Grassers Staatsbürger

Eine Staatsbürgerschaftsvergabe wirft heikle Fragen auf

2002 bestätigte die Regierung die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Hedgefonds-Milliardär. Ob er die Voraussetzungen erfüllte, scheint fraglich. Das Finanzministerium soll im Verfahren auf Wunsch von Minister Grasser sehr positiv Stellung genommen haben

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Investigativ - Grassers Staatsbürger

Heute startete der lange erwartete Buwog-Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und zahlreiche Mitangeklagte. Voll angelaufen ist aber längst auch die Verteidigungsstrategie. Bereits bisher stellte sich Grasser gerne als Opfer der Justiz und der "Neidgesellschaft" dar. Nun kam zuletzt auch noch der Vorwurf der -angeblich vom Staat unterstützten - Vorverurteilung durch die Medien.

Nach acht Jahren Ermittlungsverfahren und mehr als zehn Jahre nach Ende seiner Amtszeit ist fast schon in Vergessenheit geraten, dass Grasser einmal ein sehr machtbewusster Minister war. Ein Minister, der sich -umringt von getreuen Kabinettsmitarbeitern -auch tatsächlich durchsetzen konnte. Und dessen Wille Gehör fand. Um sich das in Erinnerung zu rufen, lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 2002. Damals wurde nicht nur der Verkauf der Bundeswohnungsgesellschaften, um den es im Buwog-Prozess hauptsächlich geht, vorbereitet. Just in diese Zeit fiel auch ein anderer Vorgang, zu dem News umfassende Informationen vorliegen. Dabei stellt sich die heikle Frage, wie viele Augen im Finanzministerium mitunter zugedrückt wurden, um Wünschen Grassers gerecht zu werden.

Schnellverfahren

Es geht um ein besonders sensibles Thema: die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Schnellverfahren für Prominente. Dies ist möglich, wenn eine Person bereits Leistungen erbracht hat, die im besonderen Interesse der Republik liegen, und weiterhin solche zu erwarten sind. Beides muss erfüllt sein. Der Antrag wird in einem Bundesland gestellt. Letztlich entscheidet aber die Bundesregierung, ob die Leistungen ausreichen und die Verleihung im Interesse der Republik ist. Dazwischen werden Fachstellungnahmen zuständiger Ministerien eingeholt.

So geschah das auch in Bezug auf ein besonders spannendes Staatsbürgerschaftsansuchen - jenes des amerikanischen Hedgefonds-Milliardärs Louis Bacon. News vorliegenden Informationen zufolge bestätigte die Bundesregierung im Ministerrat am 15. Oktober 2002 das besondere Interesse der Republik an der Verleihung. Der Antrag kam vom Amt der Wiener Landesregierung. Die einzige inhaltliche Stellungnahme, die im sogenannten "Ministerratsvortrag" erwähnt war, stammte aus Karl-Heinz Grassers Finanzministerium. Im Vortrag hieß es: "Zusammenfassend hat das Bundesministerium für Finanzen festgehalten, dass die vom Antragsteller bisher erbrachten Leistungen und Investitionen in allen genannten Projekten als außerordentlich zu werten sind, zumal sie dem Ansehen Österreichs als Wirtschaftsstandort förderlich waren und sind." Aus den "bisher erbrachten Tätigkeiten" könne abgeleitet werden, dass auch "zukünftig außerordentliche Leistungen ( ) erwartet werden können".

"Wunsch des Ministers"

News liegen mehrere Entwürfe zur Stellungnahme des Finanzministeriums vor, die offenbar zu diesem Ministerratsbeschluss geführt hat. Und auf einem davon findet sich ein spannender Aktenvermerk (siehe Faksimile). Dieser stammt offensichtlich vom Sachbearbeiter, der das Schriftstück vorbereiten musste. Im Vermerk steht, dass - laut einem Anruf eines Kabinettsmitarbeiters - "HBM um eine eindeutig positive Stellungnahme" ersuche. "HBM" ist Beamtensprech für "Herr Bundesminister", damals also Grasser. Verwiesen wird auch auf "handschriftliche Korrekturen auf der Erledigung aus 2001".

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Tatsächlich findet sich im Ministeriumsakt 2002 eine Stellungnahme, die bereits im Jahr 2001 direkt an das Amt der Wiener Landesregierung gerichtet war. Allerdings sind nun mehrere Absätze darauf durchgestrichen -und zwar jene, die sich weniger positiv lesen. 2001 hieß es etwa, dass mangels Konzession Bacons Firma "derzeit keine Tätigkeit auf dem österreichischen Markt entfalten" dürfe. Darauf, dass sich das geändert hätte, deutet in der neuerlichen Stellungnahme 2002 nichts hin -obwohl das ja durchaus positiv gewesen wäre. Die Absätze wurden einfach weggelassen. Genauso wie die Einschränkung aus 2001, dass Bacon "bisher in Österreich im Finanzbereich keine Tätigkeiten ausgeübt" habe, die "unter die fachliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen fallen würden." Auch hier ist ein Jahr später aus dem Akt nicht erkennbar, dass sich das geändert hätte. Dennoch fühlte sich das Finanzministerium nun offenbar zuständig.

Es ist nicht so, dass Bacon keinerlei wirtschaftlichen Bezug zu Österreich vorweisen konnte. 1999 hatte er - über eine Zwischenfirma auf der Kanalinsel Jersey - indirekt fünf Millionen Dollar in ein oberösterreichisches Unternehmen investiert. Darauf bezogen sich auch die Stellungnahme des Finanzministeriums und der Ministerratsvortrag. Allerdings bat die Stadt Wien bereits 2001 das Wirtschaftsministerium um eine Stellungnahme. Und das schrieb mit Blick auf dieses Investment, dass sich die behaupteten Leistungen "im Wesentlichen kaum von jenen unterscheiden, aufgrund derer bereits Herrn R. C. () vom Amt der Wiener Landesregierung die österreichische Staatsbürgerschaft () verliehen wurde". Es könnten "außerordentliche wirtschaftliche Leistungen im besonderen Interesse der Republik aus den vom Staatsbürgerschaftswerber behaupteten Leistungen daraus nicht abgeleitet werden". Mit anderen Worten: Die einzige bereits erbrachte Leistung Bacons, die beim Beschluss im Ministerratsvortrag erwähnt war, reichte eineinhalb Jahr vorher -dem Wirtschaftsministerium nicht aus. Das Finanzministerium nahm sie trotzdem in seine Stellungnahme auf. Und die Regierung bestätigte die Staatsbürgerschaft.

Eine Anfrage an Grasser blieb vorerst unbeantwortet. Bei der Stadt Wien verweist man auf den Datenschutz und erklärt allgemein, dass Anträge 2002 bezüglich der staatsbürgerschaftsrechtlichen - allgemeinen - Voraussetzungen geprüft worden seien. "Die inhaltliche Beurteilung wurde vom jeweiligen Fachministerium durchgeführt. Diese Beurteilungen wurden zur endgültigen inhaltlichen Entscheidung an das Bundesministerium für Inneres übermittelt und durch einen Ministerratsbeschluss seitens der Bundesregierung bestätigt oder abgewiesen." Tatsächlich war die Stellungnahme des Finanzministeriums 2002 von einem Kabinettsmitarbeiter Grassers unterschrieben und an das Kabinett des damaligen Innenministers Ernst Strasser adressiert.

Firma ging pleite

Was steckt dahinter? Wer zu Louis Bacon recherchiert, wird feststellen, dass er in den vergangenen Jahren als politischer Großspender aufgefallen ist: 2010 soll eine seiner Firmen den britischen Konservativen 250.000 Pfund zukommen gelassen haben. 2015 soll es eine Spende von einer Millionen US-Dollar für die Präsidentschaftskampagne von Jeb Bush in den USA gegeben haben, fünf Jahre zuvor zumindest 500.000 US-Dollar für die Kampagne von Mitt Romney. Ob er auch in Österreich Geld an Politiker gespendet habe, ließ Bacon - wie alle anderen Fragen, die News ihm gestellt hat -unbeantwortet.

Damit ist auch unklar, ob irgendeine der -einst für die Zukunft erwarteten - Leistungen im Interesse der Republik umgesetzt wurde. Im Ministerratsvortrag war von einem Investment von fünf Millionen Dollar für die Gründung des "kontinental-europäischen Standbeins" einer US-Finanzfirma die Rede sowie von einer "gemeinnützigen Investition" von bis zu 500.000 Dollar für eine Organisation, die Studienstipendien vergeben sollte. Konkret erwähnt war auch eine "Hayek-Professur" ab dem Studienjahr 2002. Wie News bereits vor einigen Jahre berichtete, wurde die Professur - laut Hayek-Institut -aber nicht von Bacon finanziert. Die Firma in Oberösterreich, in die Bacon investiert hatte, ging übrigens 2012 in Konkurs.