"Nicht zu springen, wäre blöd"

Daniela Iraschko-Stolz ist ÖSV-Medaillenhoffnung. Und als einzige Athletin geoutet.

von Daniela Iraschko-Stolz beim Weltcup-Springen in Planica © Bild: GEPA pictures/ Michael Riedler

Frage: Die ersten Olympischen Spiele für die Skispringerinnen stehen vor der Tür: Wie groß ist die Vorfreude und das Kribbeln?

Iraschko: "Sehr groß. Es ist ein gewaltiges Gefühl. Man merkt schon, dass eine gewisse Nervosität in der Luft liegt. Ich wollte das immer schon, es war als Kind schon mein Traum, jetzt bin ich 30. Ich habe es bis zum Schluss nicht glauben wollen, dass ich das als aktiver Athlet noch erleben darf."

Frage: Wie hat sich der Sport seit Ihren Anfängen entwickelt?

Iraschko: "Extrem. Es hat schon Jahre gegeben, wo es ein bisserl gestanden ist, gerade am Anfang war es sehr schleppend. Aber in letzter Zeit geht es rapide bergauf. Es hat noch nicht ganz so einen Stellenwert wie bei den Herren, das dauert halt seine Zeit, aber wir sind am besten Weg dorthin."

Frage: Der Olympia-Status hat wohl sehr mitgeholfen, auch weil die Verbände mehr dahinterstehen.

Iraschko: "Auf alle Fälle, aber nicht unbedingt nur der nationale Verband. Das ganze Sportförderungssystem in Österreich ist auf olympische Disziplinen aufgebaut. Ich habe die Möglichkeit, die Ausbildung bei der Polizei zu machen. Das würde es nicht geben, wenn
es nicht eine olympische Sportart wäre. Sonst bist du nach der Schule auf dich allein gestellt und verdienst nichts, dann muss jeder aufhören. Natürlich kann der ÖSV auch für uns sicher mehr Geld lukrieren, weil es eben olympisch ist."

Frage: Die Formkurve ist zuletzt nach einer Auszeit mit zwei Siegen in Planica gerade rechtzeitig nach oben gegangen. Zählen Sie sich nun wieder zu den Medaillenkandidaten?

Iraschko: "Auf jeden Fall. Im Skispringen ist es oft eine Kleinigkeit. Natürlich fahre ich mit viel mehr Selbstvertrauen nach Sotschi. In Japan habe ich noch mit der Anfahrtsgeschwindigkeit und der Technik zu kämpfen gehabt. Jetzt weiß ich wieder, woran es liegt und spüre mich selbst recht gut. Es taugt mir, dass ich in Form gekommen bin."

Frage: Was wissen Sie über die Olympia-Schanze?

Iraschko: "Mir taugt sie. Wir waren schon einmal dort. Es ist sehr 'smooth' zum Reinfahren, du hast kaum einen Radius und kaum eine Vorspannung. Das habe ich nicht so ungern. Es ist eine lässige Schanze und ich freue mich schon."

Frage: Was denken Sie, wenn Sie über die Anschläge oder von Terrordrohungen hören?

Iraschko: "Viel nachdenken tut man nicht oder will es nicht. Angst, dass was passiert, habe ich gar nicht, im Gegenteil. Umso mehr man der Gefahr ausgesetzt ist, umso weniger passiert es, weil jeder aufpasst. Es tut mir leid für das Land, das nicht alles so läuft, wie es laufen könnte, überall auf der Welt. Bei uns würde viel leichter was passieren, weil keiner damit rechnet."

Frage: Sie haben sich mutig und ehrlich als einzige aktive Sportlerin in Österreich geoutet. Hat es Momente gegeben, in denen Sie das bereut haben?

Iraschko: "Nein, bereut habe ich es nie. Aber wenn ich gewusst hätte, dass ich so 'important' bin (lacht), dann hätte ich vielleicht erst nach Russland geheiratet. Dann hätte ich mir den ganzen Medienrummel erspart, ich muss ja die Isi (Isabel, ihre Frau, Anm.) auch ein bisserl in Schutz nehmen. Ich habe das von Russland schon gewusst, bevor es in der Zeitung gestanden ist, und hab mir gedacht, es war so schwammig. Da hat noch kein Mensch drüber geredet und jetzt wird es so groß geschaukelt."

Frage: Dennoch ist Ihre Offenheit wohl auch als Botschaft zu verstehen.

Iraschko: "Du musst jeder Gesellschaft die Zeit geben. Es gibt mehrere Sachen, die man in Russland nicht tun darf. Mit denen sollte man anfangen. Ich glaube, dass es noch Schlimmeres gibt, was mehr bringen würde, als so ein schwammiges Gesetz."

Frage: ÖOC-Präsident Stoss hat gesagt, dass sich jedes ÖOC-Mitglied in Russland frei äußern darf. Planen Sie, eventuell nach Ihrem sportlichen Einsatz, sich in Sotschi zu dieser Thematik zu äußern bzw. etwa einen stillen Protest?

Iraschko: "Ich bin nicht der Mensch, der einfach protestiert, des Protests wegen. Ich habe nie ein Problem gehabt in meinem Leben, weil ich immer damit ehrlich umgegangen bin. Ich habe auch ein Super-Umfeld gehabt, meine Eltern haben das von Anfang an verstanden, die Chance haben viele nicht. Ich kann vielleicht trotzdem ein Vorbild sein für Menschen, die gleich denken und es vielleicht nicht so leicht haben. Wenn du eine gute Leistung bringst und du auch anderen Menschen gegenüber tolerant bist, dann akzeptieren sie dich auch und dann kannst du selbst erst was verändern. Protest sollen Leute machen, die in der Politik arbeiten, aber als Sportler ist das nicht das Richtige. Da strafst du dich ja nur selbst. Wenn ich protestiere, müsste ich sagen, ich springe nicht, aber da wäre ich schön blöd."

Frage: Nach allen den Jahren im Sport: Ist es für Sie vorstellbar, Ihre Karriere nach diesem Höhepunkt zu beenden?

Iraschko: "Ich habe sicher nicht vor, meine Karriere zu beenden, egal, wie das ausgeht. Ich bin motiviert genug und die Knieverletzung wird von Tag zu Tag besser und Spaß macht es auch. Es ist doch noch einiges zu tun in den nächsten Jahren."

Kommentare

Hochachtung vor ihrem Comeback und ihrem Outing. Alles Gute für die Olympiade !

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