Candace Bushnell:
Das bin doch nicht ich!

Vor 20 Jahren hat sie "Sex and the City" erfunden - und ist immer noch stolz darauf

Mit "Sex and the City" schrieb Candace Bushnell Fernsehgeschichte. Heute weiß sie, dass Männer nicht die Antwort auf alles sein können. Jungen Frauen rät sie schwer davon ab, ihr Geld in Schuhen anzulegen.

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Interview - Candace Bushnell:
Das bin doch nicht ich!

Carrie Bradshaws Geburtsstätte ist nicht mehr. Die amerikanische Tageszeitung "The New York Observer", in der eine Singlefrau vor rund zwanzig Jahren in unverkrampften Kolumnen ihre Suche nach der großen Liebe beschrieb, stellte kürzlich ihre Printausgabe ein. Die Kolumne hieß "Sex and the City", die Autorin Candace Bushnell. Ohne Maulkorb schrieb die damals 38-Jährige gegen männliche Diktate der Datingwelt an, tabulos und detailreich schilderte sie sexuelle Erlebnisse.

Das Alter Ego mit ihren Initialen, Carrie Bradshaw, erweckte Bushnell zum Leben, als ihre Kolumnen verfilmt werden sollten. Die Protagonistin brauchte ein Gesicht und einen Namen, denn Bushnell will ihre Geschichten nicht autobiografisch verstanden wissen. Carrie war's, nicht sie. "Was ich schreibe, ist nicht mein Leben, sind nicht meine Gedanken", sagt Bushnell. "Ich bin eine sehr gute Beobachterin. Ich schaue, was andere tun und ob sich das für sie ausgeht oder nicht." Die Auslöschung der Zeitung, die ihren Ruhm und Reichtum begründete, ist für diese Frau ganz unsentimental eine "wirtschaftliche Entscheidung". Kein Grund, Tränen zu vergießen.

Ein Strahlen in Bushnells Augen zeugt von Leidenschaft, wenn sie über ihre Schöpfungen Carrie, Samantha, Miranda und Co. spricht. Etwa von ihrer Lieblingsszene, in der Charlotte auf einer Party mit Feuerwehrmännern im Morgengrauen betrunken ruft: "Wo ist er jetzt hin? Ich habe zwanzig Jahre lang auf ihn gewartet!" Aber selbst diese Emotion wird im nächsten Moment zurechtgestutzt. "Natürlich bin ich dankbar für den Erfolg, und er macht mich stolz. Aber ich definiere mich nicht über die Außenwelt", sagt Bushnell über die Serie, die sieben Emmy Awards und acht Golden Globes gewann und sie zur Bestsellerautorin von acht Büchern machte. Über den Ruhm, von dem andere zehn Leben bestreiten würden, meint sie: "Glitzer und Glamour schreiben nicht mein nächstes Buch für mich."

Die Single-Frau als Heldin

Die zierliche Blondine, die gerade 58 Jahre alt wurde, spricht mit der rauen Stimme einer Frau, die jahrzehntelang mühelos die Musik in Manhattans schicksten Clubs übertönte. Da, wo sie mit 19 Jahren aus der 30.000-Einwohner-Stadt Glastonbury in Connecticut hinzog, um im Studio 54 abzuhängen und als Journalistin Fuß zu fassen. Da, wo man früher unkompliziert Männer treffen konnte. Auf der Straße, wo Carrie zuerst Mr. Big traf, oder bei einer Ausstellung, wo sie Aleksandr Petrovsky begegnete. "So etwas ist damals wirklich passiert. Es war so einfach, Männer zu treffen", sagt Bushnell.

Immerhin -und so viele Parallelen gibt es dann doch zwischen Carrie und Candace - wurden zwei von Carries großen Lieben von Männern der Autorin inspiriert. Mitte der 90er war zwei Jahre lang der Zeitschriftenverleger Ron Galotti ("Vogue", "GQ","Vanity Fair") der Mann an Bushnells Seite - bevor er sich in der Figur des Mr. Big wiederfinden durfte. 2002 dann traf Bushnell Charles Askegard, einen Solotänzer des New York City Ballet, der zehn Jahre jünger ist als sie und acht Wochen nach dem ersten Treffen ihr Ehemann wurde. Er soll die Figur des egomanischen Künstlers Aleksandr Petrovsky inspiriert haben.

Bushnell war 53 Jahre alt, als die Ehe mit Askegard in die Brüche ging. Sie nennt diese Erfahrung nach zehn Jahren Ehe eine desorientierende Phase. "Wenn du verheiratet bist, hast du für andere einen nachvollziehbaren Platz in dieser Gesellschaft und bist kreditwürdig", erzählt sie. Und dann redet sie davon, wie rasch sich das nach der Scheidung änderte, als sie plötzlich keine Hypothek mehr bekam: "Das Single-Dasein ist hart. Es hat etwas Heroisches an sich." Bushnell verbrachte es vorerst auf dem Land. Nach der Scheidung verließ sie New York City und zog nach Roxbury in Connecticut, wo sie einen Landsitz aus dem Jahr 1830 kaufte, zwei weitere Bücher schrieb und ihrem Hobby Dressurreiten viel Zeit einräumte.

Als sie voriges Jahr, nach zwölf Jahren ohne Dating-Erfahrungen, für eine Auftragsarbeit der "Cosmopolitan" den Internetdienst Tinder ausprobierte, war die Autorin verblüfft. "Das Internet sollte Dating vereinfachen, macht es aber schwieriger. Jeder Mensch wird dort zur Ware. Eine Tinder-Nutzerin hat mir erklärt, sie müsse online ihre Marke verbessern. Ihre Marke? Hallo?" Und dann sagt sie etwas, was nahelegt, dass die Alles-oder-nichts-Figur der Carrie vielleicht ja wirklicher ferner von Bushnells Leben ist, als man denkt. Sie sagt also: "Mehr Wahlmöglichkeit macht nicht unbedingt glücklicher. Manchmal ist es gut zu sagen: Schau, dass es mit dem funktioniert, der da ist. Wie heißt es so schön? Love the one you are with."

Wenn sie darüber spricht, dass sie wirklich keinen Partner sucht und sich als Single fantastisch fühlt, hört man heraus, dass sie zu oft danach gefragt wird. "Nein, wirklich", sagt sie. "Ich habe mein ganzes Leben auf Dates verbracht. Ich weiß, dass ein Mann nicht die Antwort ist." Vor Kurzem ist sie nach Sag Harbor in den Hamptons gezogen, um wieder näher bei New York City zu wohnen und weil Freundinnen dort leben. Die Gespräche mit ihnen drehen sich selten um Männer. "Wir suchen die Antworten in uns statt in der Bestätigung durch andere. Außerdem gibt es diesen Punkt im Leben, an dem du nicht mehr nach einem goldenen Ring suchst, sondern nach etwas Tieferem."

Ab 50 Jahren unsichtbar

Diese Frau hat gelernt, mit harten Bandagen zu kämpfen. "Tough cookie" nennen sie solche in den USA, einen zähen Knochen. Unumwunden gibt sie zu, dass ihre Investitionen in Dressurpferde ihr größter Fehler waren ("too much money!"). Verbittert wirkt sie deshalb nicht. Dass männliche Karrieren unterstützt und langfristig geplant werden, während Frauen oft zu hören bekommen: "Sei doch froh, wenn du überhaupt eine Chance bekommst", konstatiert sie ganz sachlich. Nur, dass wir Frauen nicht glauben, die Welt hätte sich geändert.

Auch die durchwachsenen Kritiken ihres jüngsten Buchs "Killing Monica" hat sie weggesteckt. Darin beschreibt sie die Hassliebe einer Autorin zu einer von ihr erfundenen Serienfigur. In ihrem nächsten Buch erforscht Candace Bushnell das Leben von Frauen jenseits der 50. "Wenn Frauen diese Grenze erreicht haben, werden sie für die Gesellschaft unsichtbar. Es gibt nicht einmal demografische Erhebungen jenseits der 50, weil wir als Zielgruppe uninteressant sind. Das ist eine große Frustrationsquelle", sagt sie.

Carrie Bradshaw war dafür bekannt, ihr ganzes Geld in sündteuren Schuhen der Marke Manolo Blahnik anzulegen. Umso überraschender kommt der Rat, den Candace Bushnell jungen Frauen mit Nachdruck erteilt: "Kümmert euch ernsthaft rechtzeitig um eure Finanzen. Ich weiß, das will niemand hören, aber Geld ist das Einzige, was euch Macht über euer Leben gibt. Fangt an zu sparen, jetzt!"
Carrie könnte nicht ferner sein.

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