Im Ring mit den Rats

Vieles ist Männern heute schamfrei möglich: von der Auszeit im Hotel Mama bis zum Schwitzen im Boxclub. Norbert Oberhauser, Eric Papilaya, Volker Piesczek und Pepe Schütz von der Band The Rats Are Back über wahre Männlichkeit, starke Frauen und die Freude, nicht immer den harten Kerl spielen zu müssen

von Musik - Im Ring mit den Rats © Bild: Lukas Ilgner News

Fragen der Weiblichkeit sind hoch aktuell. Das Frauenvolksbegehren 2.0, das 2018 über die Bühne gehen soll, wurde via Crowdfunding mit 137.000 Euro unterstützt; Feminismus ist nicht länger gleichgesetzt mit Männerhass und verkniffenem Dogmatismus. Humorbegabt, entspannt und gnadenlos direkt: Die Frauen von heute vermitteln Selbstbewusstsein, und manche von ihnen nicht ohne Sexappeal. An entsprechenden Role Models aus Politik und Showbiz mangelt es nicht, sogar die Helden im Kino werden weiblich. Und auch im Privatleben werden die Geschlechterrollen neu definiert: Stark und sensibel zugleich, ohne dabei verweichlicht zu wirken - so dürfen, können und wollen die Männer von heute sein. "Die Frauen" und "Die Männer" - die Gewissheiten verflüchtigen sich, das Beste aus beiden Welten scheint am attraktivsten: echte Kerle mit starken Schultern, die im Haushalt anpacken und nicht immer so tun, als stünden sie über den Dingen. Die auch einmal schwächeln dürfen.

Doch was macht der Wertwandel mit unseren Männern? Sind sie überfordert, gar in ihrer Identität verunsichert? Auf Spurensuche baten wir vier Vorzeige-Mannsbilder in eines der letzten Refugien der Maskulinität. Norbert Oberhauser, Eric Papilaya, Volker Piesczek und Pepe Schütz alias The Rats Are Back freuen sich gerade über die Geburt ihres aktuellen Babys, des Albums "Bad Boys". Swing at its best, diesmal mit ausschließlich deutschen, zumeist selbst erdachten Texten, produziert von Alexander Kahr, der schon Hits für Christina Stürmer und Tagträumer verfasste.

Die Suche nach dem Wolf

In Szene gesetzt wurden die Rats anlässlich unseres Talks in den holzvertäfelten Hallen des Old School Sportclubs "Box Union Favoriten" im rauen zehnten Wiener Hieb. Heldenbilder an den Wänden, Blut, Schweiß und Tränen in der Luft. Seit fast acht Jahrzehnten wird im Keller in der Quellenstraße 134 geboxt, ganz ohne Spa, ganz ohne Smoothie-Bar. Alfred Marek, der Herr über dieses spartanische Reich, legt geduldig die neue CD der Rats in den Player -aus den Boxen ertönt "Tanzen", die erste Singleauskopplung aus dem Album der "Bösen Jungs": Wir drehen uns hin und her, der Saal ist menschenleer.

"Wir wissen alle, dass eigentlich ein Bad Boy in uns steckt", meint Ex-Song-Contest-Hero Eric Papilaya und verpasst dem Sandsack sanft einen Lower Uppercut, immerhin hat der Mann bereits ein wenig Thai-Box-Erfahrung sammeln können. Dieses Album ist eben unser ganz spezieller Versuch, ihn zu finden." Kollege Pepe Schütz, Gardemusiker und Big-Band-Boss ergänzt vernunftbetont: "Ein gewisses Aggressionspotential steckt doch in jedem von uns, dass merkt man beim Sport und beim Autofahren. Wichtig ist, dass man aufeinander aufpasst. Und sich nicht gehen lässt."

© Lukas Ilgner News Eric Papilaya

Aufeinander aufpassen, zusammenhalten - das steht jetzt an erster Stelle für das Quartett, das demnächst durch ganz Österreich tourt, vom schicken In-Club bis zum Blasmusikfestival. 2016 haben Norbert Oberhauser und Volker Piesczek ihre TV-Moderationsjobs an den Nagel gehängt, um dieses Jahr als Musiker Vollpräsenz zeigen zu können. Jetzt heißt es: ganz oder gar nicht.

Wann ist Mann männlich?

Die erste Bewährungsprobe jedenfalls ist gut über die Bühne gegangen - beim Truppenbesuch im Kosovo. "Da kletterten wirklich gestandene Mannsbilder auf die Tische und haben mit voller Power bei unserem Auftritt mitgeswingt. Die haben alle ausgesehen wie Vin Diesel", so Piesczek fast ehrfürchtig.

Ein identitätsstiftendes Erlebnis? Hat Man(n) heutzutage noch Vorbilder und Role Models oder muss er sich mit den Helden der Kindheit begnügen (Papilaya: Michael Jordan, Pepe Schütz: Sein Vater und Elvis, Norbert Oberhauser: "Mein erstes Poster war eines von Jason aus 'Freitag der 13.'")? Wann ist denn ein Mann ein Mann, wie schon Grönemeyer anno 1984 erregt nachfragt -ein Song, den die Rats übrigens auch als Swing-Nummer interpretieren.

"Wenn er sich traut, zu seinen Lebenszielen zu stehen und aus der Komfort-Ecke zu kommen", meint Ex-Dancing Star Piesczek, der für seine Teilnahme an der ORF Show nicht nur Applaus erntete: "Wenn er die Eier hat, zu dem zu stehen, was er wirklich will! Auch wenn das nicht dem klassischen heterosexuellen Männlichkeitsverständnis entspricht. Diese Unsicherheit und den Unterschied zum Rollenklischee auszuhalten - das ist männlich."

© Lukas Ilgner News Volker Piesczek

Norbert Oberhauser, wie sein Band-Kollege auch glücklich verheiratet und Vater zweier Söhne, verfeinert: "Ein echter Mann steht zu dem, was er tut und sagt und übernimmt auch die volle Verantwortung darüber! Das können wir von Frauen wirklich lernen, die haben sich aus dem Gefängnis der Geschlechterrollen leichter befreit als wir."

Aber wo können sie denn den inneren Wolf heulen lassen, die vier singenden, swingenden Künstler, wo spüren sie ihren kerligen Kern? Die Wohlfühl-Areas sind so unterschiedlich wie die Protagonisten, entsprechend divergent fallen die Antworten aus: Oberhauser kann sich beim Rockfestival so richtig gehen lassen, beim hemmungslosen Abrocken zu wilden Gitarrenriffs. Papilaya fühlt sich im Boxclub oder auf dem Basketballfeld wohler als in der Meditationsgruppe. Pepe Schütz outet sich als Fan des Hotels Mama, wo er immer sein kann, wer er wirklich ist.

Großes Gelächter und Schenkelklopfen in der Runde, der Big-Band-Leader schießt noch schnell "Boote" nach, das kennt man ja - der Mann, das Meer und so. Der Ehemann von Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig hingegen möchte an beiden Polen ruhen: "Ich stehe darauf, mich beim Sport komplett auszupowern, Testosteron pur zu erleben - aber ebenso genieße ich es, mich beim Yoga um Seele, Geist und verkürzte Muskeln zu kümmern."

Die Rats als Feministen

Im Nebenraum trommeln unermüdlich die Fäuste auf den Sparring Ball, ein junger Mann im Muskelshirt stöhnt und schwitzt im Takt seiner Liegestütze; im Clubraum sitzen die Rats in ihren tadellosen, hellblauen Anzügen und philosophieren plötzlich über Feminismus, obwohl man eigentlich über Bad Boys reden wollte, als Album wie als Lebenseinstellung. Piesczek, der unlängst sogar auf Bitten seiner Gattin eine Club-Veranstaltung der ÖVP-Frauen zum Thema Gleichberechtigung moderierte, ortet ein Unverhältnis: "Leider: Frauen tun sich schwerer damit, sich selbst als feministisch zu bezeichnen, als so mancher Mann. Offenbar ist es so, dass sich Frauen in unbequemen Situationen manchmal schneller mit dem, was sie haben, zufrieden geben. Das ist wahnsinnig schade."

Oberhauser ergänzt: "Ich kann mir schon vorstellen, dass das Thema für die Generation meines Großvaters verwirrend sein kann. Aber damals war es für einen Mann auch noch undenkbar, einen Kinderwagen zu schieben. Dabei gibt es nichts Schöneres. Trotzdem scheint der Mensch, gerade in der Kindheit, gewisse Stereotypen zu brauchen, um sich zu orientieren. In der Klasse meines Neffen fliegen die ganzen Mädels auf die berühmten Bad Boys."

© Lukas Ilgner News Norbert Oberhauser

Aber das Leben ist nun eben keine Schulklasse, und so kommen alle Rats rasch dahinter, was sie neben der Musik dermaßen eint: Alle vier haben starke Frauen an ihrer Seite. Papilaya hat vor zwei Jahren geheiratet und ist noch kinderlos, der Rest ist bereits lang gedient als Ehemann und Mehrfach-Vater. Fazit: Bis auf körperliche Schwerstarbeit ist der Haushalt fifty-fifty aufgeteilt, alles andere undenkbar - bis auf das Wäschezusammenlegen. Das soll Herr Oberhauser nämlich bitt' schön unterlassen, denn Frau Oberhauser findet diesen Anblick restlos unerotisch. Nur den Grill überlassen die Herzdamen der Musiker gerne und oft ebendiesen.

Der Rat fürs Leben

Welche Werte wollen die Herren nun den Kindern auf den Weg geben, damit sich der Nachwuchs abseits von Klischees und Rollenmustern im Leben wohlfühlen kann? Pepe Schütz, dem nach zwei Töchtern soeben der erste Sohn geschenkt wurde, möchte es nicht übertreiben, wenn es ums Gender-Thema geht: "Überanalysieren und Zerreden bringt wenig. Ich bringe meinen Kindern bei, dass Respekt vor den Mitmenschen das Wichtigste ist. Mit diesem Wert bin ich selbst aufgewachsen und gebe das auch weiter."

© Lukas Ilgner News Pepe Schütz

Papa Piesczek erinnert sich an seine Zeit bei den "Dancing Stars":"Ich bin da wie eine Sau durchs Dorf getrieben worden." Mit dem Tanz auf dem Vulkan habe er auch dem eigenen Nachwuchs Mut machen wollen, zu den eigenen Träumen zu stehen und sich nicht von anderen vorschreiben zu lassen, wie man zu leben hat.

Das kann man ruhig so stehen lassen, finden auch die übrigen zwei. Schließlich hat man sich mit der Band The Rats Are Back selbst einen Herzenswunsch erfüllt. Und den zu leben, macht vielleicht sogar noch attraktiver, noch männlicher als eine gute Performance im Boxring.

Austro-Swing für den Sommer

Norbert Oberhauser, Eric Papilaya, Volker Piesczek und Pepe Schütz sind The Rats Are Back. Was 2013 als "One Night Only Show" begann, ist heute die erfolgreichste Swing-Formation des Landes. Nach der ersten Single "Tanzen" erschien am 23. Juni auch das Album Bad Boys. Das Quartett zum neuen Werk: "Auch wenn wir musikalisch nun gänzlich neue und eigene Wege einschlagen, bleibt das legendäre "Rat Pack" natürlich unser Vorbild"
Termine:theratsareback.at/live