Relocation-Programm
wird zur Chefsache

Kern will EU persönlich überzeugen - Regierung hat Integrationspaket beschlossen

Bundeskanzler Christian Kern will jetzt persönlich in Brüssel erreichen, dass Österreich an der "Relocation"-Flüchtlingsumverteilung der EU vorerst nicht teilnehmen muss. Diese Ansage des SPÖ-Chefs war von beinahe grotesken Streitereien rund um den Ministerrat begleitet. Die ÖVP glaubt, dass Kern mit seinem Ansinnen wenig Chancen auf Erfolg hat. Erste Aussagen aus der EU deuten in diese Richtung.

von
Flüchtlinge - Relocation-Programm
wird zur Chefsache

Das "Relocation"-Programm verpflichtet Österreich, rund 1.900 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen. Seit Tagen läuft die SPÖ angeführt von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil dagegen Sturm, auch nur die zunächst geplante Aufnahme von 50 Jugendlichen durchzuführen. Die ÖVP, vertreten von Innenminister Wolfgang Sobotka freut sich zwar auch nicht darüber, wäre aber bereit die Verträge einzuhalten. Wenn der Kanzler dies nicht wolle, müsse er das selbst in Brüssel erledigen, lautet seit Tagen der Tenor.

Rupprechter spricht von "Kasperltheater"

Den Ministerrat nützten die schwarzen Minister, um gleich noch einmal nach zu legen. Besonders ambitioniert zeigte sich Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, der forsch auf die wartenden Journalisten los schritt, um von einem "Kasperltheater" in der SPÖ zu berichten. Immerhin habe Kanzler Kern drei Mal auf EU-Ebene für die Verteilaktion geworben. Diesen Meinungsschwenk bewertete Rupprecher mit dem französischen Begriff "tourner le cou", was auf Deutsch so viel wie "Wendehals" heißt.

Auch Klubobmann Reinhold Lopatka wollte Kern nicht aus der Verantwortung lassen. Immerhin habe dieser vor kurzem erst Polen wegen unsolidarischem Verhalten gedroht. Die logische Konsequenz wäre nun wohl, dass der Kanzler auch Sanktionen gegen Österreich fordere. Während Außenminister Sebastian Kurz lieber nur zum Integrationsgesetz sprach, äußerte auch Finanzminister Hans Jörg Schelling sein Erstaunen über die Positionierung des Koalitionspartners. Innenminister Wolfgang Sobotka war für einmal diskussionsverhindert, er weilte dienstlich im Ausland.

Mitterlehner wenig optimistisch

Nicht gerade optimistisch ist Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der sich während des Kern-Statements quasi von hinten anpirschte und dem Vortrag des Kanzlers dabei grinsend lauschte: "Ich glaube nicht, dass das gelingen kann", meinte er zur Kern-Initiative. Tatsächlich schaut es nicht allzu gut aus. Kein Land könne sich aus der Umverteilung zurückziehen, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag: "Nun wird von Österreich erwartet, seine Verpflichtungen vollständig im Rahmen der Relocation umzusetzen".

Im Ministerrat war indes das Pulver verschossen. Die Regierungskoordinatoren Thomas Drozda und Harald Mahrer wollten sich im Debriefing nach dem Ministerrat nicht recht zum Streit rund um die EU-Flüchtlingsverteilung äußern. Das Thema sei von der Regierungsspitze schon inhaltlich beantwortet worden, verwies Drozda auf das Statement von Kern zuvor. Aus Drozdas Sicht könne aber von einem Ausstieg Österreichs aus dem "Relocation"-Programm ohnehin keine Rede sein. Es gehe um einen Aufschub, da Österreich sich pro Kopf am solidarischsten verhalten habe. Mahrer sagte, ein sehr belastetes Land könne nicht zusätzlich belastet werden. Andererseits habe man sich an Vereinbarung zu halten. Das Thema sei "intensiv debattiert worden in der Sitzung, das wollen wir gar nicht verheimlichen", gestand Mahrer den Zwist in der Koalition.

Integrationspaket beschlossen

SPÖ und ÖVP hatten sich Montagabend auf letzte Details ihres Integrationspakets geeinigt. Die Regierungspläne sehen unter anderem ein verpflichtendes Integrationsjahr, mehr Deutsch-und Wertekurse sowie gemeinnützige Arbeit für Asylberechtigte vor. Außerdem bleibt es beim umstrittenen Burkaverbot im öffentlichen Raum sowie den Einschränkungen bei der Koranverteilung.

Das Integrationsgesetz, das heute im Ministerrat beschlossen wurde, umfasst eine Sammlung von mehreren Gesetzen und war das erste Paket, das die Bundesregierung nach dem Update des Regierungsprogramms in Begutachtung geschickt hatte. Es sieht die gesetzliche Absicherung von Deutschkursen sowie den Ausbau von Deutsch- und Wertekursen im Rahmen eines Integrationsjahrs vor. Dazu gehört auch die vom Integrationsminister Sebastian Kurz geforderte verpflichtende gemeinnützige Arbeit für asylberechtigte Mindestsicherungsbezieher - Stichwort 1-Euro- bzw. 0-Euro-Jobs. Auf SPÖ-Seite spricht man im Zusammenhang mit dieser gemeinnützigen Tätigkeit lieber von "zeitlich befristeten Arbeitstrainings".

Burkaverbot sorgte für meiste Kritik

Im Falle der Verweigerung von Deutsch- oder Wertekursen kann es künftig zu Kürzungen bei der Mindestsicherung kommen. Für Drittstaatsangehörige sind darüber hinaus Änderungen bei der Integrationsvereinbarung vorgesehen, Werte werden demnach Teil der Integrationsprüfung. Durchgesetzt hat sich ÖVP-Minister Kurz mit seiner Forderung nach einem Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum. Das Burkaverbot hatte im Begutachtungsverfahren für die meiste Kritik gesorgt, wurde aber letztlich auch von der SPÖ nicht infrage gestellt. Weiters hat man sich auf Einschränkungen bei der Koranverteilung durch Salafisten geeinigt.

Auf Seiten der zuständigen Staatssekretärin Muna Duzdar zeigte man sich nach der Einigung vor allem damit zufrieden, dass die Finanzierung des Integrationsjahrs für anerkannte Flüchtlinge - für die Jahre 2017 und 2018 sind das je 100 Millionen Euro - sichergestellt werden konnte. Durch die Öffnung und Ausweitung des Dienstleistungsschecks für Asylwerber ab dem dritten Monat nach Beginn ihres Verfahrens können diese künftig zudem legal beschäftigt werden. "Für uns ist das Integrationsjahr ein Paradigmenwechsel, weil erstmals auch Asylwerber in die Maßnahmen einbezogen werden", hieß es aus dem Büro Duzdars.

Regierung freut sich auf "neue Ära"

Abseits des weiter schwelenden Streits um das Relocation-Programm freut sich die Regierung, zumindest das neue Integrationsgesetz im Ministerrat fixieren zu können. Staatssekretärin Muna Duzdar meinte: "In Österreich beginnt eine neue Ära der Integrationspolitik." Außenminister Sebastian Kurz erkennt nun bessere Rahmenbedingung für den langen und schwierigen Weg der Integration.

Teil des im Paket enthalten Integrationsjahres ist ein Arbeitstraining für Asylberechtigte bzw. Asylwerber mit guten Anerkennungschancen. Eine Extraentlohnung wird es dafür nicht geben, stellten die Regierungsverhandler am Dienstag vor der Regierungssitzung klar: "De facto sind es Null-Euro-Jobs", erklärte Kurz. Damit müssen sich die Flüchtlinge mit der Mindestsicherung bzw. Grundversorgung begnügen.

»In Österreich beginnt eine neue Ära der Integrationspolitik«

Dafür gibt es eine Entschädigung für die Trägerorganisationen, die die entsprechenden Jobs anbieten. Für sie soll es 120 Euro pro Monat und Arbeitskraft geben, hieß es aus dem Büro Duzdar.

Dass es auch beim Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit geblieben ist, stört nunmehr auch die SPÖ nicht mehr. Sowohl Klubchef Andreas Schieder als auch Duzdar betonten, schon immer gegen die Vollverschleierung gewesen zu sein.

Geeinigt hat man sich schließlich auch noch auf ein Koranverteilungsverbot im öffentlichen Raum. Geregelt wird dies grundsätzlich über die Straßenverkehrsordnung, zusätzlich gibt es einen Verweis auf das Sicherheitspolizeigesetz, um zu verhindern, dass die Koranverteiler beispielsweise auf Parks ausweichen können.

Besonders positiv hervorgehoben wurde - sowohl von Kurz als auch von Duzdar - der Ausbau der Sprachförderung sowie, dass nunmehr mit der Integration schon ab dem ersten Tag begonnen werde.

Kommentare

Oliver-Berg

Könnte man bitte auch mal in der Berichterstattung erwähnen, was nun verboten ist: nur die Burka oder auch der Tschader, mit dem Touristen aus islamischen Ländern einreisen. Eine Klarstellung wäre auch im Sinne der Tourismuswirtschaft sinnvoll.

Oliver-Berg
Oliver-Berg melden

Mit 2 Jahren Verspätung beschließt unsere Regierung endlich dass, was schon beim Massenansturm längst getan hätte werden sollen. Es heisst auch nicht re(a)gieren und nicht proaktiv agieren. Danke Kurz.

Rene Wien melden

Tja mag auch gut möglich sein, das die Zahlenjongleure jetzt über Ihre eigenen Zahlen stolpern.. wir habm ja nur grade einmal die 37tausend voll.. oda ;) na denn geht dann dot not wat ;)

Seite 1 von 1