Die mysteriösen Mensdorff-Millionen

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen in der Causa Eurofighter ausgeweitet. Es gibt zwei neue Beschuldigte: einen Unternehmer aus Wien und dessen Sohn. Letzterer fiel der Justiz bereits vor einigen Jahren in einem anderen Fall auf. Er soll nämlich rund 6,5 Millionen Euro in bar vom Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly übernommen haben. Nun gibt es Berührungspunkte zum Kampfjet-Deal

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Investigativ - Die mysteriösen Mensdorff-Millionen

Eigentlich hätte man annehmen können, dass sich die Ermittlungen zu den sogenannten Eurofighter-Gegengeschäften nach mehr als sieben Jahren schön langsam dem Ende zuneigen. Das Gegenteil ist der Fall.

Laut Recherchen der Investigativplattform „Addendum“ kamen im ­Februar 2018 zwei neue Beschuldigte dazu: der Unternehmer Georg S. und dessen Sohn Andreas. Und zwar wegen des Verdachts auf Geldwäsche und falsche Beweis­aussage. Beide bestreiten jegliches Fehlverhalten und erklären, über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht informiert worden zu sein. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien bestätigt auf Anfrage: „Es gibt eine Erweiterung des Beschuldigtenkreises.“ Fragen zu Namen und den konkreten Vorwürfen blieben unbeantwortet.

Spurensuche

Einige Anhaltspunkte zur möglichen Verdachtslage ergeben sich jedoch aus einem Eintrag im Eurofighter-Akt. Aus diesem geht hervor, welche bisherigen Aktenteile in Bezug auf Georg und Andreas S. eine Rolle spielen (siehe Faksimile). Tatsächlich tauchten Georg und Andreas S. schon länger in Zusammenhang mit der Causa Eurofighter auf. Dabei spielt auch der Name eines Mannes eine Rolle, der mit fragwürdigen Geschäften in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich für Aufsehen sorgte: Alfons Mensdorff-Pouilly.

Was hat der Lobbyist mit Vater und Sohn S. zu tun? Und welche möglichen Berührungspunkte gibt es zum Eurofighter-Deal? Eine Spurensuche.

Erste Spur: Das Geheimpapier

Der erste Hinweis auf Georg S., einen ehemaligen IT-Unternehmer aus Wien, findet sich ausgerechnet in einem internen Papier der Kampfjet-Firma EADS (heute: Airbus Group) aus dem Jahr 2002. Wie geheim dieses Dokument war, erschließt sich aus dem E-Mail, in dessen Anhang es damals verschickt wurde. Ein EADS-Manager schrieb: „Dieses Mail ist über eine sichere Leitung versandt. Nach versenden dieser Mail ist der File aus dem Computer hier in Wien gelöscht.“

Obwohl die Datei gelöscht werden sollte, liegt sie den Eurofighter-Ermittlern längst vor. Damit kennen sie auch den Hinweis zu Herrn S., über den in dem detaillierten Maßnahmenplan stand: „Hr. S. hat direkte Kontakte und Einfluss auf ÖVP“.

Georg S. hat immer bestritten, bei der Eurofighter-Beschaffung Einfluss auf Politiker oder Beamte ausgeübt zu haben oder Mittelsmann zur ÖVP gewesen zu sein. Kein Hehl macht er jedoch aus seiner Beratungstätigkeit für die EADS. Ihm zufolge gab es wöchentliche Treffen in seinem Büro: mit einzelnen Managern, gelegentlich auch mit einem führenden Lobby­isten. Georg S. – ein ehemaliger Bundesheerpilot – hat seinen Einsatz für den ­Eurofighter damit begründet, dass er einerseits von dem Flugzeug überzeugt ­gewesen sei, andererseits mit seinem IT-Unternehmen von den Gegengeschäften profitieren wollte.

© privat Eintrag aus dem Eurofighter-Akt, mit dem der Staatsanwalt die Ermittlungen gegen Andreas S. und seinen Vater formell startete

Zweite Spur: Der Hausgast

Von Vater Georg S. zu Sohn Andreas: Letzterer ist Chef einer anderen IT-Firma, der früher ein Haus mit Mietwohnungen in einer kleinen Gemeinde im Niederösterreich gehörte. Damals – im Jahr 2006 – war dort mehrere Monate lang ein rumänischer Staatsbürger namens Constantin D. gemeldet. Andreas S. hat den Rumänen eigenen Angaben zufolge in Dubai kennengelernt. Wie es der Zufall will, soll Con­stantin D. laut Unterlagen im Jahr 2005 einer Briefkastenfirma namens Columbus rund fünf Millionen Euro für die angebliche Vermittlung von Eurofighter-Gegengeschäften in Rechnung gestellt haben.

Das Geld wurde tatsächlich bezahlt. Laut Ermittlungsergebnissen dürfte es allerdings gar keine Vermittlungsleistung in Bezug auf die Gegengeschäfte gegeben haben. Für welche Leistung flossen dann in diesem Fall Millionen nach Dubai? Sollte das viele liebe Geld in der Wüste versanden?

Constantin D. erklärte in einer Zeugeneinvernahme, von nichts zu wissen. Und das, obwohl Schriftstücke mit seinem Namen und einer Unterschrift, die wie seine aussieht, aufgetaucht sind – sowie eine Reisepasskopie. Andreas S. wiederum sagte als Zeuge im Jahr 2016, er habe mit D. in Dubai nicht wirtschaftlich zusammengearbeitet.

© News Reich Sebastian Auftrag Alfons Mensdorff-Pouilly. Mensdorff wurde 1953 geboren und taucht seit mehr als 20 Jahren in diversen Skandalen auf. 2012 stand der Lobbyist wegen angeblicher Zahlungen des Rüstungskonzerns British Aerospace vor Gericht, wurde in Bezug auf den Hauptvorwurf aber freigesprochen. Der Richter sagte: „Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug.“ In der Causa Telekom fasste er 2017 zwei Jahre Haft aus – acht Monate davon unbedingt. Diese verbüßt der Graf mit Fußfessel in seinem Schloss. In der Causa Eurofighter ist Mensdorff kein Beschuldigter, sondern Zeuge. Er hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten. Der Lobbyist war seit 1994 mit ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat liiert, die er auch heiratete. 2015 wurde die Trennung verkündet

Dritte Spur: Das Bankkonto

Jahrelang sind die Eurofighter-Ermittler der Spur des Geldes gefolgt – und dabei unter anderem bei einem Konto mit der Nummer 85389 bei einer noblen Privatbank in der Wiener Innenstadt gelandet. Es handelt sich um das Konto einer Off­shore-Firma namens Brodmann Business SA mit Anschrift auf den British Virgin Islands.

Am 31. März 2006 überwies die Briefkastenfirma Columbus, die zuvor die fünf Millionen Euro für den Rumänen Constantin D. locker gemacht haben soll, zwei Millionen Euro auf dieses Brodmann-Konto in Wien. Laut den Kriminalisten floss auch diese Summe für die angebliche Vermittlung eines Eurofighter-Gegengeschäfts, das aber nie stattgefunden haben soll. Doch diesmal führt der Geldfluss nicht zu einem kleinen rumänischen Geschäftsmann bzw. dessen Firma in Dubai, sondern – so die Ermittlungsergebnisse – zu einer bestens bekannten Persönlichkeit. Das Geld landete nämlich im Umfeld von Alfons Mensdorff-Pouilly: 300.000 Euro wurden an eine ungarische Mensdorff-Firma überwiesen. 1.715.000 Euro wurden in Tranchen bar behoben und an den Lobby­isten bzw. an seine Mitarbeiter übergeben (siehe Faksimile).

© privat
© privat Protokoll einer Zeugenvernehmung von Kurt D., der seinen Angaben zufolge treuhänderische Tätigkeiten für die Offshore-Firma Brodmann durchführte

Das Rätsel der Millionen

Ein IT-Unternehmer als EADS-Berater, sein Sohn mit Kontakten zu einem ahnungslosen rumänischen Millionenempfänger und Geldflüsse aus einer umstrittenen Provision für ein Eurofighter-Gegengeschäft in das Umfeld von Graf Mensdorff: Diese Anhaltspunkte haben sich nach und nach über die vergangenen Jahre im Rahmen der Eurofighter-Causa herauskristallisiert. Einiges wurde medial berichtet. Was bisher fehlt, ist das Bindeglied. Dieses findet man möglicherweise durch einen Blick in den Aktenschrank. Und zwar ganz weit hinten, wo sich bereits Staub auf den Ordnern festgesetzt hat.

Die Plattform „Addendum“ hat alte ­Dokumente gesichtet – Unterlagen in ­Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren gegen Mensdorff-Pouilly Ende 2012 bzw. Anfang 2013. Es geht um jenen Prozess, der mit dem bemerkenswerten Satz des Richters, „Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug“, endete. Im wesentlichen Punkt der Anklage wurde Mensdorff damals freigesprochen. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei den Geldtransfers in Höhe von 12,6 Millionen Euro, die laut damaligem Strafantrag ursprünglich vom Rüstungskonzern British Aerospace stammten, um Geldwäsche gehandelt hatte.

Bar auf die Hand

Vielleicht ergibt sich nun ein neuer Blick auf einzelne Aspekte dieser Causa: Als Drehscheibe der Zahlungen galt damals – und da zeigt sich die erste Gemeinsamkeit zum Eurofighter-Fall – die Firma Brodmann. Liest man den alten Strafantrag, der übrigens aus der Feder jenes Staatsanwalts stammt, der nun für den Eurofighter zuständig ist, stößt man auf einen bisher in der Öffentlichkeit nicht beachteten Zusammenhang: Mensdorff soll – übereinstimmenden Aussagen und vorgelegten Empfangsbestätigungen zufolge – von 2003 bis 2007 in 22 Tranchen insgesamt 6.480.000 Euro in bar an eine bestimmte Person übergeben haben. Diese Person ist Andreas S., nunmehr neuer Beschuldigter im Eurofighter-Verfahren.

Möglicherweise ging man bei den damaligen Ermittlungen von falschen Voraussetzungen aus. Offenbar stammte zumindest ein Teil der von Mensdorff an Andreas S. übergebenen Millionen ursprünglich nicht von British Aerospace, sondern von der Eurofighter-Firma EADS. Dafür gibt es jedenfalls folgende Anhaltspunkte:

Laut einem Teilbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien von Ende Oktober 2014, der die Verdachtslage detailliert wiedergibt, kamen die zwei Millionen Euro, die auf dem Brodmann-Konto in Wien landeten, tatsächlich von EADS.

In einer früheren Beschuldigteneinvernahme wurde Mensdorff-Pouilly konkret zu diesen zwei Millionen Euro befragt. Er sagte zunächst zwar, davon „prinzipiell überhaupt keine Ahnung“ zu haben. Dann ergänzte der Lobbyist jedoch: „Es müsste sich um eine Zahlung handeln, die über Veranlassung von Tim Landon erfolgte und möglicherweise an Blue Planet weitergeleitet wurde.“
Beim erwähnten Tim Landon handelt es sich um den sagenumwobenen Mann von Mensdorffs Cousine. Landon starb 2007. Mensdorff und Andreas S. haben die Bargeldübergaben von insgesamt 6,5 Millionen Euro damit begründet, dass es Landons Geld gewesen sei, der auf diesem Weg Millionen in eine Firma in Dubai namens Blue Planet World Communication FZ-LLC investiert habe. Andreas S. war bei Blue Planet involviert. Laut Mensdorffs damaliger Aussage vermutete er selbst, dass die zwei Millionen Euro Teil dieser Summe waren. Wie erwähnt, gehen die Eurofighter-Ermittler in der Zwischenzeit davon aus, dass das Geld ursprünglich von EADS kam.

Im alten Mensdorff-Verfahren konnten die Ermittler nicht alle Geldübergaben an Andreas S. zeitlich genau vorangegangenen Barbehebungen von Brodmann-Konten zuordnen. Laut Strafantrag zeigten sich „massive Zeitverschiebungen“. Allerdings hatte man damals die zwei Millionen Euro von der Columbus nicht auf der Liste. Es ging nur um eine andere Firma namens Valurex, die auch Zahlungen an Brodmann leistete. Nimmt man die Columbus-Zahlungen dazu, gibt es augenscheinlich zumindest in zwei Fällen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Barabhebungen von jeweils 500.000 Euro und entsprechenden Auszahlungen an Andreas S.

Viele Millionen, dunkle Kanäle

Fassen wir zusammen: Es ist nicht auszuschließen, dass eine hohe Geldsumme, die durch eine Reihe von Briefkastenfirmen floss und letztlich in bar von Mensdorff-­Pouilly an Andreas S. übergeben wurde, ursprünglich von der Eurofighter-Firma EADS stammte. Der Vater von Andreas S., Georg S., war beratend für EADS aktiv – und zwar mit dem Ziel, sicherzustellen, dass die Republik Eurofighter-Flugzeuge kaufen würde und nicht das Konkurrenzprodukt von Saab. EADS-intern galt Georg S. als Kontaktmann zur ÖVP.

Was bei Blue Planet in Dubai mit dem angeblichen Millioneninvestment Tim Landons passierte, konnte einer der Gesellschafter der Firma als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft nicht klar beantworten. Man habe die sechs Millionen Euro „für verschiedenste Ausgaben im Bereich der Entwicklung gemäß unseres Businessplans“ verwendet. Andere Investoren hätten gerade einmal einige Tausend US-Dollar zur Verfügung gestellt. Das Geschäft dürfte eher mäßig gelaufen sein.

Doch das ist noch lange nicht alles: Laut den Ermittlungsergebnissen gibt es auch einen Zusammenhang zwischen dem rumänischen Bekannten von Andreas S., der Millionen für die angebliche Vermittlung von Gegengeschäften in Rechnung gestellt haben soll, und der Blue Planet in Dubai. Es soll angedacht gewesen sein, dass Con­stantin D. für ein Investment in die Blue Planet fünf Millionen Euro als Darlehen erhält. Und zwar von der berühmt berüchtigten Firma Vector Aerospace LLP, über die laut Verdachtslage in Zusammenhang mit den Eurofighter-Gegengeschäften Dutzende Millionen Euro in dunkle Kanäle flossen. Der Plan mit dem Darlehen wurde allerdings nicht umgesetzt.

Ein sehr stiller Gesellschafter

War Blue Planet ein Vehikel, um Zahlungen in Zusammenhang mit dem Eurofighter nach außen hin zu legitimieren? Georg S. sagt, er wisse nichts über die Millionen, die Mensdorff an seinen Sohn übergeben hat. Andreas S. wiederum erklärt, mit dem Thema Eurofighter bzw. Eurofighter-Gegengeschäfte geschäftlich nichts zu tun gehabt zu haben.

Fest steht allerdings, dass später noch einmal so richtig viel Geld zugeflossen ist. Und auch dabei spielten Personen eine Rolle, die in Zahlungen rund um den Eurofighter bzw. die Eurofighter-Gegengeschäfte involviert waren. Die IT-Firma von Georg S. in Wien erhielt nämlich einen stillen Gesellschafter, der acht Millionen Euro in das Unternehmen einzahlte.

Der Investor war offenbar so still, dass sich Georg S. 2017 im Eurofighter-U-Ausschuss nicht einmal richtig an seinen Namen erinnern konnte. Eingefädelt soll den – später rückabgewickelten – Deal aber unter anderem einer der früheren Hauptlobbyisten für den Eurofighter haben. Die Ermittler fanden ein Organigramm einer Firmenstruktur, auf dem nicht nur die Wiener IT-Firma aufscheint, sondern auch die oben erwähnte Firma Vector.

Kein Beschuldigter

Harald Schuster, Anwalt von Alfons Mensdorff-Pouilly, wollte eine Anfrage von „Addendum“ nicht kommentieren. Betont sei, dass Mensdorff-Pouilly bis jetzt im Eurofighter-Verfahren nicht Beschuldigter ist. Generell hat er sich immer damit verteidigt, lediglich Gelder für Tim Landon verwaltet zu haben.

Die Firma Airbus gab auf Anfrage – mit Verweis auf die laufenden Verfahren – keine Stellungnahme ab. Das Unternehmen hat sich im Februar 2018 mit der Staatsanwaltschaft München auf Zahlung einer Geldbuße und einer sogenannten „Vorteils­abschöpfung“ von insgesamt 81,25 Millionen Euro geeinigt. Grund dafür war eine fahrlässige Aufsichtsverletzung „durch nicht identifizierte frühere Mitglieder des Managements“. Letztere hätten es verabsäumt, „angemessene interne Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Mitarbeiter Zahlungen an Business­partner ohne nachgewiesene dokumentierte Gegenleistung ausführen“.

Floss ein Teil dieser Zahlungen, bei denen keine Gegenleistung dokumentiert wurde, etwa über zahlreiche Zwischenstationen zu Blue Planet in Dubai, zu einem ahnungslosen Rumänen oder in eine kleine IT-Firma in Wien? Möglicherweise bringt die bevorstehende dritte Auflage des Eurofighter-U-Ausschusses Licht ins Dunkel.

Kooperation: Die Recherche dieser Geschichte stammt von der Investigativplattform „Addendum“. Projekte werden unter addendum.org veröffentlicht.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 31 2018