DJ Ötzi: "Ich habe
drei Stunden geweint"

Gerry Friedle hat mit seinem Alter Ego DJ Ötzi endgültig Frieden gemacht. Den Weg dahin schildert er im News-Interview.

von Interview - DJ Ötzi: "Ich habe
drei Stunden geweint" © Bild: News Ricardo Herrgott

News:Herr Friedle, Sie stehen am Ende Ihrer „Gipfeltour“, auf der Sie in Österreichs beliebtesten Wintersportorten auftraten – war das auch ein Weg zurück zu Ihren Anfängen?
Gerry Friedle: Es war eine ganz bewusste Entscheidung, zurück zu meinen Ursprüngen zu gehen, denn so bin ich wieder zu meiner alten Kraft gekommen. Die Frage war: Wie und wo bin ich wieder voll bei mir? Und ein Konzert zu spielen und danach ein zweistündiges DJ-Set, das erfüllt mich total.

Hat sich denn, während Sie im Vorjahr den Jakobsweg marschierten, irgendein zentraler Gedanke, eine Art persönliches Leitmotiv, herauskristallisiert?
Es gab da eine ganz wichtige Situation, in der ich fast drei Stunden hindurch weinte, aber nicht traurig war – sondern glücklich, das machen zu dürfen. Das war eine Erfahrung, die ich zuvor so noch nicht gemacht hatte. Es hat sich in mir so viel reguliert und ausbalanciert, ohne dass ich bewusst daran gearbeitet hätte. Ich habe es einfach fließen lassen. Das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Ich habe da eine Dame kennengelernt, eine Endfünfzigerin, bei der ich mir zunächst dachte: „Die brauche ich jetzt überhaupt nicht.“ Aber dann wurde sie zu meinem Spiegel …

Erzählen Sie.
Sie ist mir nachgelaufen und hat mir meinen Rhythmus genommen, und das sollte beim Wandern keiner. Und dann kam die Frage, ob ich es wirklich bin – nicht einmal, sondern zehnmal. Diese Frau war sehr, sehr fordernd, und das wollte ich nicht, weil es einfach nicht passte. Das hat mir extrem viel Energie entzogen. Am Tag darauf traf ich sie zufällig wieder, in meiner Unterkunft beim Frühstück. Dort stand im Hof ein Zitronenbaum, und sie fragte mich, ob ich vielleicht auch Zitronenenwasser möchte – da habe ich meine schlechten Gedanken heruntergefahren, und wir sind zu den besten Freunden geworden. Die Quintessenz des Ganzen war: Gerry, du musst die Dinge laufen lassen, nicht sofort Vorurteile aufbauen. Und – du musst nicht immer die Leute unterhalten, nur weil du der DJ Ötzi bist, sei entspannter, sei ein bisserl erdiger. Du kannst dich nicht weiterentwickeln, wenn du immer in diesem Tunnel des Entertainments bist. Lass’ einmal du dich unterhalten, hole tief Luft. Ich war der ungeschminkte Gerry ohne Mützerl oder Kapperl, die Person, die losgelöst ihren Weg gegangen ist – das war eine einmalige Erfahrung.

»Gerry stellt sich nicht mehr hinten an, Ötzi ist nicht mehr zu weit vorne«

Die öffentliche Figur DJ Ötzi muss ich dem Menschen Gerry Friedle mehr Raum geben – war das Ihre wichtigste Erkenntnis?
Das sind nicht zwei verschiedene Menschen, das wäre ja fast schon skizophren. Der mit dem Mützerl und der ohne gehören zusammen, aber der Gerry stellt sich jetzt nicht mehr hinten an, und der DJ Ötzi ist nicht mehr zu weit vorne. Die beiden zusammenzuführen, war das Schwierigste überhaupt – weil sich der eine zu wenig traute und der andere vielleicht zu viel.

Wie meinen Sie das?
Am Jakobsweg war ich das erste Mal so richtig stolz auf mich – weil ich es gemacht habe, weil ich es durchgezogen habe. Diese Selbstweifel von früher waren mit einem Mal wie weg. Wenn ich beispielsweise früher am Oktoberfest war und in einem Zelt Tausende meine Lieder gesungen haben, war mir das gar nicht recht, weil ich mir immer dachte: Das hat nichts mit mir zu tun. Das kann ja nicht sein, dass ich kleine Figur das auslöse.

© News Ricardo Herrgott Nachdenklich und selbstreflektiert: Jenseits der Bühne gibt Gerry Friedle den Gegenpart zu seiner extrovertierten Bühnenfigur DJ Ötzi

Sie haben mit „Ein Stern“ die erfolgreichste deutschsprachige Single der letzten dreißig Jahre produziert. Und da brauchen Sie den Jakobsweg, um auf sich stolz zu sein?
Ja – weil ich meine Erfolge immer mit anderen Menschen und anderen Situationen verbunden habe als nur mit mir. Mittlerweile weiß ich, dass das sehr, sehr wohl mit mir zu tun hatte und hat – und das habe ich zuvor nicht gewusst. Ich weiß, ich bin was wert, deswegen finde ich es wunderbar, wenn die Menschen meine Lieder singen, das gibt mir jetzt Kraft. Und das Gefühl, ich kann alles erreichen, was ich will. Jetzt habe ich meine Gipfeltour gemacht, vielleicht spiele ich in fünf Jahren im Happel-Stadion – wer will mir das verbieten? Wer will mir einreden, dass ich das nicht schaffen kann? Früher hätte ich mir das nicht zugetraut, viel zu groß. Und kommen die Leute wegen mir überhaupt? Früher dachte ich, das können andere ja viel, viel besser, aber jetzt habe ich habe keine inneren Schranken mehr.

Warum versuchen Sie nicht, Ihre Erkenntnisse künstlerisch zu verarbeiten, weg von der Partymusik, hin zur Verarbeitung Ihrer ganz persönlichen Lebenserfahrung?
Die Musik, die ich mache, ist die, die ich liebe. Ich stehe dazu zu hundert Prozent. Du kannst dich in dem Bereich, in dem ich bin, nicht so weit ändern, dass dir vielleicht keiner mehr folgt, dass keiner mehr auf dich eingeht.

Warum nicht? Haben Sie das Gefühl, dem Publikum, das von Ihnen ganz großes, ganz breites Entertainment erwartet, etwas zu schulden?
Ich sehe das nicht als Schuld. Schuld ist da ganz, ganz weit weg. Mein Publikum hat mir alles gegeben, Liebe, Anerkennung. Da soll ich dann plötzlich sagen „So, jetzt mache ich alles anders“? Das finde ich total uncool. Nein, ich fühle mich nicht schuldig, sondern dankbar.

Aber ist es für einen Künstler nicht lähmend, die Erwartungshaltung des Publikums immer mitdenken zu müssen?
Nein, nein, mein Gefühl hat mit Konstruieren und Zusammenfügen nichts zu tun. Mein Gefühl ist nicht Berechnung, ich richte mich nicht nach Mehrheiten, sondern nur nach meiner Emotion. Wenn ich spüre, wow, es zieht bei mir Gänsehaut auf, nicht nur an den Armen, sondern am ganzen Körper, dann weiß ich: Das ist ein guter Song.

»Von 100 angebotenen Songs nehme ich vielleicht zehn«

Ein guter Song, geschrieben von einem anderen Songwriter?
Es kann wer der beste Schreiber sein, aber zu spüren, was ein Hit ist, kann er vielleicht nicht – das ist meine Kunst, und das können nicht allzu viele. Meine größten Hits entstammen meinem ganz persönlichen Gefühl: „Ein Stern“ etwa rangierte zuvor und ferner liefen. Aber ich habe entschieden, da Energie hineinzustecken, habe entschieden, es als Duett zu machen. Ich hätte ja genauso gut die ganze Kohle für mich einstecken können, aber das wollte ich nicht, weil es sich für mich nicht richtig anfühlte. Auch „Hey Baby“ habe ich nur nach meinem Empfinden gemacht, niemand, auch nicht die Plattenfirma, wollte das ursprünglich. Denn damals war ich für alle noch der „Anton aus Tirol“.

Aber bekommen Sie nicht auch viel Müll angeboten?
Von 100 angebotenen Songs nehme ich vielleicht zehn, weil ich sie spüre. Nur zur Klarstellung: Nichts von dem, was ich angeboten bekomme, ist Müll, alles ist gut, nur Manches ist es eben nicht gut genug für mich. Ich habe ein Gefühl dafür, vielleicht ist es Eingebung. Das ist meine Stärke – warum sollte ich aus der eine Schwäche machen und so vielleicht mein Gefühl verlieren? Ja, mir fehlt noch der Mut zum Songwriting, noch traue ich mir das nicht wirklich zu. Früher habe ich Menschen, die das können, beneidet, heute bewundere ich sie.

Man liest, Ihre knapp sechzehnjährigejährige Tochter ist stimmlich durchaus begabt. Würden Sie Ihr denn zum Showbiz raten?
Sie bekommt die Schlagseiten mit, weil der Papa fast immer nur unterwegs ist. Ich sage ihr immer: „Schau, dass du in der Schule gut bist, dass du dich weiterentwickelst, dass du so viel wie möglich lernst, das macht dich viel unabhängiger.“ Aber wenn sie das wirklich will – sie ist fast jeden Tag in unserem kleinen Kellerstudio, um zu singen, um sich zu entspannen. Das macht sie glücklich, und alles, was sie glücklich macht, ist richtig.

Sie sagen, dass Sie am Jakobsweg Ihre innere Mitte wiedergefunden haben. Gehört dazu nicht auch, Ihre Mutter, zu der Sie nie Kontakt hatten, zu einem Teil Ihres Lebens zu machen?
Ich blende diesen Teil meines Lebens nicht aus, sie wohnt nur ein paar Kilometer entfernt, und ich habe sie einmal getroffen. Und sie ist auch in Salzburg zu meinen Konzerten gekommen. Ihr Mann sagte einmal zu mir: „Bring sie jetzt nicht durcheinander, sie ist glücklich mit ihrem Leben – und das habe ich respektiert.“ Ich will ihr den Respekt entgegenbringen, dass sie in der Welt, in der sie lebt, glücklich sein darf und ich in meiner. Sie war gerade siebzehn, als ich auf die Welt gekommen bin, und sie hatte keine Familie, niemanden. Gerade weil ich selbst eine Tochter habe, konnte ich mir lange nicht vorstellen, wie man sein Kind hergeben kann. An dieser Ablehnung habe ich lange gearbeitet. Sie hat mich weggeben, aber sie hat auch zugelassen, dass ich mich selber entwickle, und das war wahrscheinlich eine richtige Entscheidung. Wer weiß, wo unsere Reise sonst hingegangen wäre. Dieses Bild will ich für mich behalten, es ist stimmig und ruhig und frei von negativen Gedanken.

Die ganze Geschichte "Krieg und Friedle" lesen Sie in News 14/18.

Kommentare

Über soviel Schwachsinn kann man ja nur mehr weinen! Reine Selbstdarstellung und Werbung!

Habe jetzt 3 Stunden lacht gelacht, und das nur wegen der Headline :)

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