Ingrid Thurnher, Otto, Online und ORF III

Otto bei Ingrid Thurnher in der "ZIB2": Vor 25 Jahren entstand aus dieser Begegnung eines der lustigsten Stücke österreichischer TV-Geschichte. Weniger im kollektiven Gedächtnis ist ein Beitrag aus dieser Sendung über das vier Wochen davor gestartete ORF.at.

von Medien & Menschen - Ingrid Thurnher, Otto, Online und ORF III © Bild: Gleissfoto

Es zählt zu "Das Beste aus dem ORF-Archiv" und steht deshalb länger als sieben Tage in der TVthek. Viel länger. Am 21. August ist ein Vierteljahrhundert vergangen, seit Otto Waalkes Ingrid Thurnher in der "ZIB2" heimgesucht hat. Wer das heute wieder anschaut, muss so herzhaft lachen wie damals. Es liegt nicht nur am ostfriesischen Komiker, sondern auch an der Vorarlberger Journalistin, die er "ein bisschen aus der Fassung gebracht" hat. Ihr Umgang mit der Situation war purer Sympathiegewinn.

Genau das wäre für den ORF wichtiger denn je. Als Langzeit-Generaldirektor Alexander Wrabetz 2019 die Verhaltensökonomen von FehrAdvice das Unternehmen untersuchen ließ, kam es auf einen nur mäßigen Identifikationswert der Bevölkerung. Ähnlich wie die SRG, als ihr eine haushohe Niederlage bei der Volksabstimmung über die Rundfunkgebühr prophezeit wurde. Doch mit Beraterhilfe drehte sie die Stimmung. Die Schweizer votierten für die Abgabe. Eine klare Empfehlung an den ORF, dem unter Türkisblau die Budgetfinanzierung drohte - samt stärkerer Abhängigkeit von der Regierung. Doch als diese infolge der Ibiza-Affäre wechselte, endeten auch die Ideen für eine Charmeoffensive.

Der ORF braucht sie aktuell, weil statt der FPÖ der Verfassungsgerichtshof seine Finanzierung in Frage gestellt hat - auf Antrag des Unternehmens. Denn bisher sind seine Angebote für alle gebührenfrei, die sie nur via Internet konsumieren. Doch aus dem Auftrag zum Schließen dieser offensichtlichen Gesetzeslücke ist eine Diskussion um die grundsätzliche Finanzierungsart entstanden. Wahrscheinlich kommt eine Haushaltsabgabe wie in Deutschland und der Schweiz, die Wrabetz abgelehnt hat.

Daneben geht es aber auch darum, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk heute darf. Er wünscht sich Freiheit im digitalen Bereich. Auch deshalb lohnt es sich, Otto bei Thurnher nochmals anzusehen. Denn zwischen seiner Umarmung und dem Kriechen unter den Tisch präsentiert sie einen Beitrag: Am 24. Juli 1997 war der ORF im Internet gestartet - mit dem lila Vorläufer seiner nun umstrittenen blauen Seite. Vier Monate später begann TW 1, zu senden, das 50 zu 50 mit einer Firma von ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel betriebene Tourismus- und Wetter-TV, der Urahn von ORF III und Sport +. Kurz vor dem Ende des Radiomonopols schuf sein Inhaber online und im Fernsehen neue Tatsachen.

Daran ist zu erinnern, wenn Wrabetz-Nachfolger Roland Weißmann heute sagt, die Forderung der Neos-Abgeordneten Henrike Brandstötter "Retten wir die Medienvielfalt. Drehen wir orf.at ab!" überschreite eine rote Linie. Die vermeintlich gratis verfügbare, aber gebührenfinanzierte blaue Seite bremst alle anderen Geschäftsmodelle mit digitaler Information. Das klingt vorerst vorteilhaft für den Konsumenten. Doch es führt dazu, dass Redaktionen nicht mehr privatwirtschaftlich finanzierbar sind. Dass professioneller Journalismus auf den ORF beschränkt bleibt, kann aber kein Demokrat wollen.

Wenn Weißmann von einer roten Linie spricht, ist das ein Rückfall in den Ungeist von 1997: Wir werden keinen Richter brauchen, wir machen unsere eigenen Regeln. Hier aber irrt der neue ORF-Herr. Wer von der Gesellschaft bezahlt wird, bestimmt nicht selbst die Grenzen seines Tuns. Seine Ankündigung, die blaue Seite mehr in Richtung Bewegtbild zu positionieren, zeigt einen möglichen Kompromiss, wie er in Deutschland längst für ARD und ZDF gilt. Erst mit einer Einschränkung der Textangebote bleibt der Rundfunk bei seinem über 50 Monopoljahre staatlich geschützten Leisten.

Eine Charmeoffensive ist dennoch notwendig. Die Berater fanden 2019 heraus, dass die Firma ORF viel weniger Zuneigung genießt als ihre Programme. Auch für diese Entwicklung bietet sich ein Nachschlagen bei Ingrid Thurnher an. Die jetzige Radiodirektorin hat zuvor mit ORF III weitere Sympathiepunkte gesammelt. Ganz ohne Otto. Das Wie war dabei ähnlich wichtig wie das Was.