Ikea Westbahnhof:
Pro und Contra

Was für den neuen Standort in Wien spricht und was dagegen. Zwei Meinungen

Frühestens 2021 soll neben dem Wiener Westbahnhof eine neue Ikea-Dependance in zentraler Lage entstehen. Die Faktenlage zum bevorstehenden Möbelhaus ist noch sehr dünn und gibt Anlass für Spekulationen. Nachfolgend daher Pro und Contra in Form zweier Meinungen.

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Meinungen - Ikea Westbahnhof:
Pro und Contra

PRO Ikea am Westbahnhof

In den letzten 18 Monaten bin ich drei Mal umgezogen. Wie oft ich bei Ikea war, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich mittlerweile sämtliche Bedienungsanleitungen und Artikelnummern auswendig kann. Den ersten großen Ikea-Ausflug beschritt ich noch voller Freude und Tatendrang. Mit der U-Bahn durch den Großstadtdschungel der neuen Stadt und mit dem Shuttlebus weiter nach Niederösterreich. In die SCS. Beim zweiten Mal ging es, schon leicht entnervt, zu Ikea Nord. Nach "Transdanubien". Wieder mit Bim, Bahn, Bus.

Nach meinem letzten Umzug schlief ich einen Monat auf einem aufblasbaren Luftbett. Erst, als ich einige Tage hintereinander am harten Boden (der Realität) aufgewacht bin, konnte ich mich dazu aufraffen, die Weltreise erneut anzutreten. Missmutig ist noch ein Euphemismus, um meine Laune während der Pilgerfahrt zu beschreiben. Eines vorweg: Ich liebe Ikea. Meiner Meinung nach gibt es für junge Menschen keine vergleichbare Alternative. Schon gar nicht, was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Gerade aber viele Junge besitzen heutzutage kein Auto mehr. Und so gut die öffentliche Verbindung zu den schwedischen Möbelhäusern am Stadtrand auch sein mag, die An- und Abreise braucht dennoch durchschnittlich immer eine Stunde. Ein Ikea-Besuch wird so schnell einmal zu einem Halbtagesausflug.

Das soll sich ändern. Denn der Möbelkonzern beabsichtigt ein Einrichtungshaus direkt neben dem Westbahnhof zu eröffnen. Und schafft es damit endlich (!) auf seine Zielgruppe einzugehen. Nämlich auf all jene, die kein Auto besitzen. Die nicht gezwungen werden möchten, in großen, unpersönlichen Shoppingmalls außerhalb der Stadt einkaufen zu müssen. Natürlich könnte man die Produkte auch online bestellen, aber ganz ehrlich ¬– ein Sofa lässt sich nun einmal nicht so schnell zurückschicken wie ein falsches Paar Schuhe. Und gerade bei Ikea-Möbeln geht es doch auch darum, die Produkte vorab anzusehen, auszutesten und anzugreifen.

Und ja, es wird keinen Parkplatz geben. Das ist auch gut so. Denn diese Filiale ist genau für diejenigen gedacht, die eben keinen Parkplatz brauchen. Alle anderen mögen bitte weiterhin unnötige Kilometer zu den Stadtgrenzen zurücklegen. Oder endlich beginnen umzudenken.

Dass sich Billy, PAX und Malm schwer mit Rad oder U-Bahn transportieren lassen liegt auf der Hand. Müssen sie aber auch nicht. Denn ein spezielles Logistikkonzept für den Heimtransport ist bereits in Planung. Schon jetzt bietet IKEA aber einen ausgezeichneten und noch dazu preiswerten Lieferservice. Weiterer Pluspunkt: Ein Transporter, der zehn Wohnungen beliefert ist umweltfreundlicher als zehn Autos. Wie auch die ganze Filiale umweltfreundlicher sein wird als Ikea Nord und Süd, die Autoverkehr nicht nur anziehen, sondern regelrecht verursachen.

Unterm Strich verhält es sich bei der innerstädtischen Möbelfiliale wie mit allem, was neu und potenziell innovativ ist. Es stößt zuerst einmal auf Kritik. Vor allem in Österreich. Denn hier trägt man gern verbal zu Grabe, was noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hat.

(geschrieben von Tamara Sill)

CONTRA Ikea am Westbahnhof

Blauer Möbelriese statt blauem Haus direkt neben dem Westbahnhof. Steht man jetzt vor der Immobilie am Beginn der Äußeren Mariahilferstraße, kann man sich nur schwer vorstellen, wie Ikea das Versprechen, sein komplettes Sortiment darin unterzubringen, einlösen wird. Das gewohnte Labyrinth durch individualisierbares Pressspan-Glück, Einwegbatterien, Teelichterl und Servietten wird sich schon ausgehen. Relax-Zone mit Schweden-Imbiss inklusive.

Wie und ob sich größere Einrichtungsgegenstände sofort nach Hause mitnehmen lassen werden, bleibt noch offen. Fest steht lediglich, dass es keine Parkplätze und auch kein Parkhaus geben wird. Wo auch, an diesem Standort. Hinsichtlich Logistik artikuliert sich das Unternehmen vorerst ähnlich kryptisch wie bei seinen Bauanleitungen. „Weltweit einzigartig“ soll das Konzept sein. Aha. Muss man sein Billy-Regal künftig etwa auf Fleischbällchen nach Hause rollen? Wohl kaum. Naheliegender dürfte es sein, viele Produkte im Store bestellen oder individualisieren und dann vor die Haustüre liefern lassen zu können. Das geht direkt von zuhause aus aber immer noch am bequemsten.

Apropos naheliegend: Die bereits bestehenden zwei Stores des Möbeldiskonters in Wien sind gut plaziert und auch gut ausgebaut. Im Nordosten und südlich von Wien angesiedelt kommt man als Wiener normalerweise selten in Verlegenheit, einen weiteren Standort zu vermissen – sofern es natürlich überhaupt Ikea sein muss. Näher geht es natürlich immer, aber Hand aufs Herz: Wie oft braucht man schon neue Möbel? Das hängt neben wechselnden Irritationen im Geschmack auch davon ab, wieviel Wert man auf Qualität legt – ein Schelm, der jetzt Böses denkt.

Schließlich drängt sich der Verdacht auf, dass es für Ikea beim Standort Westbahnhof weniger darum gehen könnte, Konsumenten den Pax-Schrank oder das Malm-Bett nahezulegen. Sondern vielleicht eher darum, den ganzen Kleinkram zentral auf einem Silbertablett anzubieten, der sonst nur im Vorbeigehen im Einkaufswagen landet. Auf einen weiteren „1-Euro-Ramschladen“ kann Wien jedenfalls getrost verzichten. Selbst wenn er eine Internet-Anbindung zum Hauptlager hat. Bis 2020 – dem frühesten Zeitpunkt der Fertigstellung – fließt aber ohnehin noch viel Wasser die Donau entlang.

(geschrieben von Benjamin Brandtner)

Dieser Kommentar ist erstmals im Mai 2017 veröffentlicht worden.

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