Hygiene Austria: So lief der Masken-Betrug

Österreichs größter Hersteller von Corona-Schutzmasken, Hygiene Austria, ist nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Doch diesmal geht es nicht nur um eine umstrittene Nähe zur ÖVP in Verbindung mit Millionengeschäften, sondern um den Vorwurf mutmaßlichen Betrugs und organisierter Schwarzarbeit. News konnte, noch kurz bevor die Affäre um "Made in Austria" aufflog, einen Lokalaugenschein in den Produktionshallen unternehmen. Ein Blick hinter die Kulissen des Masken-Skandals.

von Hygiene Austria, Lokalaugenschein © Bild: Matt Observe/News

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Pfft, pfft, iii - Pfft, pfft, iii - im Dauerrhythmus - und bei jedem iii ist eine Maske fertig. Im Sekundentakt und unter beträchtlichem Lärmpegel spucken die Produktionsbänder von Hygiene Austria FFP2-Masken aus. Eine hocheffiziente Massenproduktion mit hohem Qualitätsstandard zum Schutz der österreichischen Konsumenten vor der Ansteckung mit dem Coronavirus. Und eine Win-Win-Situation für alle Seiten -Unternehmen, Kunden und Benutzer. So war zumindest der Eindruck, den Hygiene-Austria-Chef Tino Wieser News noch vor Kurzem bei einem Lokalaugenschein in den Produktionshallen in Wiener Neustadt zu vermitteln versuchte. Nicht unglaubhaft, immerhin handelt es sich bei dem Maskenproduzenten um ein Joint Venture zweier renommierter heimischer Unternehmen - des börsennotierten Faserhersteller Lenzing AG und der Textilkette Palmers.

Hygiene Austria, Lokalaugenschein
© Matt Observe/News IM ZWIELICHT. Hygiene-Austria-Geschäftsführer und Palmers-Miteigentümer Tino Wieser steht im Zentrum eines Riesenskandals. Sollte sich der Vorwurf des schweren gewerbsmäßigen Betrugs erhärten, drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe

Lesen Sie hier: FFP2-Masken: Worauf muss ich achten und kann ich sie wiederverwenden?

Krimi statt Erfolgsstory

Doch mittlerweile ist alles anders. Aus einer vorgeblichen Erfolgsstory wurde ein veritabler Wirtschaftskrimi: Statt wie beworben Ware "made in Austria" zu verkaufen, hat Hygiene Austria in China hergestellte Masken umetikettiert und möglicherweise überteuert weitergegeben. Zudem steht der Vorwurf im Raum, im Unternehmen seien Billigarbeitskräfte schwarz beschäftigt worden.

Vorkommnisse, die zudem eine mittlere politische Krise hervorgerufen haben: Die Opposition fordert geschlossen Aufklärung und die FPÖ gar Neuwahlen, da die österreichische Politik - sprich die ÖVP - eine Mitverantwortung an dem Skandal trage. Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht das anders, doch die Optik ist allemal schief: Der Kanzler absolvierte im Vorjahr am Höhepunkt der ersten Welle selbst einen Betriebsbesuch bei Hygiene Austria und lobte den Unternehmergeist der beiden Eigentümer. Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (alle ÖVP) waren vor Ort. Damals waren Masken hierzulande noch Mangelware, und so ein auch von der Politik propagiertes "Made in Austria"- Maskenwerk eignete sich gut zu Zwecken politischer PR - als weiterer Puzzlestein in der Selbstinszenierung von Kurz als erfolgreichem Krisenmanager. Heute stimmt der Kanzler in den Chor der nach Aufklärung Rufenden ein: "Wenn es hier Betrug gibt, dann sind wir alle betrogen worden." Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt.

Politische Implikationen

Die mögliche politische Dimension des Skandals ist durchaus heikel: Die langjährige Büroleiterin von Sebastian Kurz ist die Schwägerin von Hygiene-Austria-Geschäftsführer Tino Wieser, sie ist die Frau seines Bruders, Luca Wieser, der wiederum Miteigentümer von Palmers ist. Es gab zwar nicht massenhaft Aufträge vom Bund, Hygiene Austria lieferte jedoch auch an Landeskliniken und Krankenhäuser und hatte den Zuschlag bekommen, alle namhaften heimischen Supermarktketten mit Millionen FFP2-Masken "made in Austria" zu beliefern. Für die PR für Hygiene Austria war zudem bis vergangene Woche Gregor Schütze verantwortlich, einst Sprecher von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter, in deren Kabinett zu der Zeit auch Lisa Wieser tätig war. Schütze ist zudem von der ÖVP entsandter Stiftungsrat im ORF.

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© Matt Observe/News MARKANTER STANDORT. Das Palmers-Hochhaus in Wiener Neudorf ist von Weitem sichtbar, das Produktionsgebäude liegt unscheinbar daneben

Seine Agentur legte nach dem Bekanntwerden der Causa das Betreuungsmandat umgehend zurück. Er persönlich möchte sich dazu nicht äußern; aus seinem Umfeld ist aber zu hören, dass das Vertrauen in den Kunden verloren gegangen sei, nachdem peu à peu Malversationen zugegeben worden waren. Die Agentur von Schütze betreute bis Ende 2019 auch Palmers, die Zusammenarbeit sei aber nicht ganz friktionsfrei beendet worden, heißt es. "Und jetzt hat es ihm gereicht, auch weil die Causa zu einem innenpolitischen Thema geworden ist", so ein Insider.

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© Matt Observe/News

Doch der Reihe nach und zurück nach Wiener Neudorf in die Palmers-Zentrale, dorthin, wo alles begann: "Ich bin zu Beginn des ersten Lockdowns im Büro gesessen und habe überlegt, was wir jetzt tun können. Als ich davon erfahren habe, dass Lenzing Masken herstellen soll, habe ich mit deren Chef Stefan Doboczky Kontakt aufgenommen, und nach kurzen intensiven Gesprächen war das Joint Venture beschlossen", schildert Tino Wieser, Hygiene-Austria-Geschäftsführer und Gesellschafter des 49,9-Prozent-Miteigentümers Palmers, im Gespräch mit News den Start des Maskenproduzenten.

China-Connection

Wieser war nach eigenen Worten zu Beginn 2020 bereits im privaten bzw. beruflichen Umfeld mit Covid-19 konfrontiert, als Krankheitsbilder hierzulande noch als atypische Lungenentzündung diagnostiziert wurden. "Wir haben auch eine Niederlassung in Hongkong, und von daher habe ich mitbekommen, welche Dimension Corona dort hatte und welche Mengen an Masken benötigt werden." Am 24. März 2020 wurde Hygiene Austria ins Firmenbuch eingetragen, rund einen Monat später ging die erste Maschine in Betrieb -per Flugzeug aus China geliefert, weil derartige Geräte hierzulande nicht zu bekommen gewesen seien. "Seitdem wurde 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche produziert. Wir haben mit fünf Millionen normalen Masken pro Monat begonnen, ständig aufgestockt und zuletzt 25 Millionen FFP2-Masken hergestellt, in Summe bisher mehr als 100 Millionen Stück", schilderte Wieser, der beim Gespräch zugab, ob des rasanten Wachstums "langsam den Überblick zu verlieren". Rund 30 Maschinen seien es derzeit, so der Hygiene-Austria-Chef beim News-Besuch. Und bald 300 Mitarbeiter: "Begonnen haben wir mit 60."

In der Rückschau sind seine Aussagen wohl mit einer ebensolchen Skepsis zu betrachten, wie sein Arbeitsplatz unorthodox ist: Bei den Produktionshallen neben dem von der Südautobahn markant sichtbaren Palmers-Hochhaus nahe der Shopping City Süd residiert Wieser in einem hallenartigen Raum mit einer großen Fensterfront nach draußen an einem Riesentisch, an dem zeitweise auch andere Mitarbeiter sitzen. Er ist leger gekleidet und ziemlich outspoken. Immerhin hatte der Hygnie-Austria-Chef damals noch eine Erfolgsstory zu vermelden. Und er nimmt es dabei mit Zahlen und Fakten möglicherweise genauso wenig genau wie mit dem Markenzeichen "Made in Austria". Das Gebäude selbst hat offensichtlich schon bessere Tage erlebt; nach dem Eingang über eine Eisenstiege und Gitterplattform geht es durch eine unscheinbare Eingangstür vorbei an Büros im 60er-Jahre-Style zu Wiesers Arbeitsplatz. Und zwar durch die ehemalige Palmers-Küche. Nur dass es in der keine Küchengeräte mehr gibt, sondern nur schmucklose Kacheln mit herausstehenden Rohren.

Unauffälliger Eindruck

In den Produktionshallen schaut es zwar besser aus, alles wirkt aber irgendwie wie schnell hingestellt. Und der Geräuschpegel der Maschinen, die ununterbrochen in Betrieb sind, ist ziemlich hoch. Von irgendwelchen Ungereimtheiten ist nichts zu merken, die Mitarbeiter mit ihren Hauben und Masken arbeiten offenbar konzentriert vor sich hin, führen eingelernte Handgriffe aus und verpacken Masken. Dazwischen ein paar Kontrolleure in gelben Warnwesten, die zwischen den hinter Gittern versperrten Produktionslinien auf und ab gehen. An den Wänden Schilder mit Verhaltenshinweisen: kein Handy -Maske, Haarnetz und Handschuhe tragen. Immerhin handle es sich um "Hygieneartikel", so Wieser damals. Von Masken aus China dagegen ist keine Rede.

»Das Produkt an sich ist nicht schwierig, man muss nur wissen, wie es geht«

Dazwischen und auch vor der Halle stapeln sich Materialballen aus Frankreich, der Ukraine, Deutschland und China. Angeliefert per Lkw, von denen täglich 150 zum Ent- und Beladen auf das Gelände kommen. Das Zuschneiden und die Verarbeitung der Masken geschehen maschinell. Die fünf Schichten Vlies werden mittels Ultraschallschweißen verklebt, danach kommt der Ohrengummi dran. In einer zweiten Halle sei die Aufstellung neuer Maschinen für medizinische Masken geplant, erzählt Wieser - und zeigt auf Mitarbeiter, die auch dort mit dem Verpacken von Masken beschäftigt sind. Oder vielleicht mit dem Umetikettieren von China-Ware? Hergestellt worden seien zuletzt verschiedene Modelle von herkömmlichen oder FFP1- und FFP2- bis zu OP-Masken. "Das Produkt an sich ist nicht schwierig, man muss nur wissen, wie es geht", so Wieser zu den Masken mit dem roten Streifen über der Nase des Trägers. So seien diese "auf den ersten Blick als österreichisches Produkt zu erkennen", sagt Wieser. "Ich freue mich jedes Mal, wenn ich jemanden damit sehe."

Hygiene Austria, Lokalaugenschein
© Matt Observe/News HANDARBEIT. In einer zweiten Halle waren Mitarbeiter vor allem mit dem Verpacken von Masken beschäftigt. Oder mit dem Umetikettieren von China-Ware?

In Zukunft wird das wohl wesentlich seltener als bisher der Fall sein: Die Supermarktketten, die bisher Millionen davon orderten und rund die Hälfte der Hygiene-Austria-Produktion abnahmen, haben ihre Aufträge storniert und die Masken aus dem Sortiment gestrichen. Jetzt werden sie auf ihre Qualität hin untersucht. Verkauft wurden die Masken vor allem in Österreich -nur zwei bis drei Prozent gingen nach Deutschland: etwa an den Montage- und Befestigungsmaterialkonzern Würth oder die Lufthansa. Heute stellt der rote Streifen eher ein sichtbares Manko dar.

Hygiene Austria, Lokalaugenschein
© Matt Observe/News
Hygiene Austria, Lokalaugenschein
© Matt Observe/News HOCHEFFIZIENT. Die Stoffbahnen für die Masken werden maschinell zugeschnitten und verklebt

Kunden prüfen Ansprüche

Die Kunden behalten sich nun rechtliche Schritte vor: etwa das Parlament, wo 23.000 Stück um in Summe 32.000 Euro zum Einsatz kamen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lässt mögliche Ansprüche gegenüber dem Hersteller prüfen. "Wenn eine Bestellung im Vertrauen darauf erfolgt, dass die Kennzeichnung 'Made in Austria' den Tatsachen entspricht, und dann der Verdacht einer vorgetäuschten Herkunftsbezeichnung besteht, kann das nicht ohne Folgen bleiben", so Sobotka. "Wenn sich das bestätigt, werden wir jedes rechtliche Mittel ausschöpfen, um uns für eine Irreführung schadlos zu halten." Auch Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fordert Aufklärung und zieht rechtliche Konsequenzen in Betracht, sollten sich die Vorwürfe erhärten. Das Land soll mehr als vier Millionen Masken gekauft haben. Ebenfalls zu den Hygiene-Austria-Kunden gehören die ÖBB. Mitbewerber wiederum orten eine massive Wettbewerbsverzerrung. Jene, die Qualität "made in Austria" angeboten hätten, fühlten sich betrogen. In der Branche heißt es, es sei de facto unmöglich, ein Qualitätsprodukt aus Österreich in solcher Stückzahl kostendeckend für unter einen Euro anzubieten. "Wir sind in einen Preisstrudel hineingezogen worden und daran fast zugrunde gegangenen", so der Chef des zweiten großen heimischen Produzenten, Aventrium, Dominik Holzner, in der " Kleinen Zeitung". Im Handel werden die Masken zu 59 Cent pro Stück angeboten.

Auch Hygiene-Austria-Chef Wieser beklagt sich, aber nicht wegen des Preises - seinen Worten nach hat er die Masken um "einen Euro bis 1,50 Euro" verkauft, sagt aber jetzt, dass "die Großabnehmerpreise nach Einführung der FFP2-Maskenpflicht um die Hälfte gefallen" seien. Seine Klage gilt dem Umstand, bei der Aktion "65+" der Bundesregierung, mittels der diese Altersgruppe gratis mit FFP2-Masken beschickt wurde, nicht zum Zug gekommen zu sein. 100 zusätzliche Jobs konnten deshalb nicht geschaffen werden.

Organisierte Schwarzarbeit?

Eine Aussage, die im Nachhinein besonders pikant anmutet: Aufgeflogen ist die Causa ja, als Ermittler Telefongespräche eines Menschenhändlerrings abhörten und dabei auf die mutmaßliche Schwarzarbeit bei Hygiene Austria stießen. Dazu passen Berichte, wonach die hygienischen Bedingungen im Betrieb schlecht gewesen sein sollen. Die Zeitarbeitsfirmen, von denen die Mitarbeiter kamen, seien nicht Mitglied im Verband der Personaldienstleister gewesen und hätten sich nicht der dort vorgeschriebenen Qualitätsprüfung unterzogen, heißt es. Ein Hygiene-Austria-Partnerunternehmen soll zu Unrecht Kurzarbeitsgeld bezogen haben, ein anderes als Scheinfirma gemäß Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz identifiziert worden sein. Viele Arbeiter -zum Großteil ausländische oder Langzeitarbeitslose -sollen noch auf ihr Gehalt warten, wird kolportiert. Lediglich elf Mitarbeiter sollen fest angestellt gewesen sein.

Wieser spielt jetzt den Ball den Personaldienstleistern zu: "Für die Bezahlung der Leiharbeiter sind ausschließlich die beauftragten Leiharbeitsfirmen zuständig, mit denen marktübliche und transparente Verträge eingegangen wurden." Die Vorwürfe würden untersucht.

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© Matt Observe/News AM FLIESSBAND. Die FFP2-Masken werden auf Maschinen chinesischen Ursprungs produziert. Zu Hochzeiten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche

Unklarheiten gab es auch bei der Prüfung der Masken. Das CE-Kennzeichen der Masken wurde von einem ungarischen Institut gemacht, da zu dem Zeitpunkt die im Vorjahr in Österreich eingerichtete Prüfstelle nicht zertifizierungsberechtigt war. Bei einer ersten Prüfung sind die Hygiene-Austria-Masken aber durchgefallen; es sollen danach Verbesserungen - angeblich in Form einer zusätzlichen Stoffschicht - gemacht worden sein. Auf Anfrage von News legt Hygiene Austria einen Testbericht zu den lohngefertigten Masken, ein CE-Zertifikat und eine Konformitätserklärung des ungarischen Instituts vor: Sie sind mit 16. Dezember 2020 bzw. 8.3.2021 datiert.

China-Anteil unklar

Nach anfänglichem Leugnen war von Hygiene Austria zugegeben worden, chinesische Masken zur Abdeckung von Spitzen eingeführt zu haben, wie viele genau, ist unklar: Laut Insidern sollen von 20 Masken nur drei "made in Austria" gewesen sein. Ermittler sollen bei der Hausdurchsuchung in den Produktionshallen "knietief in chinesischen Masken gewatet" sein, wird berichtet. Auch Hygiene Austria selbst kann derzeit nicht beantworten, wie viele der Masken vom Lohnfertiger stammen bzw. in den Handel gebracht wurden: "Die Bestandsaufnahme am Standort wird soeben, soweit derzeit möglich, durchgeführt." Wieser sagt, die chinesischen Masken seien zudem "60 bis 100 Prozent teurer" als die aus heimischer Produktion. Man habe "finanzielle Einbußen in Kauf genommen, um die dringend benötigten Schutzmasken für Österreich bereitzustellen". Qualitätsmäßig sei zwischen der China und der Austro-Ware kein Unterschied, sie hätten nahezu FFP3 Qualität. Und er sei davon ausgegangen, dass die Bezeichnung 'Made in Austria' angesichts des österreichischen Know-hows und Baumusters auch für chinesische Masken zulässig gewesen sei, so Wieser in der "ZIB 2". Dubios bleibt der Vorwurf, die seien über eine Liechtensteiner Stiftung abgewickelt worden; was Wieser verneint. Zudem sollen die Lieferungen via Ukraine erfolgt sein. Warum? Vielleicht, um das alles zu verschleiern?

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© Matt Observe/News ANLIEFERUNG. Das Material für die Masken kommt aus Frankreich, Deutschland, der Ukraine und China. Die chinesischen Masken sollen über die Ukraine angeliefert worden sein.

Fakt ist, dass der Imageschaden für das Unternehmen und indirekt wohl auch für die Eigentümer Palmers und Lenzing enorm ist. Wieser spricht von "Vorverurteilungen" und will eine "Transparenzoffensive" starten, um das Vertrauen der Partner und Kunden zurückzugewinnen. Man habe "keinen Vorteil aus der Lohnfertigung gezogen und die Kunden keinem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt".

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© Matt Observe/News Eine der Hauptbeschäftigungen der Mitarbeiter ist Verpacken - eine eintönige Tätigkeit. Der Großteil der Mitarbeiter von Hygiene Austria kommt von fragwürdigen Leiharbeitsfirmen

Seitens des zweiten Eigentümers, Lenzing, der am Montag seine Manager aus der Hygiene Austria abzog, gibt man sich auf Nachfrage von News ziemlich zugeknöpft und geizt mit Details. Stimmt die Aussage Wiesers, wonach "Lenzing mit 15 bis 20 Leuten vor Orten gewesen" sei und für Produktion, Materialbeschaffung plus Qualitätssicherung und Palmers für Verkauf, Marketing, Logistik und Buchhaltung zuständig gewesen sei? Lenzing will das so nicht im Raum stehen lassen, gesteht aber ein, "vor Ort präsent gewesen" zu sein, und verweist auf laufende Untersuchungen.

»Es wurden bereits 50 Vernehmungen durchgeführt«

Wie es jetzt mit Hygiene Austria weitergeht, ist unklar: Zuletzt war eine Jahresproduktion von 600 Millionen Stück Masken geplant, momentan ist diese stark gedrosselt und die Partnerschaft der beiden Eigentümer offensichtlich zerrüttet. Wieser zeigt sich "vom überraschenden Abzug aller Lenzing Mitarbeiter enttäuscht" und will angeblich die Anteile des Partners übernehmen; für den Faserkonzern ist das zum jetzigen Zeitpunkt aber kein Thema. Zuerst müsse alles aufgeklärt werden.

Freiheitsstrafen drohen

Viel wird wohl auch von den weiteren Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft abhängen, die derzeit mit Hochdruck geführt werden. "Es wurden bereits 50 Vernehmungen durch WKStA, Landeskriminalamt Niederösterreich, Bundeskriminalamt und Finanzpolizei durchgeführt", sagt Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl zu den Ermittlungen der strafrechtlichen Relevanz der Vorwürfe gegen Hygiene Austria. Sollten sich die Verdachtsmomente gegen Wieser und eventuell andere Involvierte erhärten, so droht ihnen echtes Ungemach. Ab einer Schadensumme von 300.000 Euro steht bei schwerem bzw. gewerbsmäßigem Betrug eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf bzw. zehn Jahren im Raum. Für organisierte Schwarzarbeit drohen bis zu zwei Jahre Haft. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.