Ikea am Westbahnhof:
„Das ist mein Jackpot“

Ikea plant ein innerstädtisches Möbelhaus beim Wiener Westbahnhof. Doch damit der Möbelriese kommen kann, müssen die Altmieter vor Ort gehen. Es geht um viel Geld für einen Standort, der einst als miese B-Lage belächelt wurde und plötzlich Gold wert ist.

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Wirtschaft - Ikea am Westbahnhof:
„Das ist mein Jackpot“

Reden will niemand. Nicht die Geschäftsleute und schon gar nicht der künftige Platzhirsch. Seit der schwedische Möbelriese Ikea Ende des vergangenen Jahres verkündet hat, eine innerstädtische Dependance neben der Bahnhofcity am Westbahnhof im 15. Wiener Gemeindebezirk zu bauen, ist es ziemlich still um das blau-gelbe Vorhaben Marke „City-Ikea“ geworden.

Baubeginn, Fertigstellung, Konzept: Fix ist noch nichts. Frühestens 2020 sollen hier die ersten Billy-Regale verkauft werden, so die dünne Faktenlage. Die Rede ist von (Dach-)Terrassen und begrünten Flächen. Auch Köttbullar & Co. soll viel Platz eingeräumt werden, schließlich kommen rund 30 Prozent der Ikea-Besucher nur der Fleischbällchen und 1 €-Hotdogs wegen. Der Rest der Kunden darf sich auch beim neuen City-Ikea wohl auf das volle Sortiment mit 9500 Artikel freuen. Eine Anbindung zur benachbarten Bahnhofcity steht ebenso im Raum wie ein neues Logistikkonzept. Schließlich wird und soll niemand sein neues Regal mit der U-Bahn nach Hause transportieren.

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Alle müssen raus

„Im Moment tut sich nichts Konkretes“, heißt es aus der Firmenzentrale von Ikea. Das mag für den Möbelriesen stimmen. Für die Einzelhändler, die in den Erdgeschosszonen der Immobilie teilweise schon seit Jahrzehnten mit unbefristeten Mietverträgen eingemietet sind, ändert sich freilich schon jetzt viel. Sie müssen nämlich raus. Vorübergehend. Oder für immer. Das Gebäude wird abgerissen. So viel steht fest.

Mehrere Jahre stand das (ob seiner Farbe) so genannte „Blaue Haus“ am Europaplatz leer, diente zwischenzeitlich als Notquartier für Flüchtlinge. Sommer 2016 erfolgte der schon lange geplante Startschuss für den Verkauf. Bürogebäude, Wohnhaus, Studentenheim, Hotel – die Liste der Möglichkeiten für die Nachnutzung war lang und eine Aufstockung durch zwei weitere Stockwerke möglich.

© Gulnerits/News Das "Blaue Haus"

Mindestens 15 Millionen € wollte Eigentümer ÖBB für die Immobilie haben. Weit aus mehr sind es am Ende geworden. Wie viel, wird nicht verraten. Das Gerangel um den lukrativen Standort war jedenfalls groß. Zehn Interessenten waren im Rennen. Bestbieter in der ersten Runde war der Baukonzern Strabag, der bereit war, 28 Millionen € für die Immobilie auf den Tisch zu legen – und dabei die Rechnung ohne Mitbieter Ikea gemacht hat.

Wie bringe ich Billy heim?

Die Schweden legten dem Vernehmen nach nochmals zwischen einer und eineinhalb Millionen € drauf und erhielten Ende 2016 den Zuschlag. Eine gehörige Portion Unverständnis gab es gratis dazu. Vor allem bei den Kunden in spe drängt sich mangels Aussicht auf ein Parkhaus eine Frage besonders auf: Wie bringe ich den Pax-Schrank heim? Mit der U-Bahn?

„Den Handel zurück in die Stadt zu holen, ist die richtige Stoßrichtung“, sagt hingegen Jörg Bitzer, Einzelhandelsexperte bei EHL. „Das ist ein hochspannendes Konzept, das in Österreich weltweit zum ersten Mal von Ikea getestet wird.“ Im Blickpunkt hat man dabei wohl auch jene Kunden, die gar kein Auto mehr besitzen wollen – und von denen gibt es vor allem in der jungen Käuferschicht bekanntlich immer mehr. „Die von vornherein als Kunden auszuschließen, macht keinen Sinn“, sagt Bitzer.

Ganz neu ist die Idee des City-Ikea wie am Wiener Westbahnhof geplant, freilich nicht. Vor drei Jahren haben die Schweden in Hamburg-Altona erstmals den Schritt in die Innenstadt gewagt – jede Menge Spott und Hohn inklusive. Von einem „überdimensionierten Legoklotz“ war in den Medien die Rede, von der „Geschichte eines gelungenen Scheiterns“ und davon, dass der Ikea in einer ehemaligen Karstadt-Filiale weniger als Möbelhaus, sondern eher als Jugendtreff und Mensa wahrgenommen wird.

In Wien soll alles anders, besser werden. Während bei den Planern und Architekten die Köpfe rauchen, fangen die Einzelhändler die noch im „Blauen Haus“ angesiedelt sind, zu rechnen an. Denn die Bagger können erst auffahren, wenn alle Altmieter – ein Hörgeräte-Spezialist, eine Trafik, eine Apotheke, ein Friseur, ein Elektrohändler und der Ableger einer Bäckerei-Filiale – draußen sind. Das weckt durchaus Phantasien.

Geben und Nehmen

„Der Standort ist für uns Gold wert“, sagen sie unisono, wenn auch nicht offen und bestätigen, dass ein (gewünschter) freiwilliger Abgang vor allem eine Frage des Preises ist. Doch hier klaffen – wenig überraschend - die Vorstellungen erheblich auseinander. Während den Händlern eine üppige Entschädigung für den Umsatzentgang für die Bauzeit von zwei Jahren vorschwebt, kann sich Neo-Eigentümer Ikea maximal einen Ersatz für den ausbleibenden Gewinn vorstellen. „Am Ende ist es immer ein Geben und Nehmen“, bestätigen jene, die derzeit für den Möbelriesen die entsprechenden Verhandlungen führen. Sie sagen aber auch: Die letzten Mieter sind immer die Schwierigsten.

»Wir fordern alle große Summen. Das ist mein Jackpot.«

Und von denen dürfte es wohl gleich mehrere geben. „Wenn man mir eine Summe nennt, die mich umhaut – und zwar nicht vor Lachen – würde ich gehen. Wenn auch schweren Herzens“, erzählt ein Unternehmer. Ein anderer schlägt in die gleiche Kerbe: „Wir fordern alle große Summen. Das ist mein Jackpot.“ Seit der Verkauf an Ikea ruchbar wurde, standen bei ihnen auch vermehrt die Spekulanten auf der Türschwelle. „Alle Nationen waren da und wollten meinen Laden haben: Inder, Türken, Österreicher“

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