Insider-Report: So stürzten Haider & Co Riess-Passer

Das Protokoll des FPÖ-Dramas

Insider-Report: So stürzten Haider & Co Riess-Passer

Begonnen hatte alles zum Finale einer langen, langen Nacht: Mittwoch, Punkt 6.10 Uhr morgens, stellt FP-Chefin Susanne Riess-Passer im Nobelhotel Hilton-Plaza in Wien nach der zwölfstündigen Sitzung des FP-Bundesparteivorstandes ihr allerletztes Ultimatum. Die Unterschriften für den blauen Sonderparteitag der FP-Rebellen haben bis Montag, 16 Uhr, zurückgezogen zu werden, andernfalls die gesamte blaue Regierungsmannschaft zurücktreten würde. Startschuss eines angekündigten Putsches:

Mittwoch, 4.9., 6.30 Uhr

  • Zu dieser Zeit bricht ein Mann Richtung Klagenfurt auf. Kärntens FP-Chef Martin Strutz hat genug gehört. Ihn hält es nicht länger in der verhassten Hauptstadt. Schon von unterwegs ruft er Jörg Haider an. „Wir haben keine Lösung gefunden. Sie drohen alle mit Rücktritt.“ Haider beruhigt ihn: „Nur Riess, Grasser und Westenthaler meinen das ernst.“
  • Die Wiener Regierungsmannschaft feiert indes die emotionale Sitzung als „Etappensieg“ in der „Gräfin am Naschmarkt“, einem Nachtschwärmerlokal, wo es schon vor sieben Frühstück gibt. Haider habe „nicht mit der Geschlossenheit des gesamten Ministerteams gerechnet“, lautet die interne Erklärung. „Jetzt gibt er nach und pfeift die Basis zurück“, glauben Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubobmann Peter Westenthaler.

Immerhin hat sogar Verteidigungsminister Herbert Scheibner, den Haider als potenziellen Vizekanzler im Talon hält, mit Rücktritt gedroht, sprechen sich die drei Blauen Mut zu. Grasser erzählt, wie Haider ihn am Montagabend im Finanzministerium besucht und so getan hatte, als sei nix passiert: „Der hat vergessen, dass er mich als Luxus-Bubi verspottet hat. Ich hab ihm die Meinung gesagt,“ „Vielleicht gibt er auf“, hofft Riess-Passer.

  • Den ganzen Tang lang glühen jetzt die Telefone. Die blauen Rebellen um FP-Volksanwalt Ewald Stadler und Oberösterreichs FP-Chef Hans Achatz wollen nicht so einfach aufgeben. Und bearbeiten mit Erfolg die Basis quer durch Österreich, ihre Unterschriften nicht zurückzuziehen. Sie erklären den verunsicherten Delegierten: „Die wollen nur den Jörg vernichten.“
  • Jörg Haider erklärt zu Mittag, dass er alle Delegierten, die für einen Sonderparteitag unterschrieben haben, nach Knittelfeld zu einer Versammlung einlädt. Haider ruft die Partei zur „Geschlossenheit“ auf. Er gibt sich moderat und scheint um Ausgleich bemüht.

Noch am gleichen Abend, um 20 Uhr, ein völlig anderes Bild: Haider erscheint völlig überraschend und bestens gelaunt bei der steirischen Landesleitungssitzung, die über die Rücknahme der Unterschriften berät: „Wenn sie keine Steuerreform wollen, dann müssen wir uns halt eine andere Führung wählen“, beantwortet Haider das Riess-Passer-Ultimatum.

Donnerstag, 5.9., 9.00 Uhr
Donnerstag früh erfährt Susanne Riess-Passer von Haiders Auftritt in der Steiermark. Peter Westenthaler und Herbert Scheibner beraten indes gemeinsam mit FP-Klubdirektor Josef Moser im Parlament. Westenthaler: „Wir können den Jörg nur mit seinen eigenen Waffen schlagen.“ Der blaue General Karl Schweitzer, immerhin jahrelang Haiders Lauflehrer, wird von Riess-Passer als Vermittler eingesetzt. Er versucht Haider telefonisch zum Einlenken zu überreden.

  • Jörg Haider selbst ist währenddessen bei einer Veranstaltung in Wels. Er marschiert dort gemeinsam mit „Rebellenführer“ Hans Achatz auf.
  • Am Nachmittag beraten Riess-Passer, Grasser, Westenthaler und Scheibner im Vizekanzleramt, wie sie am besten mit der Veranstaltung in Knittelfeld umgehen sollen. Riess-Passer will, dass Grasser nach Knittelfeld fährt und dass ihn Herbert Scheibner begleitet. Beide haben keine Lust.
    Klubdirektor Moser, ein enger Vertrauter Haiders, steht in Kontakt mit dem Ex-FP-Chef und sendet in seinem Namen „Friedenssignale“ nach Wien. Haider wolle sich mit Riess-Passer treffen, um alles „auszureden“ berichtet Moser.

Freitag, 6.8., 10.00 Uhr
Am Morgen ruft Jörg Haider die Vizekanzlerin an. Für den gleichen Abend wird ein Treffen auf „neutralem Boden“ in Obdach in der Steiermark an der Kärntner Grenze ausgemacht. Im Restaurant Groggerhof soll alles ausgeredet werden.

  • Am Vormittag bekommt Susanne Riess-Passer überraschenden Besuch im Kanzleramt: Der von ihr besonders geschätzte Ewald Stadler hat kurzfristig
    um einen Termin ersucht. Und fällt mit der Tür ins Haus: „Verzichte auf den Vizekanzler. Dafür kannst du Ministerin für Beamte bleiben.“ Riess-Passer ist entrüstet.
  • Riess-Passer und Haider treffen im Groggerhof zusammen. Riess-Passer hat eine Resolution vorbereitet. Der Exchef gibt sich auffallend versöhnlich.

Autorin: Isabelle Daniel

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