Paul Ronzheimer: "Kurz kann sich vorzeitiges Ende nicht leisten"

Die Türkis-Grüne Koalition ist für den "Bild"-Journalisten Paul Ronzheimer die "einzig denkbare Option". Für die Grünen sei es Chance und Risiko zugleich, sagt Ronzheimer.

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Wenige Tage bevor das "Ibiza-Video" veröffentlicht wurde, da ahnte man noch nichts von dem politischen Erdbeben, glaubte der Journalist Paul Ronzheimer, dass die "ÖVP-FPÖ-Koalition nicht bis 2022 halten wird". Im Gespräch mit News.at sprach Ronzheimer davon, dass Sebastian Kurz einen "Plan B" bräuchte: "Er kann es (noch) als starker Kanzler tun. Er kann sagen: Ich habe es versucht, aber es hat nicht funktioniert mit dieser FPÖ."

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Einen "Plan B" hat Kurz nun scheinbar gefunden. Die Koalition mit der FPÖ zerbrach, Neuwahlen wurden ausgeschrieben und der jüngster Altkanzler Kurz wird wieder Kanzler. Nun geht Sebastian Kurz eine Koalition mit den Grünen ein. Kann das funktionieren? Wird diese Regierung fünf Jahre lang halten? Wir haben bei Paul Ronzheimer nachgefragt.

News: Sind Sie überrascht, dass es zu einer Türkis-Grünen Koalition kommt, Herr Ronzheimer?
Paul Ronzheimer: Nein, mir war schon nach der Wahl klar, dass das die einzig denkbare Option ist. Und ich war der Meinung, dass Sebastian Kurz viel früher als es einige wahrhaben wollten, erkannt hat: Mit dieser FPÖ ist kein Staat zu machen. Eine Fortsetzung von Türkis-Blau hätte insbesondere außenpolitisch einen schwerwiegenden Image-Schaden bedeutet. Und solange Politiker wie Herbert Kickl bei der FPÖ das Sagen haben, wäre es auch innenpolitisch hochriskant gewesen. Weil auch die SPÖ momentan kaum regierungsfähig erscheint, blieb also nur türkis-grün.

»Es überrascht mich, wie deutlich die ÖVP sich durchgesetzt hat«

Was sagen Sie zum Regierungsprogramm, dass Kurz und Kogler vorgestellt haben?
Auch wenn klar war, dass Kurz beim Thema Migration nicht nachgeben wird, überrascht mich dann doch, wie deutlich die ÖVP sich durchgesetzt hat, selbst in den Formulierungen. Generell scheint es tatsächlich so gewesen zu sein, dass Kurz von Anfang an gegenüber den Grünen klargemacht habt: Beim Kampf gegen den Klimawandel bekommt ihr alle Unterstützung, aber beim Thema Migration bleiben wir voll auf ÖVP-Kurs. Erstaunlich auch, dass die große Steuerreform fast genauso kommen soll wie geplant. Was die weiteren Themen angeht, muss man das Programm jetzt genau lesen. Ich denke, dass dort mehr grüne Akzente zu erkennen sind, als die ÖVP momentan zugibt. Insbesondere medial ging es bislang fast vor allem um die Migrations-Themen von Kurz, aber das könnte sich beim genauen Hinschauen noch ändern.

»Kurz kann sich vorzeitiges Ende nicht leisten«

Glauben Sie, dass diese Koalition die vollen fünf Jahre der Legislaturperiode halten wird?
Es wird sich zeigen, wie türkis und grün harmonieren. Fest steht, dass sich Kurz ein vorzeitiges Ende kaum leisten kann.

Wie viel Blaut steckt noch in dieser Koalition?
Die FPÖ in der Regierung ist Geschichte - und der sollte auch niemand hinterher trauern und so tun, als hätten sie irgendetwas mit dem Programm zu tun. Wie gesagt: Dass Kurz bei Migration und innerer Sicherheit hart bleibt, war klar. Dafür braucht es nicht die Blauen.

»Es ist für die Grünen Chance und Risiko zugleich«

Kommen wir zum Team rund um Werner Kogler. Welche Auswirkungen wird diese Regierung auf die Grünen haben?
Es ist für die Grünen Chance und Risiko zugleich. Sie können sich auf die Fahnen schreiben, eine erneute Koalition der ÖVP mit der FPÖ so verhindert zu haben. Und sie können Maßnahmen gegen den Klimawandel durchsetzen. Das Thema Migration birgt insbesondere dann Sprengkraft, wenn es zu einer erneuten großen Flüchtlingskrise kommen sollte.

Wäre Türkis-Grün ein Vorbild für Deutschland?
Absolut! Wobei ich mir momentan nicht vorstellen kann, dass die deutschen Grünen zu so einem rigiden Kurs in der Migrationspolitik bereit wären.

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Was sagen Sie als Kurz-Biograf: Wie grün ist Sebastian Kurz eigentlich?
Er ist bislang wenig aufgefallen mit grünen Initiativen. Aber als jemand, der teilweise aus dem Land aufgewachsen ist, als begeisterter Bergsteiger und Skifahrer, ist Unwelt immer ein Thema für ihn. Insofern glaube ich, dass er bereit ist, das Thema wirklich anzupacken, solange es nicht den Wirtschaftsstandort Österreich gefährdet.

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