Groteske Sexismus-Diskussion

Verspätet startete der ORF in die #Aufschrei Debatte – Man hätte es besser gelassen

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Im Zentrum - Groteske Sexismus-Diskussion

Michael Jeannée ist beinahe 70 Jahre alt und doch wirkte er gestern so, als wäre er noch weit älter. Beinahe so, als wäre er 1913, wie Dornröschen, in einen hundertjährigen Schlaf gefallen. So als wären die Emanzipation, die zweite Frauenbewegung und veränderte Geschlechterbilder völlig an ihm vorbeigegangen. Ausgerechnet gestern dürfte er dann erwacht sein. Wachgeküsst von einem ORF, der für sein Diskussions-Format „Im Zentrum“ noch ein „böses Krokodil“ suchte, das zum Thema selbst zwar wenig beitragen konnte, dafür aber laut polterte.

So kam Jeannée, eben noch in seiner Fantasiewelt lebend, in der ein Grapscher ans Gesäß noch als lässliche Sünde zu bewerten ist, nun wieder erwacht, in eine veränderte Welt.

Po-Grapschen als Thema

Frauenministerin und Justizministerin diskutierten da, ob das Grapschen ans Gesäß weiter dem Zivilrecht oder dem Strafrecht zuzuordnen sei. Ministerin Karl argumentierte, dass das Strafrecht die Ultima Ratio des Gesetzes sei und hier das Zivilrecht ausreiche. Anwalt Gerald Ganzger pflichtete bei, dass eine Verstrafrechtlichung mehr Probleme schaffen als lösen würde.

Frauenministerin Heinisch-Hosek sah das anders und unterstrich, dass es wichtig sei hier auch ein Signal zu setzen, da sexuelle Belästigung kein Bagatelldelikt sei. Leider verlor sich die Debatte dann auch in diesen, sicher spannenden, juristischen Erörterungen. Auch Moderatorin Ingrid Thurnherr schaffte es nicht, das Thema zum Anlassfall, dem weit verbreiteten Alltagssexismus, zu führen. Stattdessen wurde immer und immer wieder über das Beispiel des „Popo-Grapschens“ diskutiert.

Verloren in der Welt

Und dann war da noch Michael Jeannée, der in dieser Diskussion, wie auch in dieser Welt, so gänzlich verloren schien, dass das Publikum sich nicht endgültig entscheiden konnte, ob es in tiefer Fremdscham versinken wollte oder Mitleid mit diesem Fossil einer untergegangenen Macho-Kultur haben sollte.

So peinlich berührend waren Jeannées Ausführungen darüber, dass jeder Mann ein Macho sei. Dass man es ja spüre, wenn eine Frau einen Klaps auf den Hintern wolle. Selbst der Krone-Journalist Richard Schmitt meinte auf Twitter dazu: „Jeder anständige, seriöse und höfliche Mann muss über dieses #imzentrum den Kopf schütteln. Offenbar #generationenfrage“.

Unterirdisch schlechte Debatte

Die Debatte selbst war vom ersten bis zum letzten Moment unterirdisch, weil es keine Debatte war. Die beiden Ministerinnen redeten über eine etwaige Verschärfung der Gesetzeslage, "Profil"-Journalistin Angelika Hager und Gerald Ganzger sekundierten. Und Michael Jeannée platzte mit seinen Äußerungen regelmäßig in die Runde, um dabei mit jedem Atemzug klarzustellen, dass er die Welt, in der er lebt, nicht mehr versteht. Generell zwang er die anderen TV-Gäste wie in einer Art „betreutem Wohnen“ auf seine Argumente einzugehen.

Die Absicht des ORF dahinter ist leicht zu erraten. Spektakel und Show wurden geboten, Jeannée gab das böse Krokodil, das jeder erwartete. Die Quoten geben der Aktion sicher Recht, der Flurschaden bleibt bei der Debatte, die der ORF gänzlich der Lächerlichkeit preisgab.

Kasperl und das böse Krokodil

Für ein Kasperlstück mit bösem Krokodil reicht das ORF-Kinderprogramm, ein öffentlich-rechtlicher Auftrag lässt sich hinter einer derartigen Diskussion hingegen bestenfalls noch erahnen. Wenn man keine Debatte will sondern nur Show, dann hätte man auch zu einer Runde Schlammcatchen laden oder gleich den Superbowl übertragen können. Mit Politik hatte das alles jedenfalls nichts zu tun und mit einem öffentlich rechtlichen TV-Programm schon gar nicht.

Dabei hätte es viel Wichtiges zu diesem Thema zu diskutieren gegeben und alle Teilnehmer, mit Ausnahme von Jeannée, zeigten sich auch redlich bemüht. Nur reicht eben ein Krokodil aus, um eine Debatte zum Kasperlstück verkommen zu lassen. Womöglich hätte die Teilnahme einer Person aus einer jüngeren Generation helfen können. „Stern“-Journalistin Laura Himmelreich ist 29 Jahre alt. An der ORF-Diskussion nahm niemand teil, der jünger als 45 ist. Kein Wunder, dass die ganze Debatte so völlig aus der Welt gefallen wirkte.

Kommentare

Ignaz-Kutschnberger

Aber aus gegebenem Anlass eine Frage: Warum ist der Film Oberst Redl jugendfrei , obwohl Kubinyi im Dampfbad fragt: Redl, hast du meine Schwester gebudat? ...Klaus Maria B. bleibt ihm allerdings die Antwort schuldig ;-)

Ignaz-Kutschnberger

In Zeiten der Emanzipation sollte man nicht nur über Po-Grapscher sondern auch über Eier-Grapscher/innen diskutieren. Und die ORF-Show spiegelte den Geisteszustand der Österreicher und -innen wieder! Danke ORF ! Wo liegt Rumänien und Türkei nochmal bei PISA?? :-)

galileo2

mein gott na, haben wir in österreich keine anderen probleme?

Für Polemik halte ich dieses Thema für zu ernst. Sexuelle Belästigung, auch am Arbeitsplatz ist mehr als ein Kavaliersdelikt. Und damit meine ich nicht Herrenwitze, aber es müssen klare Grenzen gezogen werden.

Die Sendung selbst habe ich leider nicht gesehen, aber wenn schon Hr. J. dabei ist, sagt das schon alles. Etwas mehr Ernsthaftigkeit würde diesem Thema sicher gut tun.

derpradler
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Wer solte schon diese DAMEN sexuell belästigen?

Ignaz-Kutschnberger
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Sind wir uns doch ehrlich...jenseits der 30 musst du froh sein, wenn dir da überhaupt noch einer auf dein breites Hinterteil schaut...von GRAPSCHEN kann man da nur noch schöne Träume haben oder sich in Erinnerungen längst vergangener Zeiten verlieren...

Ignaz-Kutschnberger
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Sogar Opa Lugners Katzen sind deutlich unter 30 !! Also betrifft das eh nur junge Mädels und nicht alte Omis ... Wie hoch war der Altersschnitt bei den Diskutanten nochmal?...von 29 bis kurz vor 75 oder wie??...

Haben wir den keine anderen Probleme mehr die es zu lösen gibt. Wenn Herrenwitze strafbar wären , dann sollte auch Mobbing am Arbeitsplatz mit Strafverfolgung geandet werden.

dem artikel ist nichts hinzuzufügen - einen derartigen sch.... hat man schon lange nicht gesehen

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