"Rendi-Wagner steht
an gläserner Klippe"

Was müsste Pamela Rendi-Wagner tun, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen? Und welchen Zugang haben Frauen zur Macht? Ein Interview mit Politologin Birgit Sauer.

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Interview - "Rendi-Wagner steht
an gläserner Klippe"

Pamela Rendi-Wagner wird als Spitzenkandidatin für die SPÖ in den Wahlkampf ziehen. Keine einfache Aufgabe. Die Sozialdemokraten verlieren an Zuspruch, das Parteiprofil ist unscharf. Welche Rolle nimmt Rendi-Wagner ein und was müsste sie tun, um der SPÖ zum Erfolg zu verhelfen? News.at befragte hierzu die Politologin und Universitätsprofessorin Birgit Sauer.

News.at: „Glass Cliff“ heißt das Phänomen, wenn Frauen überproportional oft in Führungspositionen gelangen, wenn die Chance des Scheiterns am höchsten ist. Steht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner an der „gläsernen Klippe“?
Birgit Sauer: Ja, Pamela Rendi-Wagner ist an einer solchen Klippe positioniert. Sie wurde als erste Frau in der Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie Parteichefin, als die Zustimmungswerte zur SPÖ deutlich am sinken waren, wo die Konkurrenz der FPÖ und er ÖVP ein Neubesinnen auf sozialdemokratische Politik bedurft hätte, wo aber die Kräfte innerhalb der SPÖ gespalten waren und eine solche Neuaufstellung der Partei zum Scheitern verurteilt war.

»Die SPÖ muss einen anti-neoliberalen Kurs proklamieren «

Sie haben es angesprochen, eine unvorteilhafte Ausgangsposition. Was müsste Rendi-Wagner denn tun, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen?
Sie muss die Partei „sozialdemokratisieren“, d.h. Themen in der Öffentlichkeit pushen, die die Partei deutlich von der FPÖ und der ÖVP und deren monomanem Anti-Migrations-Kurs absetzt. Soziale Themen und Forderungen formulieren - also einen anti-neoliberalen Kurs proklamieren und diese soziale Frage (soziale Sicherheit, günstiges Wohnen, Umverteilung von Reichtum und entsprechende Steuern) mit der ökologischen Frage verknüpfen. Ein Kurs in Richtung große Koalition wird die SPÖ nicht zum Erfolg führen, eine Annäherung an die Grünen (nicht nur was die Themensetzung anlangt, sondern auch in Bezug auf Regierungsbildung) schon eher.

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Welche Rolle nimmt Rendi-Wagner in der SPÖ ein?
Sie sollte wohl auch die unterschiedlichen Fraktionen „versöhnen“ und nach außen Modernisierung symbolisieren. Insofern ist sie auch ein „Token“, also ihr wird eine symbolische Funktion zuteil, die sie möglicherweise gar nicht übernehmen will. Eine „Modernisierung“ in dem Sinne, dass die SPÖ sich sozialdemokratisiert, ist ihr nicht gelungen. Dazu waren die „konservativen“ Kräfte in der Partei zu stark. Möglicherweise ist sie eine Übergangskandidatin, allerdings hängt das nicht von ihr alleine ab, sondern auch von den Kräfteverhältnissen in der SPÖ. Merkel wurde auch lange als Übergangsfrau gehalten.

»Dass Frauen an die Macht wollen ist nichts Neues«

Dann blicken wir ins Ausland: Andrea Nahles, Theresa May, warum tun sich diese Politikerinnen solch schwierige Aufgaben an?
Der Kampf von Frauen/Politikerinnen innerhalb von Parteien um Führungspositionen (von Parteien, in Regierungen) ist so alt wie das Frauenwahlrecht - und die Parteien als „Gatekeeper“ der liberalen Demokratie haben den Aufstieg von Frauen jahrzehntelang erfolgreich zu verhindern gewusst. Die „Krise der liberalen Demokratie“ bietet gewissermaßen ein Gelegenheitsfenster für Frauen, in politische Machtpositionen zu kommen (mit allen bereits genannten Gefahren). Auch Angela Merkel wurde in einer solche Situation - der Korruptionsaffäre der CDU - Parteichefin und später Kanzlerin. Dass Frauen an die Macht wollen ist also nichts Neues - dass das für sie umkämpfter und schwieriger ist als für Männer mit „Hausmacht“, ist auch nichts Neues. Deshalb ist die Frage nach dem „Warum tun sie sich dies an“ etwas falsch formuliert, weil sie unterstellt, Frauen seien anders als Männer und wollten zum falschen Zeitpunkt das Unmögliche - dabei tun die Frauen dasselbe wie Männer, sie wollen in politische Entscheidungspositionen, nur wird es ihnen schwerer gemacht.

Und dennoch muss ich mögliche Unterschiede ansprechen. Korruption, Bestechung, kriminelle Energie. Sind Männer prinzipiell anfälliger dafür?
Es gibt Studien, die zeigen, dass Frauen weniger korruptionsanfällig sind. Allerdings sind die Studiensettings höchst umstritten, da nicht davon ausgegangen werden darf, dass dies mit der „Natur“ von Männern und Frauen zu tun habe. Vielmehr gibt es ökonomische und politische Strukturen und Gegebenheiten, die Menschen korruptionsanfälliger machen - z.B. autoritäre Parteistrukturen wie in der FPÖ, Männerbündelei, wie in der FPÖ - und aus diesen Strukturen sind Frauen oft ausgeschlossen - d.h. sie haben keinen Zugang zum korruptiven Umfeld.

» Jahrelange Angst vor Prekarisierung und Verunsicherung«

Wie erklären Sie sich, dass die FPÖ trotz der „Ibiza-Affäre“ vergleichsweise wenig an Zustimmung verloren hat?
Die FPÖ mobilisiert mit einem Ausgrenzungs- und Neiddiskurs (gegenüber den als „Anderer“ identifizierten Menschen, MigrantInnen, FeministInnen etc.). Menschen, die durch 20 Jahre neoliberalen Gesellschaftsumbau, durch das Mantra des Wettbewerbs, um zum eigenen Ziele zu kommen, geprägt sind. Jene die Angst haben, nicht nur den erreichten Wohlstand, sondern auch die Selbstverständlichkeit, dass sie „besser dastehen“, dass es „Andere unter ihnen gibt“, zu verlieren, machen einen Großteil der Wählerschaft der FPÖ aus. Diese jahrelange Angst vor Prekarisierung und Verunsicherung lässt sich nicht von heute auf morgen verändern; daher ist Strache trotz seines degoutanten „Macho-Gehabes“ - oder vielleicht gerade deshalb - eine Person, die Sicherheit verspricht und bieten soll.

Welchen Stellenwert nimmt Emotion heutzutage in der Politik ein?
Emotionen sind für die sogenannte „moderne“ Politik (seit dem Ende des Feudalismus, seit der Aufklärung) schon immer von Bedeutung, nur wurden sie nicht als politikrelevant in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft wahrgenommen. Die Demokratie des 20. Jahrhunderts sollte sich durch Rationalität auszeichnen, Emotionen sollten aus dem Raum des Politischen, dem Parteienwettbewerb, den Wahlen ausgeschlossen bleiben. Dass dies nicht sein kann - denn Menschen sind charakterisiert durch ihren Verstand, aber auch ihre Emotionen - und jede Bewertung geht mit Emotionen einher - und wählen, politisch entscheiden, „bewerten“ ist - wusste schon der deutsche Soziologe der letzten Jahrhundertwende, Max Weber: Politik war für ihn „Leidenschaft“. Der Nationalsozialismus mit seiner manipulativen und exterminatorischen Politik führte dazu, Politik in der Nachkriegszeit nur noch als “rationales“ Unterfangen sehen zu wollen - das ist nie gelungen; das zeigt auch das Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen seit den 1970er Jahren. Die FPÖ mobilisiert nun ganz spezifische Emotionen - nämlich jene von Neid, Angst und Wut - um damit „Identitätspolitik“ zu betreiben und Menschen auszugrenzen. In einer Gesellschaft, in der das „Einbringen der ganzen Person“ im Arbeitsleben - bis zur Ausbeutung der letzten Faser des Körpers und Geistes - verlangt wird, greifen solche Ängste besser als in einer Gesellschaft, die kollektive soziale bzw. sozialstaatliche Sicherheit garantiert.

Zur Person

Birgit Sauer, geboren 1957, ist seit 2001 Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Ihr primärer Forschungsschwerpunkt ist Geschlecht und Politik.

Kommentare

Ich kenn mich eh auch schon nimma aus... Politik ist echt eine Philosohie für sich. Und glauben kann man auch keinem mehr was.

Na, und was hätte der Herr BP Ihrer Meinung nach tun sollen? Ihnen den Popo versohlen vielleicht?!?

Putschisten, die sich aus Machtgier und über das Volk, das diese Regierung gewählt hat, hinwegsetzen, haben in unserer Politik nichts verloren!! Und der BP schweigt und ist zu jeder sinnvollen Handlung zu feige, wie sein Vorgänger!!

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