Peter Handke: "Ich gehe meinen Trampelpfad"

Das beschämende Getöse ist verklungen, Peter Handkes Platz in der Weltliteratur wurde durch den Nobelpreis auch in der Wahrnehmung der Masse beglaubigt. Eine Premiere am Akademietheater wartet, eine Erzählung voll Schönheit und Eigensinn erscheint in diesen Tagen. Und Peter Handke sprach mit News

von Interview - Peter Handke: "Ich gehe meinen Trampelpfad" © Bild: imago images/Agencia EFE

Dass es nicht einfach der seit Jahrzehnten von der Literaturwelt eingeforderte Nobelpreis sein konnte, war in Peter Handkes Fall klar: Der Mann, den sein namhafter Kollege Josef Winkler den größten lebenden Schriftsteller nennt, überfordert die zusehends banaleren kollektiven Gewissheiten des Feuilletons systematisch und mit markanten Folgen. Und so brach das Getöse auch verlässlich los, als die Schwedische Akademie Peter Handke 2019 den Preis aller Preise zuerkannte. Jahrzehnte zuvor hatte Handke im Jugoslawien-Krieg differenzierte Sicht auf Serbien und die Nato eingefordert und das kollektive Geblök des unzuständigen Feuilletons im Theaterstück "Die Fahrt im Einbaum" dem Spott überantwortet. An der Größe des Handke 'schen Schaffens konnte das Geschrei nichts ändern. Bei den vorjährigen Salzburger Festspielen wurde "Zdeněk Adamec" uraufgeführt, benannt nach einem Selbstverbrenner, der die Verkommenheit der Zeit nicht dulden wollte. In diesen Tagen erscheint eine Erzählung von betörender Schönheit und poetischem Eigensinn. "Mein Tag im anderen Land" (s. rechte Spalte) erzählt, wie oft, von einem, der seine eigene Enklave ist.

Das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen in dieser unsympathischen Zeit?
Den Umständen entsprechend. Wie sind denn die Umstände? Ich bin ja kein Experte! Fragen Sie doch die Experten, die wissen immer Bescheid.

Aber Ihre persönlichen Umstände?
Die sind viel zu seltsam, dass man darüber reden könnte. Sie sind wie immer, nur die Akzente sind stärker, im Bedrohlichen, aber auch im weniger Bedrohlichen. Man hat ja seine Struktur in der Natur, oder wie man das nennt. Es heißt immer, man ist schon bevorteilt, wenn man einen Garten hat. Das stimmt ja gar nicht! Meine Natur ist keine Gartenbeschränktheit-Natur. Auch wenn ich mit niemandem spreche, mit niemandem kommuniziere, habe ich bemerkt, wie ich das, was man den öffentlichen Raum nennt, brauche, als Bezirk, zum Gehen, zum Dasein, zum Um-mich-Schauen.-Jetzt hab ich heute noch kein Wort geredet und muss sofort weltliterarische Scheiße von mir geben.

Meines Erachtens ist das, was Sie von sich geben, ziemlich oft Weltliteratur. Außer Goethe weiß ich wenige andere, die man am ersten Satz erkennt.
Aber der "Erlkönig" ist doch auch ein Dreck!

Finden Sie?
Man hat so Angst! Das ist doch wie ein englischer Horror-Film! Besser gesagt, wie ein im bretonischen Urwald angesiedelter Horrorfilm. Denn die englischen Horrorfilme waren schöne, friedliche Filme. Ich war verliebt in Frankensteins Monster. Es hat mir immer so leid getan.

Die "Erlkönig"-Vertonung von Schubert gefällt Ihnen auch nicht?
Mit Schubert kann nichts schiefgehen. Schubert bringt alles in die Anmut zurück. Was man von Goethe nicht immer sagen kann.

Wir waren bei Ihrem Befinden. Sie selbst waren nicht infiziert?
Nein. Ich bin inzwischen zwei Mal geimpft worden, mit Pfizer, wie jeder, der in Frankreich über 75 Jahre ist. Jeder soll sich impfen lassen. Wenn es überhaupt einen Ausweg gibt, dann den.

Und hatten Sie irgendwelche Nebenwirkungen?
Nur psychisch, zwei, drei Tage lang. Ich hab Nichtigkeitsbeschwerden bekommen.

»Es muss eine klare, gut rhythmisierte Empörung stattfinden«

Was ist denn das? Ein Satz von Nestroy?
Nein, von mir. Meine eigenen Nichtigkeiten wurden zu Beschwerden. Vor lauter Nichtigkeit war ich drei Tage den Tränen nahe. Das nennt man depressive Zustände.

Die sich aber verflüchtigt haben?
Sie kommen immer wieder, aber nicht in dieser Größe.

Wenn wir uns nun unsere beiden bisher letzten persönlichen Treffen vergegenwärtigen: wenige Wochen, bevor alles zugesperrt wurde, beim Essen des Bundespräsidenten zu Ihren Ehren ...
Das war ein schöner Abend.

Dann im August in Salzburg, als Ihr "Zdeněk Adamec" uraufgeführt wurde: lauter Freude und Zuversicht. Und jetzt? Ist die Situation nicht bedrückend?
Für viele, die von Natur aus mit dem Theater zusammen sind, muss das schrecklich sein. Genau vor einem Jahr wurde am Théâtre de la Colline in Paris, einem der drei Nationaltheater von Frankreich, "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" aufgeführt. Sie haben es neun Mal gespielt, und dann war es aus. Jetzt sollte es in Straßburg kommen, und alles ist annulliert. Meine Frau hat da auch mitgespielt, und für die Schauspieler kann man von einer Art Existenzschmerz sprechen. Für mich ist Theater immer Raumdenken, vor allem aber, mit Sprache umzugehen, was ja inzwischen fast altmodisch geworden ist. Ich denke Monologe, Dialoge, Vis-à-vis-Haben, Probleme, auch freudige, besprechen oder auch verschweigen. In Berlin wurde "Zdeněk Adamec" zwei Mal gespielt, und dann war ... wie heißt das mit dem L?

Lockdown im neuen Analphabeten-Pidgin.
Ich bring solche Wörter nicht einmal in der Ironie über mich. Confinement sagen die Franzosen, das klingt besser.

Wesentlich. Der Kanzler sagt dafür Gamechanger, wenn er von Impfstoff spricht, den es nicht gibt.
So sagt man wahrscheinlich in bestimmten Wiener Bezirken.

In Frankreich werden die Theater besetzt, in Berlin beginnt man aufzusperren. Nur in Österreich ist, Vorarlberg ausgenommen, alles geschlossen. Wie gefällt Ihnen denn der Umgang der Kulturnation mit der Kultur?
Die Kulturleute, die ihr Leben mit Kultur bestreiten, sollten es wirklich be-streiten. Das Schlimme ist, dass eine Revolution heute gar nicht mehr denkbar ist, in diesen Technikund Wirtschaftszwängen. Aber es muss eine klare, gut formulierte, gut rhythmisierte Empörung stattfinden. Mir kommt immer vor, wie man sich zu dieser Krise als politischer Machthaber verhält, da zeigt jede Nation ihre spezielle Dummheit und Frechheit und Wirrsal. Die Politiker fügen zur inneren Wirrsal der Menschen ihre eigene dumme, freche Wirrsal hinzu, so, als ob sie Ordnung schaffen wollten. Die französische Wirrsal hat eine besondere Dummheit, die deutsche Dummheit unterscheidet sich von der österreichischen Dummheit. Das ist die Dummheit von Nationen. Ich sage nicht: die Dummheit von Völkern. Aber die Nationen haben ihre eigene Dummheit. Die bulgarische Dummheit kenne ich nicht so genau, aber die österreichische, die französische, die englische, die amerikanische ... die Nationen haben keinen Wert für mich.

Und welche Dummheit ist die schlimmste?
Ich mache keine Superlative.

Die amerikanische Dummheit haben wir für überwunden gehalten, da nennt Biden Putin mit offenen Drohungen einen Mörder. Musste man dafür Trump absetzen?
Schöne Aussichten! Biden war ja schon damals ein großer Anhänger der Albaner im Kosovo, mit Madeleine Albright, als er noch Vizepräsident war. Jeder geht seinen Weg. Bis auf mich. Ich gehe meinen Trampelpfad. Ich denke immer noch, wie Nova in "Über die Dörfer" sagt: Ein ewiger Friede ist möglich. Aber jetzt scheint es doch weit, weit weg gerückt zu sein. Viele sagen, alles wird besser werden, wenn Corona vorbei ist. Vielleicht, aber in 100 Jahren, frühestens. Man kann das alles nicht rückgängig machen, von einem Tag auf den anderen. Nicht einmal unsere Kinder oder Enkelkinder werden das erleben. Aber ist ja Blödsinn, was ich sage. Ich bin kein Voraussager.

»Die Politiker fügen zur Wirrsal der Menschen ihre dumme, freche Wirrsal hinzu«

Eventuell einer der weisen, wahnsinnigen Seher, die der Mythologie bekannt sind?
Um Gottes Willen, wenn ich das höre: Seher! Die sind ja alle blind.

Haben Sie eine Prophezeiung, wie es der Premiere Ihres "Adamec" im Akademietheater geht?
Keine Ahnung.

Das Burgtheater sagt, Castorf nimmt vielleicht Anfang Mai die Proben wieder auf. Fühlen Sie sich da gut aufgehoben?
Warum soll ich mich gut aufgehoben fühlen? Da kriegt man sofort Angst, wenn man sich gut aufgehoben sieht. Ich war auch ein bisschen bedenklich, wie die Kritiker mit dem "Adamec" in Salzburg umgegangen sind. Nicht alle, die deutsche Presse war ja recht aufmerksam. Aber dass man in Österreich überhaupt nicht bedenkt, unter welchen Umständen die geprobt haben und zusammengekommen sind, so dass es überhaupt stattfinden konnte! Das war sicher keine vollkommene Inszenierung, und viele Fransen sind der Geschichte, dem Rhythmus und der Melodie des Stückes im Weg gestanden. Aber dass man in Österreich getan hat, als ob das eine normale Geschichte wäre! Das war eine unglaublich kritische, von jedem Tag zum anderen schmerzhafte Geschichte der Schauspieler. Es war auf einem guten Weg. Hätte man mehr Zeit, einen anderen Raum um sich gehabt statt diesem Corona-Nichtraum, hätte da etwas werden können. Aber dieses österreichische Routinefeuilletonzeug! Nie mehr werde ich mir auch nur eine Zeile von denen zu Gemüte führen.

Sorgen Sie sich nicht vor Castorf, der Stücke in Trümmer schlägt?
Soll er halt in Trümmer schlagen! Vielleicht sind es ja lebendige Trümmer! Hauptsache, es erzählt ein Problem, von dem man spürt, es ist eine Entdeckung, eine Expedition. Es kann ja auch eine Trümmer-Expedition sein.

Wenn ich einen Bogen über Ihre drei jüngsten Werke schlage: erst der Selbstverbrenner Adamec, der mit seinem Leben seine Enklave verteidigt, die er selbst ist. Dann der Roman "Das zweite Schwert", der vom Rachefeldzug gegen eine verleumderische Schmierjournalistin handelt ...
Eine liebe, weltumarmende Geschichte, wider meinen Willen.

Stimmt, sie endet überraschend in Milde und Verzeihen.
Ich dachte, wie komm ich da heraus? Da bricht einer zur Rache auf, um die Frau, die seine Mutter verleumdet hat, umzubringen. Ich dachte: Um Gottes Willen! Eine Rachegeschichte! Aus der komm ich nie mehr lebend heraus! Aber dann, so nach zwei, drei Wochen, hab ich gedacht: Was geht mich diese Frau an, was gehen mich die Journalisten an? Das ist eine andere Welt, oder für mich gar keine Welt. Und so hab ich mich nicht hinausgeschmuggelt, aber auf einmal war das Licht da, dass es um die Rache nicht geht.

Obwohl Sie ja Anlass gehabt hätten.
Ja, ich habe gedacht, ich werde es ganz ernst nehmen, und das habe ich dann auch im Schreiben getan. Aber ich habe es zum Glück nicht durchgehalten. Dann kam die andere Melodie dazu ... die war ja von Anfang an da. Aber dramatisch muss eine Geschichte ja auch sein. Man muss damit spielen. Wie sagt Goethe? Das ernste Spiel. Es muss ernst sein, aber es muss Spiel sein.

Sie werden doch nicht mild geworden sein? Beim Serbien-Stück "Die Fahrt im Einbaum" sind die Journalisten noch ganz anders drangekommen.
Das war aber formuliert, und sehr gerecht! Manchmal, wenn ich geredet habe, bin ich nicht gerade außer mich geraten, aber an die Grenze des Außer-mich-Geratens. Aber beim Schreiben kein Mal! Das Schreiben ist meine Instanz. Vielleicht ist das altmodisch, vielleicht gehört Sprechen und Schreiben zusammen. Aber für mich nicht. Schreiben ist mein geliebter Ausnahmezustand. Auch mein abenteuerlicher. Das Schreiben, nicht das Reden.

Und jetzt Ihr neu erscheinendes Bändchen ...
Was sagen Sie da? Bändchen?

"Mein Tag im anderen Land: Eine Dämonengeschichte" gibt es hier*

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Es ist doch schmal.
Aber trotzdem ein Buch! Da können Sie ja gleich Broschüre sagen.

... aber aus dem Buch scheint mir eine Liebe und Kauzigkeit zu sprechen, die mich an Ihr Kinderbuch "Lucie im Wald mit den Dingsda" erinnert. Ist das so?
Nein! Jede Geschichte ist anders, wie jeder Vogel anders fliegt. Wenn die Geschichte überhaupt fliegt.

Ist einmal eine Geschichte nicht geflogen?
Als ich jünger war, habe ich dieses und jenes Bändchen, wie Sie sagen würden, nicht so als meines angesehen. Aber inzwischen denke ich, alles ist von mir.

Auch die ganz frühen?
"Die Hornissen", mein erstes Buch, mein abenteuerlichstes, und auch die kleine Prosa von "Begrüßung des Aufsichtsrats" - ich war 20 Jahre alt und habe entdeckt, wer ich bin, indem ich die dramatische Ruhe im Erzählen entdeckt habe. Vorher habe ich gedacht, man muss immer poetische Stimmung haben, um zu schreiben. Dann habe ich gemerkt, das ist falsch! Du musst einfach erzählen, einen ruhigen Satz nach dem anderen sich aneinander, ineinander fügen lassen. Das war jetzt meine Poetik-Vorlesung von 10 Uhr 23.

Die könnten im Augenblick viele brauchen. Haben Sie mitbekommen, dass mehreren Übersetzern das Gedicht "The Hill We Climb" von Amnda Gorman entzogen wurde?
Wer ist das?

Die dunkelhäutige Dame, die zu Bidens Inauguration ein Gedicht vorgetragen hat. Es darf reihenweise nicht mehr übersetzt werden, weil nur schwarze Menschen die darin enthaltenen Emotionen nachvollziehen könnten.
Dann biete ich mich als Übersetzer an. Ich bin auch ein schwarzer Mensch. Der Schwarze Peter.

Und Ihre Nachfolgerin im Nobelpreis-Status, die Lyrikerin Louise Glück?
Ich habe keine Ahnung, ich würd's aber gern lesen.

Mir erscheint das wie amerikanischer Idyllenkitsch.
Keine Ahnung, aber ich denke da an Emily Dickinson, eine gewaltige, absolut einmalige Dichterin. Eine völlig einsame, auf dem Land zur Kirche stolpernde und dann doch freudige und offene Frau. Die kann man doch nicht nachmachen! Emily Dickinson ist einmalig.

»So etwas Teuflisches und Böses ist keinem Schriftsteller je passiert. Aber ich sage mir: Geschieht dir recht «

Ist Ihr Verhältnis zu Amerika anhaltend gestört, auch nach der Kampagne gegen Ihren Nobelpreis?
Ich habe Amerika nicht aufgegeben! Die "New York Times" hat nach dem Nobelpreis über mich erstunken und erlogen, wie es noch keinem Schriftsteller seit Adam und Eva passiert ist, wobei unklar ist, ob Adam ein Schriftsteller war. Aber zu "Zdeněk Adamec" hat sie wunderbar geschrieben, vielleicht aus schlechtem Gewissen. Und mein New Yorker Verlag macht alle meine Bücher, die zum Teil großartig übersetzt sind, neu. 20,30 Bücher, broschiert mit tollen Covern. Eine ganze Friedensflotte von Büchern ist in New York herausgekommen. Da habe ich gedacht: Jetzt glaub ich wieder an Amerika. Das Amerika von William Faulkner, von John Ford, von Sherwood Anderson und Fitzgerald, von Tennessee Williams und Eugene O'Neill, von Ralph Waldo Emerson, Walt Whitman, Patricia Highsmith und Carsen McCullers und seinem Roman "Das Herz ist ein einsamer Jäger". Mit Liebe und Zuneigung denke ich an sie, und frage mich, was da los ist. Das Herz ist eher ein einsamer Gejagter, durch die ganze Welt, so kommt mir heute das Leben vor. Henrik Ibsen hat gesagt, er hat noch einige Pfeile im Köcher, da war er schon fast tot. Die Studenten haben Fackelzüge für ihn gemacht, und er hat zur Strafe gleich einen Schlaganfall bekommen. Aber ich denk mir, ich hab noch einiges zu geben.

Dachten Sie eigentlich je, Sie hätten den Nobelpreis lieber nicht bekommen?
Nein, das ist eine schöne Sache. Die haben es gut gemacht, die haben die Literatur endlich wieder einmal hochgehalten. Es hat allerdings, kommt mir vor, das Gegenteil bewirkt. Aber wenn ich jetzt die Übersetzungen sehe, die daherkommen, und die Neuauflage bei meinem New Yorker Verlag: Das ist doch auch wieder dem Preis zu verdanken. Und da und dort wird es einen Leser geben. Das Volk der Leser ist ein Volk der Einzelnen. Und Amerika ist immer noch mein Amerika. Am Ende meiner "Obstdiebin" hält der Vater eine Rede für den Blues, für die Verlassenen in Amerika, für die Sänger. Das könnte der Castorf mit einem riesigen Video im "Adamec" sprechen lassen, von einem Chinesen oder einem Maori aus Neuseeland.

Konnte man Ihnen die Freude am Preis also nicht verderben? Hat man Sie nicht gekränkt?
Es ist sehr ambivalent. Die Freude bleibt immer, auch im Interesse der Literatur. So ein Unsinn, so etwas Teuflisches und Böses ist keinem Schriftsteller je passiert. Aber zugleich sage ich mir immer wieder: Geschieht dir recht! Das muss dir passieren, das gehört zu dir, das alles gehört gut zusammen. Ich akzeptiere das. Nicht, worum es da geht. Aber dass man teuflisch oder göttlich gegen jemanden ist, der schreibt wie ich: Das gehört dazu. Es geschieht nicht mir, es geschieht überhaupt Recht. Obwohl das alles falsch ist, teuflisch falsch, dreckig falsch, geschieht Recht. Das nennt man Dialektik. Ich akzeptiere es, es gehört zu mir. Zu meiner Existenz, zu meiner Formexistenz, dem Schreiben, gehört es dazu, dass so etwas geschehen ist. Dass es zu dieser grausigen Geschichte gekommen ist. Sie verstehen wieder nichts, was?

Wie immer kein Wort.

Peter Handkes seltene Interviews sind Pretiosen des Stils und des Eigensinns. Was meinen Sie? sichrovsky.heinz@news.at

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 12/21

Kommentare

Da Carsen McCullers eine Frau war, würde ich vorschlagen, "und ihrem Roman" zu schreiben.

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