Hermann Maier:
"Der Druck ist jetzt weg"

Hermann Maier hat sich nach seinem Abschied vom Schisport rar gemacht. Hier spricht er über sein neues Leben als Unternehmer, Galionsfigur in der Werbung und TV-Doku. Und warum er nie an ein Comeback gedacht hat.

von Interview - Hermann Maier:
"Der Druck ist jetzt weg" © Bild: Rudi Froese

Abgesehen von den Raiffeisen- TV-Spots und den Hermann-Maier-Universum-Folgen im ORF hat man von Ihnen zuletzt kaum etwas gesehen oder gehört. Da fragen sich natürlich viele: "Was macht der Maier eigentlich?" Also, was macht der Maier eigentlich?
Stimmt ja nicht. Ich bin immer noch ziemlich präsent, eben durch die Werbung und die Universum-Sendungen. Und dass ich mich versteck, dem ist überhaupt nicht so. Überall zu sein, ist auch nicht so meins, das war früher schon nicht der Fall und ist es jetzt auch nicht.

Was konkret, machen Sie sonst noch zum Brötchenerwerb? Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie zusammen mit Rainer Schönfelder auch Hotelier sind.
Nein, aus der Holding bin ich ausgestiegen. Das war eigentlich nur übergangsmäßig angedacht, weil der Betreiber des Hotels am Beginn nicht so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt haben. Dann haben wir es selbst in die Hand genommen und in St. Johann in Tirol steht noch ein Cooee-Hotel, das mir gehört.

Sie haben kürzlich erklärt, als Beruf würden Sie "selbstständig" angeben. Was darf man darunter verstehen?
Es dreht sich natürlich um meine jahrelangen Partnerschaften mit Raiffeisen, Universum und der OMV. Da steht schon der eine oder andere Termin im Kalender. Und diese Einsatzzeiten muss man halt durchplanen, auch im Snow Space Salzburg und mit meiner Heimatgemeinde Flachau. Das so zu ordnen, dass auch die Familie nicht zu kurz kommt, ist halt das Um und Auf.

»Ich kann also nicht sagen, nach neun Stunden lass ich etwas liegen.«

Aber Sie haben keinen klassischen Nine-to-Five-Job in einem Büro -auch wenn es Ihr eigenes ist?
Vor meiner Schizeit hatte ich ja einen Seven-to-seven-Job. Im Endeffekt setzt man sich wie im Sport seine Ziele, die man abarbeitet. Wichtig ist, effizient zu sein, damit andere Dinge nicht auf der Strecke bleiben. Aber als Sportler lernt man, einen Perfektionismus an den Tag zu legen. Ich kann also nicht sagen, nach neun Stunden lass ich etwas liegen. Als Selbstständiger geht das schon gar nicht, aber du hast zumindest den Vorteil, dir vielleicht die Termine selber einteilen zu können. Allerdings gibt es am Wochenende genauso den einen oder anderen Einsatz; nicht nur unter der Woche.

Sie haben einmal gesagt, Werbespots zu drehen, ist auch anstrengend und aufwendig. Warum?
Wenn einer wie ich am Anfang das Business nicht kennt und versteht, damit umzugehen, kann es durchaus auch anstrengend werden. Weil im Fernsehen sieht man eine Szene vielleicht ein paar Sekunden lang, aber der Aufwand rundherum ist natürlich enorm. Die Universum-Sendungen sind da recht heikel. Da muss alles passen, vom Wetter angefangen, die Wildtiere müssen genau da stehen, wo sie der Kameramann haben will, es muss die Botschaft rüberkommen und das Ganze lebt natürlich hauptsächlich von den Bildern. Einstellungen sind öfters zu wiederholen, das sollte ja Qualität haben. Als ich die ersten Werbespots gedreht habe, dachte ich mir, Wahnsinn, da ist wochenlanges Training einfacher.

Da ist vor allem Geduld gefragt, früher nicht immer Ihre Stärke.
Geduld ist etwas ganz Wichtiges, das lernt man einfach dabei. Der Vorteil ist, jetzt nach der aktiven Karriere, kann ich mehr Geduld aufbringen als damals, als ich immer auf ein bestimmtes Ziel hintrainiert habe. Die absolute Hochleistung, wie sie im Sport gefordert wird, wo natürlich Gefahren dabei waren, die fallt jetzt weg.

Noch einmal zur ORF-Universum- Serie "Hermann Maier: Meine Heimat". Da waren Sie als Salzburger ja auch im Osten Österreichs unterwegs -wer sucht denn die Regionen aus?
Natürlich sind die Regionen vorgegeben. Es müssen ja möglichst viele Bundesländer in Szene gesetzt werden. Aber das alles ist meine Heimat, es ist ja Österreich. Das ist ja doch überschaubar. Andererseits merkt man wieder, wie weitläufig unser Land ist. Speziell, wenn man da in die Bergregionen reinkommt.

Stichwort Berge: Schnallen Sie überhaupt noch oft die Alpin-Brettln an?
Immer. Ich schnalle jegliches Sportgerät an den Füßen an. Ganz egal, was es ist.

»Massentourismus wird in diesen Regionen, wo ich mich bewege, nie passieren«

Fahren Sie heute mit einem ganz anderen Tempo bergab als früher?
Ich fahr so, wie's halt grad passt. Natürlich steht das Genießen jetzt ganz eindeutig im Vordergrund, vor allem bei Schitouren. Das Auto kann dabei eine große Aufstiegshilfe sein, wenn unten kein Schnee liegt. Und dann ist mir das Herunterfahren sicherlich immer noch lieber als das Raufgehen. Was immer dabei sein sollte, ist ein bissl Abenteuer. Auch wenn es nur ein kleines ist, aber das gehört einfach dazu.

Wie stehen Sie zu den Problemfeldern Massentourismus - unberührte Natur -Klimawandel?
Massentourismus wird in diesen Regionen, wo ich mich bewege, nie passieren. Einfach, weil der Hochalpinismus zu schwer einzuschätzen ist. Die Mehrheit der Menschen möchte ja absolute Sicherheit. Und die gibt es eben auf den Pisten. Darum spielt sich der Massentourismus dort ab. Gewisse Dinge passieren außerdem nicht von heute auf morgen. Es kommt der Klimawandel nicht von heute auf morgen, es kommt auch der Tourismus nicht von heute auf morgen. Man hat sich auf viele Dinge schon einstellen müssen und wir werden uns weiter auf alles einstellen. Allein, dass man sich Gedanken darüber macht, sehe ich sehr positiv. Es wird künftig zu diesen Themen mehr und tiefergreifende Überlegungen geben. Und wenn Überlegungen und sich daraus ergebende Handlungen dahinter sind, geht es in Richtung Perfektionismus. Trotzdem -in hochalpine Regionen kommt der sogenannte Massentourist nie und nimmer hin. Diese Bereiche werden unberührt bleiben.

Sie sind relativ spät, mit 24, in den Weltcup gestartet, haben dann aber zwei olympische und drei WM-Goldmedaillen geholt und dazu 54 Weltcuprennen und vier Gesamt-Weltcup-Kugeln gewonnen. War Ihr Leben so betrachtet, ein einziges, tolles Abenteuer?
Sicherlich. Bis jetzt auf alle Fälle. Ob es immer ein tolles Abenteuer war, ist eine andere Frage. Aber es ist natürlich sehr abenteuerlich, das war es und ist es nach wie vor. So sollte einfach das Leben sein, auch wenn man sich nicht immer alles aussuchen kann. Ich hab's probiert, es so zu machen und zu gestalten, teilweise mit viel Aufwand, um dahin zu kommen, wo ich mir immer gewünscht habe, hinzukommen.

Was würden Sie sagen, war Ihr absolutes Highlight? Das, hoffe ich, liegt schon noch vor mir. Und der Tiefpunkt war der Motorradunfall?
Kann man auch nicht sagen. Ich hoffe, der Tiefpunkt liegt nicht auch noch vor mir. Aber es werden Tiefschläge kommen, sonst wäre es nicht das Leben. Da kommen noch Dinge daher. Man kann sich natürlich einsperren und sagen: Ich mach's lieber nicht, weil dann kann auch nix passieren. No na. Aber ich bin lieber der, der's probiert und dann kann natürlich auch was sein.

Ein ganz tolles Abenteuer muss die Südpol-Expedition gewesen sein. Erzählen Sie bitte kurz darüber.
Es ist der kälteste und höchstgelegene Kontinent, durchgehend auf 3.000 Metern. Allein daher gibt es Herausforderungen, die man sich hierzulande gar nicht vorstellen kann. Diese riesige Eiswüste ist außerdem völlig unbesiedelt, dagegen ist Kanada dicht bewohnt. Man kann nur sagen, wenn jemand seine absolute Ruhe haben will -und das wollen ja viele haben -lautet meine Empfehlung, zum Südpol zu wandern. Da trifft man garantiert monatelang keinen Menschen.

Mussten Sie dort an die Grenzen Ihrer physischen und psychischen Kräfte gehen?
Nein, an die Grenzen bin ich nicht gegangen. Das glaub ich, schaut dann noch ein bissl anders aus. Aber wo liegen die Grenzen? Die psychische Herausforderung ist, dich auf die Gegebenheiten einzustellen, das ist das Schwierige. Und das hab ich relativ gut hinbekommen. Ich hab relativ schnell gelernt, wie man sich darauf einzustellen hat. Aber natürlich ist das eine Gegend, wo halt nicht viele Fehler passieren sollten, weil man da keine Möglichkeit hat, sich irgendwie mit Nahrung zu versorgen. Das muss man natürlich alles dabeihaben, weil sonst ist's öha.

»Und irgendwie bin ich dann nie mehr dazugekommen, darüber nachzudenken, ob ich vielleicht ein weiteres Comeback mach«

Warum haben Sie im Unterschied zu einem Lauda, zu einem Muster oder zu einem Schumacher nie ein Comeback angestrebt?
In Wahrheit hab ich das sogar ein paar Mal hinter mich gebracht. Erstens war ich ein Späteinsteiger - das war gewissermaßen schon ein Comeback. Und dann war während meiner Karriere nach dem Motorradunfall ein weiteres Comeback notwendig. Irgendwann ist's dann einmal genug. Von dem her hab ich schon gewusst, wann's zum Aufhören ist - ich hab mich damals ja nicht grundlos verabschiedet. Die letzte Risikobereitschaft war nicht mehr so vorhanden. Und irgendwie bin ich dann nie mehr dazugekommen, darüber nachzudenken, ob ich vielleicht ein weiteres Comeback mach.

Aber auf Ihre Karriere schauen Sie freudigen Blicks zurück?
Sowieso!

Dieses Interview ist ursprünglich im Lifestyle-Magazin Lifedrive (2019/2020) erschienen!