Im Kreuzfeuer der Parteien

Wie die Parteien mit dem Thema Islam auf Stimmenfang gehen

Muslime sind das Thema des Wahlkampfs und islamfeindliche Parolen längst in der Mitte der Politik angekommen. Islam bringt Stimmen, aber um welchen Preis?

von Rami A. © Bild: News/Heinz Stephan Tesarek

Rami A. hat sich schon längst daran gewöhnt. Daran, dass er anhaltendes Thema des politischen Diskurses in Österreich ist. Daran, dass sein Glaube als Feindbild für Kampagnen herhalten muss. Daran, dass er gemeint ist, wenn von "den anderen" die Rede ist. Der 24-jährige Wiener ist Muslim und hat Migrationshintergrund. Er gehört somit zu jener Gruppe Menschen, die wie keine andere Gegenstand der österreichischen Politik ist. Besonders im derzeitigen Wahlkampf. "So schlimm wie im Moment war es noch nie", sagt Rami A., der in der Jugend-und Erwachsenenfortbildung arbeitet. Früher hätte die FPÖ das Monopol auf ausländerfeindliche Inhalte gehabt. "Wer mit ihnen sympathisierte, war ganz klar dem rechten Eck zuzuordnen." Mittlerweile sei diese Haltung jedoch salonfähig. Dafür mitverantwortlich sei seiner Meinung nach ÖVP- Spitzenkandidat Sebastian Kurz. "Kurz vertritt denselben antimuslimischen Rassismus wie die FPÖ, nur chic formuliert und in eine Krawatte gepackt." Und das, obwohl er selbst seit vier Jahren Integrationsminister ist. "Also eigentlich kritisiert er sich mit allem, was er sagt, selbst."


Durch diese "neue Mitte" würde auch die Hemmschwelle in der Bevölkerung immer weiter sinken. "Wenn ich mit Leuten auf Facebook nach einer TV-Konfrontation diskutiere, kommt immer wieder, dass ich mich heimschleichen soll", erzählt A. "Legitimiert von ganz oben."

Feindbild seit 9/11

Doch warum gerade Muslime? Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger ortet drei Gründe dafür. "Mit 9/11 sind Muslime zum Feindbild geworden. Man kann das als eine Verallgemeinerung des Dschihadismus verstehen. Hinzu kommt, dass viele der Flüchtlinge Muslime sind. Und drittens gehören sie in Österreich eher zur unteren Schicht, sie sind also die Schwächeren." Die Politik greife diese Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung auf und verstärke sie dann mittels politischer Propaganda, um Wähler für sich zu gewinnen.

Bei der FPÖ sei diese Art der Politik bereits bewährt, "wobei sie sich in den letzten Jahren von einem allgemeinen Rassismus hin zu einem antimuslimischen Rassismus entwickelt haben", so Schmidinger. Neu sei jedoch, dass die ÖVP in dieselbe Kerbe schlage. Und teilweise sogar die SPÖ. "Das erste Stammtischvideo von Christian Kern war ganz klar antiislamisch", meint der Politikwissenschaftler.

Darin sagt der Kanzler und SPÖ-Spitzenkandidat: "Wir haben eine erkleckliche Zahl an Moslems in unserem Land." Für Thomas Schmidinger zeige das deutlich, dass die Politik gegen Muslime in die politische Mitte gerückt sei.

Rami A. kränkt das nicht nur persönlich. Er beobachtet bei manchen seiner muslimischen Freunde, dass sie sich durch den permanenten Rechtfertigungsdruck in die Ecke gedrängt fühlen. "Deshalb fangen sie erst recht an, sich mit dem Islam und der Heimat ihrer Eltern zu identifizieren. Natürlich gibt es Probleme in der Community, aber das ist nicht der Weg, um sie zu lösen." Politologe Schmidinger bestätigt, dass diese Politik die Entfremdungsgefühle in der Gesellschaft verstärke. "Und nicht nur das. Es stärkt auch die Dschihadisten, weil sie dadurch die Bestätigung haben, dass alle gegen den Islam sind."

»"Massive Reduzierung der Migration anstatt Parallelstrukturen wie die Islam-Kindergärten"«

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Was die Parteien dabei zudem zu vergessen scheinen, ist, dass auch die Muslime eine nicht zu unterschätzende Wählerschaft sind. Laut Schätzungen ist knapp eine Viertelmillion wahlberechtigt. Um ihnen eine Orientierungshilfe für die Wahl zu bieten, hat die "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen" (IMÖ) zehn Fragen zum Thema Islam an die Kandidaten geschickt. Darunter etwa: "Gehört der Islam zu Österreich?", oder: "Was verbinden Sie persönlich mit dem Stichwort Islam?" "Manche Parteien machen keine klaren Ansagen zum Islam. Deshalb ist es notwendig, zu wissen, wie Politiker dazu stehen -und zwar sachlich und trocken", sagt IMÖ-Obmann Tarafa Baghajati. Die Antworten wurden diese Woche präsentiert. So meinen etwa Christian Kern, Ulrike Lunacek und Matthias Strolz, dass der Islam durchaus zu Österreich gehöre. Die FPÖ verneint das. Gar nicht erst geantwortet haben Sebastian Kurz und Peter Pilz.

Für Rami A. eine fatale Entscheidung. "Ich habe kein Problem, wenn man mir sagt: ,Deine Religion ist scheiße', und das auch sachlich argumentiert. Aber wenn man erst gar nicht mit den Betroffenen diskutieren will, sondern nur über sie, entstehen noch mehr Probleme."