zur Untersuchung von Hinweisen und Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens habe die Uni Wien eine Kommission eingerichtet. Diese Ombudsstelle zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis sei beauftragt, die Berechtigung der im Zusammenhang mit der Studie erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Die Kommission berichtet an den Rektor der Universität Wien. Die Ergebnisse der Prüfung werden zeitnah erwartet. Wann dies genau sein wird, gibt die Universität nach der ersten Sitzung der Kommission bekannt, hieß es weiter.

NEOS planen parlamentarische Anfrage

Die NEOS bringen in der Angelegenheit am Mittwoch eine parlamentarische Anfrage ein. Man fordert unter anderem Aufklärung darüber, auf wessen Anordnung die kolportierten Änderungen erfolgten, ob Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) darüber informiert war, ob personelle Konsequenzen geplant sind und ob vorgesehen ist, die Studie, deren wissenschaftliche Integrität nun nicht mehr gegeben sei, neu auszuschreiben. "Wenn tatsächlich eine Studie von Mitarbeiten des Ministeriums so verändert wird, dass mit den Ergebnissen politisches Kleingeld geschlagen werden kann, dann ist das ein Skandal. Das Außenministerium muss hier für Klarheit sorgen", erklärte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak.

Neue Studie kommt im Herbst

Die Erhebung des Islamforschers Ednan Aslan über die Islamkindergärten sorgte 2015 für Debatten - und eine Verstimmung zwischen Integrationsministerium und Rathaus. Nachdem ein - später als Vorstudie titulierter - Text öffentlich bekannt geworden war, zitierte Minister Sebastian Kurz die beiden zuständigen Wiener SPÖ-Stadträtinnen zu sich. Der damalige Medientermin verlief wenig harmonisch.

Die damals für Jugend bzw. Bildung zuständigen Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger urgierten Fakten und übten Kritik an pauschalen Urteilen. Kurz versicherte jedenfalls: "Es hat sich aus meiner Sicht dargestellt, dass es Probleme gibt." Die Gefahr, dass Parallelgesellschaften "herangezüchtet" würden, bestehe - da Kinder religiös und ethnisch getrennt in Kindergruppen betreut würden.

Die Rathaus-Politikerinnen versicherten, dass man gemeinsam gegen Radikalismus und Extremismus kämpfen wolle. Leider seien Kurz und Aslan die Namen von konkreten Kindergärten, die angeblich sofort geschlossen hätten werden sollen, schuldig geblieben, wurde beklagt. Trotz aller Dissonanzen einigte man sich auf ein gemeinsames Vorgehen: Eine Studie soll das Thema umfassend erörtern. Sie soll bis Herbst 2017 vorliegen und von insgesamt sechs Autoren - darunter auch Aslan - erarbeitet werden.

Religionsleitfaden für private Träger

Außerdem erstellt die Stadt derzeit einen Religionsleitfaden für private Träger. Dieser soll - ergänzend zum Bildungsplan - konkrete Vorgaben machen, wie religiöse Inhalte adäquat zu vermitteln sind. Das Handbuch wird im Herbst präsentiert, kündigte Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorzsky (SPÖ) zuletzt an.

Dabei soll es sich um eine "Konkretisierung" des Bildungsplans handeln. Die Erarbeitung erfolgt unter Einbeziehung aller Religionsgemeinschaften. Der Leitfaden wird an alle privaten Kindergärten ergehen. Da er eine Ergänzung zum Bildungsplan darstellt, können Einrichtungen, die sich nicht daran halten, auch sanktioniert werden - bis zum Entzug der Bewilligung bzw. der Förderungen.

Kommentare

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Parallelgesellschaften zu unterbinden, da hat wohl auch noch niemand mal genauer nachgedacht. Wollen wir also eine monolithische Gesellschaft ohne Diversität? Da es beim Menschen gelegentlich zu Mutationen und evolutionären Situationen kommt, auch innerhalb einer bestehenden Gesellschaftsstruktur, wird man wohl in zukunft alles was Anders ist unterbinden und ausweisen müssen.

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Wenn ich heute zum Buddismus, Hinduismus oder Islam konvertiere, werde ich dann ausgewiesen? und wohin? oder wird es irgendwann in Österreich verboten sein zu konvertieren?

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Das mit den Parallelgesellschaften meine ich auch in Hinblick auf Länder wie Südtirol, die Zeit des Faschismus, der "Option", der Italianisierung Südtirols und der Entwicklung des Autonomiestatuts. In Südtirol gibt es 3 Sprachgruppen, die alle zu prozentuell gleichem Masse gleichberechtigt sind, und Schulen, die je nach Sprachgruppe gestaltet sind.

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