"Inland": Die Gedankenwelt
der FPÖ-Wähler

Filmemacherin Gladik ergründet in ihrem Film freiheitliche Milieus: "Da ist viel Frust"

Die FPÖ legte in den letzten Jahren kontinuierlich zu, bis die Partei 2017 unter Heinz-Christian Strache in die Regierung einzog. Eine Entscheidung, die also viele Österreicher so getroffen haben, die politisch Andersdenkende oftmals aber gar nicht verstehen können und wollen. Filmemacherin Ulli Gladik hat die Gedankenwelt dreier FPÖ-Wähler mit viel Feingefühl ergründet und zeigt in „Inland“, dass diese starke Abneigung gegenüber "Ausländern", die diese eint, oftmals nur ein Ventil ist – und etwas ganz anderes hinter dem großen Frust steckt.

von Inland © Bild: Polyfilm

News.at: Wie ist die Idee zu diesem Film entstanden?
Ulli Gladik: Als im Jahr 2016 diese ewig lange Bundespräsidentschaftswahl war, hatte ich das Gefühl, Österreich zerfällt in zwei Lager und über Social Media habe ich mitbekommen, wie sich diese Lager gegenseitig bekriegt haben und dachte mir: Das gibt es nicht. Es ging nur noch um das Thema Migration – und das bei einer Präsidentschaftswahl, was auch komisch war. Es hat mich befremdet.

Ulli Gladik
© Tom Lamm | ikarus.cc Regisseurin Ulli Gladik: "Es hat mich interessiert, warum die Leute bereit sind, auf das Ausländerthema so aufzuspringen."

Ich habe mir dann für eine Reportage das Wahlsprengel mit den meisten FPÖ-Wählern und das mit den meisten Grün-Wählern angesehen. Die grüne Blase war mir bekannt, aber das FPÖ-Sprengel fand ich spannend, die Gespräche interessant – und dachte, es wäre ein ganz spannender Film. Denn das Thema Migration und Ausländerfeindlichkeit ist ganz stark in Medien und Politik präsent und mich hat interessiert, warum die Leute so bereit sind, auf das Thema aufzuspringen und was eigentlich dahinter liegt.

»Ich habe bemerkt, dass da sehr viel Frust ist. Aber nicht in erster Linie wegen Migranten.«

Und, was liegt dahinter?
Ich habe bei der Recherche bemerkt, dass da sehr viel Frust ist. Aber nicht in erster Linie Frust wegen Migranten sondern aus anderen Gründen.

Dieser Hass gegen Ausländer, woher kommt der?
Am Beginn der Gespräche ging es meist nur um das Thema Migration aber dann kam auch groß das Thema Arbeit auf, das mit vielen Sorgen verbunden ist, wie etwa geringe Wertschätzung, zu viel Druck und Stress, keine Anerkennung oder unbezahlte Überstunden.

»Die meisten wollten zwar über ihre Meinung zum Thema "Ausländer" vor der Kamera sprechen, aber nicht über die Arbeitsverhältnisse «

Das ist aber im Film nicht so abgebildet, wie ich das gerne gehabt hätte, weil die meisten zwar über ihre Meinung zum Thema "Ausländer" vor der Kamera sprechen wollten, aber nicht über die Arbeitsverhältnisse, aus Angst den Job zu verlieren.
Das hat in mir den Eindruck erzeugt, dass dieser Hass gegenüber den "Ausländern" eine Ventilfunktion hat, denn es ist mittlerweile völlig legitim in der Gesellschaft, bei diesem Thema die Sau raus zu lassen. Aber über Arbeitsverhältnisse zu reden und die Probleme, die man damit hat, oder aktiv zu werden, da haben viele Angst, den Job zu verlieren.

Das heißt, die eigenen Probleme mit der Arbeit etwa werden dann auf dieses Ausländerthema abgewälzt?
Ja, viele Menschen haben Existenzängste. Und wenn seit vielen Jahren erklärt wird, „Wir müssen sparen und jeder muss auf sich selbst schauen“ und man dann von den Menschen aber verlangt, dass sie Solidarität mit Geflüchteten haben, wird es eben schwierig, das geht sich oft nicht aus.

Wie schwer war es, ProtagonistInnen für dieses Thema zu finden?
Zunächst waren elf oder zwölf Personen bereit mitzumachen, aber kurz vor Drehstart war nur noch einer übrig. Die anderen trauten sich dann doch nicht, da es ihnen unangenehm war oder sie Angst hatten, ihren Job zu verlieren. Dann musste ich nochmal beginnen zu suchen, das war ein langer Prozess. Ich hätte sehr viele Männer 50 plus gehabt, die bereit gewesen wären, vor die Kamera zu treten, aber bei Frauen war es schon schwieriger.

Haben Sie das Gefühl, Ihre ProtagonistInnen durch die Gespräche zum Reflektieren angeregt zu haben? Dass sich Ihre festen Standpunkte vielleicht etwas aufgeweicht haben?
Es hat sowohl meine ProtagonistInnen als auch mich zum Nachdenken gebracht. Mich hat der Film schon sehr verändert, ich habe sehr viel gelernt über die Lebensumstände und die Denkenswelt von anderen Menschen oder wie Populismus funktioniert. Wie es ist, wenn man an der Armutsgrenze lebt, was das heißt…

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© Polyfilm Die Dame im Kaffeehaus: Zu kompliziert, um sich über Politik ein umfassendes Bild zu machen.

Auch im Film versuchen Sie, allzu verbohrte Ansichten Ihrer ProtagonistInnen mit rationalen Argumenten zu entkräften. Wie gut gelingt das?
Unterschiedlich. Die Dame im Kaffeehaus lässt es zum Beispiel gelten. Sie meint, es sei kompliziert, sich über Politik ein umfassendes Bild zu machen. Und es ist ja auch so. Wenn man von früh bis spät im Kaffeehaus steht, vier Kinder alleine groß gezogen hat und um seine Existenz kämpft, dann hat man nicht die Zeit dafür und liest halt eher nur die Überschriften von Boulevardblättern.

»"Was mir passiert ist, soll euch auch passieren.“ Eine harte Einstellung. «

Es kam also schon zum Diskurs. Aber bei manchen Themen kam es dann auch zu dem Punkt, wo es eben nicht weiterging. Ich dachte ja, wenn man selbst einen Migrationshintergrund hat, dann kann man das besser nachvollziehen, wie es Menschen mit Migrationshintergrund geht. Das war aber nicht so, sondern eher „Was mir passiert ist, soll euch auch passieren.“ Eine harte Einstellung.

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© Polyfilm Der Protagonist im Gespräch mit einem SPÖ-Bezirksvorsteher. Nach einem Diskurs stimmte er zu, dass es besser wäre, gemeinsam für bessere Lebensbedingungen zu kämpfen.

Glauben Sie, wenn Sie noch mehr Zeit mit den Menschen verbracht hätten, wenn man Ihnen noch mehr zuhören und mit ihnen reden würde, würde sich in ihren Ansichten etwas ändern?
Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Wie ich im Film sage: Ich habe den Eindruck, es gibt Österreicher, die sind gegen Ausländer, es gibt andere Österreicher, die sind gegen Österreicher, die gegen Ausländer sind. Und so sind alle damit beschäftigt, sich gegenseitig runter zu machen statt dass sie überlegen, was verbindet uns und wie können wir gemeinsam für bessere Lebensbedingungen kämpfen. Und ein Protagonist sagt darauf: „Du hast recht. Aber es muss einmal einer herkommen, der es schafft, die Menschen zu einen.“

»Es ist ja wahnsinnig schwierig, jemand anderem zuzuhören und selbst den Mund zu halten.«

Es gelingt im Film sehr gut, diese Menschen weder von oben herab zu betrachten, noch sie irgendwie zu verurteilen. Finden Sie, dass genau das aber „links denkende Menschen“ zu oft machen?
Man kann sich da ja selbst nicht ganz ausnehmen und es ist ja wahnsinnig schwierig, jemand anderem zuzuhören und selbst den Mund zu halten.

Ist Ihnen das schwer gefallen im Film?
Ja schon, klar, das ist ein Lernprozess. Ich glaube, es macht uns als Gesellschaft nur schwächer, wenn die Lager so gegeneinander kämpfen, anstatt zu schauen, was eint uns als Menschen und in unseren Grundbedürfnissen. Eigentlich sollte man sich vielmehr darauf fokussieren statt zu sagen „Du bist ein Trottel Rassist“. Weil wo soll das hinführen?

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© Polyfilm Überzeugter FPÖ-Wähler bei einer Strache-Ansprache am Viktor-Adler-Markt

Die Gezeigten sehen sich als den typischen „kleinen Mann“ und fühlen sich von der SPÖ enttäuscht und verraten. Wer vertritt Ihrer Meinung nach die Interessen des „kleinen Mannes“ inzwischen am ehesten?
Am ehesten wohl eh noch SPÖ und Grüne, wobei die das schlecht kommunizieren und man es ihnen auch nicht ganz abnimmt. Und wenn sich dann Heinz-Christian Strache am Viktor-Adler-Markt hinstellt und sagt „Ich werde dafür sorgen, dass die Arbeiter wieder einen ordentlichen Lohn bekommen und sich am Monatsende einen Fernseher kaufen können“ macht das natürlich etwas mit den Leuten. Ich habe noch nie eine SPÖ-Veranstaltung in so einem Ausmaß dort gesehen.
Aber dass die FPÖ zwar ständig sagt, dass sie „den kleinen Mann“ vertritt, das aber dann doch nicht so macht, muss auch erst einmal ankommen.

»Es braucht wirklich einen Paradigmenwechsel und für den müssen wir kämpfen.«

Wird es, Ihrer Meinung nach, einmal ankommen?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Die Einsparungsmaßnahmen werden aber wahrscheinlich so argumentiert: „Wir müssen jetzt sparen, weil die letzte Regierung zu viel Geld für Flüchtlinge ausgegeben hat.“ Womit die Sündenbockthematik noch verhärteter wird. Es braucht wirklich einen Paradigmenwechsel und für den müssen wir kämpfen, weil von selbst kommt der nicht.

Wie sehen Ihre ProtagonistInnen, alles FPÖ-Wähler, die Regierung jetzt?
Unterschiedlich. Aber ja, da macht sich teilweise schon Frust breit, wie ein Protagonist erklärt: „Vorne sagt ihr, wir schmeißen alle Ausländer raus und schauen, dass es den Österreichern besser geht und hinten rum lassen wir doch wieder billige Arbeitskräfte rein, weil die Wirtschaft diese braucht.“

Ein anderer sagt aber, es sei für ihn OK, wenn bei ihm Dinge gestrichen werden – solange es den Ausländern auch schlechter gehe…
Das sagt er eben vor der Kamera, weil ich ihn konfrontiere. Ich bezweifle schon, wie ok das dann wirklich ist.

Was für einen Anspruch hat Ihr Film? Soll er etwas verändern?
Ich hätte natürlich gerne, dass ihn viele sehen und dass es eine differenziertere Diskussion gibt, dass man ein bisschen aufhört zu sagen „Wir“ und „Die“ beziehungsweise „Das sind die Bösen und „Wir sind die Guten.“

Inland
© Polyfilm

Weitere Info zum Film:
"Inland" begleitet drei FPÖ-Fans vor und nach der Nationalratswahl in Österreich: Eine Kellnerin, einen Arbeitslosen und einen kleinen Beamten. In roten Arbeiterfamilien sozialisiert, setzen sie jetzt ihre Hoffnungen auf die FPÖ. Alle drei haben großes Unbehagen gegenüber “den Ausländern”. Gleichzeitig sehnen sich nach einem besseren Leben für “die kleinen Leute”. "Inland" gibt intime Einblicke in ihre Probleme, Ängste und Gesinnungen und lässt einen Blick auf drei Menschen zu, die ansonsten selten so ausführlich im öffentlichen Umfeld zu Wort kommen. Der Film startet am 3. Mai 2019 in den österreichischen Kinos.