Zukunftsfrage von Air Berlin

Deutsche Regierung nennt Ryanair-Kritik abwegig

Air Berlin-Chef Thomas Winkelmann will einen "Großteil" der Jobs sichern. Die Zukunftsfrage werde zügig gelöst.

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Insolvenz - Zukunftsfrage von Air Berlin

Das Insolvenzverfahren für Air Berlin beginnt nach Erwartung der Airline am 1. November. Wie der neue Generalbevollmächtigte, Frank Kebekus, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur sagte, bekommen die Beschäftigten aber im August, September und Oktober wie gewohnt ihr Gehalt. "Damit sie nicht bis zum November warten müssen, finanzieren wir das Insolvenzgeld mit einer Bank vor."

Der Jurist Kebekus führt mit Vorstandschef Thomas Winkelmann auch die Verkaufsverhandlungen für die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft. Sein Ziel sei ein höchstmöglicher Schutz für die Arbeitnehmer, sagte Kebekus. "Aber es muss auch in das wirtschaftliche Konzept des Übernehmers passen."

Ryanair-Chef kritisiert Vorgehensweise

Ryanair-Chef Michael O'Leary fuhr am Mittwoch schwere Geschütze gegen Deutschland und die Lufthansa auf: Er wirft Deutschland und Lufthansa ein unfaires Vorgehen nach der Insolvenz von Air Berlin vor. "Das ist ein völlig abgekartetes Spiel", sagte O'Leary am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.

"Es geht nur darum, Ryanair daran zu hindern, in Deutschland weiter zu wachsen, aber das wird uns nicht aufhalten." Mit einer Übernahme der Nummer zwei unter den deutschen Fluggesellschaften könne die Lufthansa nach seinen Berechnungen ihren Marktanteil bei Inlandsflügen auf 95 von 68 Prozent ausbauen, insgesamt käme sie damit in Deutschland auf 60 statt wie bisher 47 Prozent. "Das würde jede bekannte Kartellgrenze in Deutschland und der EU verletzen", sagte O'Leary.

Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann macht den Mitarbeitern des insolventen Unternehmens Hoffnung auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. "Ich glaube, trotz Insolvenz mein Ziel zu erreichen und einen Großteil der Jobs zu sichern. Das kriegen wir hin", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit" (Vorabbericht am Mittwoch). Der Schritt sei unvermeidlich gewesen.

Wie geht es mit Air Berlin weiter?

"Eine Insolvenz ist immer eine schlechte Nachricht, das ist kein zynisches Spielchen, das wir hier treiben", fügte er hinzu. "Die Zukunftsfrage von Air Berlin wird nun zügig gelöst. Wer Teile haben will, muss jetzt bieten." Die Gespräche mit möglichen Partnern seien "sehr weit gediehen".

Air Berlin verhandelt mit der Lufthansa und Insidern zufolge auch mit Easyjet über eine Übernahme von Unternehmensteilen. Dabei geht es vor allem um die Start- und Landerechte (Slots) an Flughäfen wie Berlin und Düsseldorf.

»Die Vorwürfe von Ryanair, es handle sich um einen inszenierten Insolvenzantrag, sind abwegig«

Auch der Reisekonzern Thomas Cook interessiert sich für Teile der insolventen Fluggesellschaft. Thomas Cook und die Ferienflug-Tochter Condor stünden für eine "aktive Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin bereit", sagte ein Thomas-Cook-Sprecher am Mittwoch. Air Berlin und die Tochter Niki befördern bereits einen Teil der Gäste von Thomas Cook in den Urlaub. "Thomas Cook und Condor sind bereit, eine aktive Rolle bei möglichen Auffanglösungen zu spielen."

Die deutsche Bundesregierung hat unterdessen die Kritik von Ryanair an der Hilfe für die insolvente Fluglinie Air Berlin zurückgewiesen. "Die Vorwürfe von Ryanair, es handle sich um einen inszenierten Insolvenzantrag, sind abwegig", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Mittwoch.

Für die gesamte Regierung sei die Erklärung des Air-Berlin-Hauptaktionärs Etihad am Freitagabend überraschend gewesen, dass die gemachten Zusagen nicht mehr fortgeführt würden. Die Bundesregierung sei erst von Air Berlin über die Entwicklung informiert worden und habe deshalb sehr schnell eine Entscheidung treffen müssen. "Wir gehen davon aus, dass sie beihilferechtlich konform ist", sagte die Sprecherin mit Blick auf den gewährten Übergangskredit von 150 Millionen Euro.

Für die kommende Woche seien Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel geplant. Wenn der deutsche Bund nicht eingesprungen wäre, hätte Air Berlin direkt nach dem Insolvenzantrag keine Flüge mehr durchführen können. Damit hätten Zehntausende Urlauber keinen Rückflug mehr gehabt.

Schon Streit um Massekredit

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Übergangskredit in Höhe von 150 Mio. Euro an die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin verteidigt. Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, "weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre glaube ich nicht angemessen gewesen." Aus ihrer eigenen Partei sind heute allerdings Zweifel an der Rückzahlung laut geworden.

In einer im Internet übertragenen Fragerunde mit YouTubern sagte Merkel am Mittwoch, sie erwarte nicht, dass der Steuerzahler am Ende die Rettung des Unternehmens bezahlen müsse. Die Bundesregierung habe sich die Entscheidung für den Übergangskredit "sehr gut überlegt".

Auf die Frage, wie groß die Gefahr sei, dass am Ende der Steuerzahler die Rettung von Air Berlin bezahlen müsse, sagte die Kanzlerin: "Die ist relativ gering. Sonst hätten wir diesen Überbrückungskredit oder Brückenkredit gar nicht geben dürfen." Die EU-Kommission müsse dies schließlich noch genehmigen.

Air Berlin stelle noch Werte dar, etwa über deren Landerechte.

Am Vormittag hatte aber auch ein Politiker auch aus der CDU Zweifel geäußert. Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen", sagte der wirtschaftspolitische Frontmann der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag, Michael Fuchs, dem "Handelsblatt" (Vorabbericht, Donnerstag). Es sei "eine Wohltat", damit die deutschen Urlauber nicht von heute auf morgen an den Flughäfen festsitzen und nicht mehr nach Hause kommen. "Es gäbe sofort den Ruf nach dem Staat, die Reisenden zurückzuholen", sagte Fuchs. Dennoch sei es "ordnungspolitisch nicht zu begrüßen. Der Steuerzahler wird die Zeche zahlen."

Ebenso pessimistisch formulierte es FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer. "Der Steuerzahler wird bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten, bis er das Geld des Überbrückungskredits wiedersieht", sagte der Europaabgeordn ete dem Handelsblatt. "Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries versagt total. Hier geht es nicht um Wirtschaftspolitik, sondern sich über die Wahl hinweg zu retten."

Unterstützung bekommen die Politiker von Kartellrechtsexperten. "Ich sehe keine realistische Chance, dass die Mittel zurückfließen. Dem Staat ist Air Berlin einfach zu wichtig, um ihm wichtige Gelder gleich wieder wegzunehmen", sagte Kartellrechtsexperte Jan Byok von der Kanzlei Bird & Bird dem Blatt.