Wie Hunde lernen, Corona zu erschnüffeln

Der beste Freund des Menschen, auch -oder gerade -in Covid-Zeiten: Experten des Bundesheeres und private Trainer arbeiten derzeit unter Hochdruck daran, Hunde das Coronavirus erschnüffeln zu lassen. Erste Versuchsergebnisse machen durchaus Hoffnung.

von Hund © Bild: iStockphoto

Fantasy Forever von Seetalblick ist ein fünfjähriges belgisches Schäferweibchen. "Sehr lernwillig, hoch motiviert, aktiv, arbeitsfreudig, neugierig", listet das Verteidigungsministerium die Eigenschaften in einem Steckbrief der Hündin auf. Fantasy wird derzeit im Militärhundezentrum in Kaisersteinbruch im Burgenland trainiert, das Coronavirus zu erschnüffeln. Die erste Testphase ging Ende Juli zu Ende, nun folgt die Evaluierungsphase. Erst wenn diese abgeschlossen ist, will man sowohl im Militärhundezentrum als auch im Verteidigungsministerium nähere Auskünfte zu diesem Projekt geben, gibt sich Sprecherin Anna- Maria Roth geheimnisvoll.

Bei der Ankündigung des Vorhabens war Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auskunftsfreudiger. "Dass unsere Diensthunde verschiedene Stoffe aufspüren können, ist nichts Neues. Neben einem Kampfmittelspürhund haben wir ebenfalls Suchtmittelspürhunde, die anhand des Geruchs Sprengstoffe oder Suchtgifte erkennen können. Das Coronavirus hat auch vor Österreich nicht haltgemacht. Wir befinden uns daher derzeit in einer Testphase für einen sogenannten Corona-Spürhund. Dieser soll bei Menschen die Erkrankung 'erschnüffeln'", sagt sie.

Coaching für das "Riechhirn"

Bei Menschen die Erkrankung erschnüffeln: Wie kann man sich das vorstellen? Gehen dann Einsatzkräfte, etwa wie am Flughafen, mit Hunden an der Leine an Menschengruppen entlang und warten, ob das Tier bei Erkrankten so anschlagen wie sie das tun, wenn sie Drogen riechen?

Die Wienerin Michaela Marschall bildet in ihrer Firma Project Canis seit vielen Jahren Rettungshunde, aber auch Therapiehunde, Krebsspürhunde und Bettwanzenspürhunde aus. Derzeit arbeitet sie aber auch mit zwei ihrer drei eigenen Hunde daran, zu testen, ob die Tiere das Coronavirus riechen können. "Man kann Hunde auf vieles trainieren, da sie ein unglaubliches Geruchsvermögen haben. Sie haben 300 Millionen Riechzellen -der Mensch hat fünf Millionen", erzählt sie. "Und sie haben ein Riechhirn, sie merken sich also Gerüche. Dieses Riechhirn macht zehn Prozent ihres Gehirns aus, beim Menschen ist es ein Prozent."

Eines stellt sie sofort klar: Aus ethischen Gründen sei es nicht möglich, Hunde direkt an Menschen schnüffeln zu lassen, um festzustellen, ob sie mit dem Coronavirus infiziert sind: "Es ist ein Unterschied, ob ich etwas schmuggle oder krank bin." Fantasy übt derzeit mit Covid-19-Proben, die von Masken abgenommen wurden, die zuvor von Infizierten getragen worden waren. Marschall wiederum lässt ihre beiden Mischlingshunde Fany und Fossy derzeit einmal an einer Pufferlösung schnüffeln.

Die Vierbeiner müssen zunächst zeigen, dass sie aus dieser Lösung minimale Spuren von Futter herausriechen. "Das können sie bereits sehr gut", freut sich Marschall. In einem zweiten Schritt wird sie von der Medizinischen Universität Wien Virusproben in genau dieser Pufferlösung erhalten. Dann wird sich auch zeigen, wie verlässlich die Hunde das Virus riechen können. Bevor es zu diesen Tests mit Virusproben kommt, müssen aber noch diverse Genehmigungen eingeholt werden, erklärt der Virologe Robert Straßl von der Medizinischen Universität.

Sollte die Evaluierungsphase beim Bundesheer zeigen, dass Fantasy mit hoher Verlässlichkeit das Virus riechen kann, wird die Hündin so wie auch Marschalls Hunde weiterhin nicht an Menschen, sondern nur an Proben riechen. Warum? Damit sich die Hunde nicht mit dem Virus infizieren und in der Folge auch der Hundeführer oder die Hundeführerin keinem Risiko ausgesetzt ist. "Man muss alles vermeiden, damit es zu keiner Übertragung kommt", betont Strassl.

Norbert Nowotny ist ebenfalls Virologe, allerdings an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. "Hunde waren die ersten Haustiere, die mit Coronavirusinfektionen in Verbindung gebracht wurden", sagt er. Bisher sind die bekannt gewordenen Fälle allerdings an einer Hand abzuzählen, und es sei auch nicht erwiesen, dass die Tiere tatsächlich mit Covid-19 infiziert gewesen seien. "Bei den wenigen Fällen, in denen das Virus mittels PCR-Test nachgewiesen wurde, hat es sich um Hunde gehandelt, die in Haushalten von Covid-19-Patienten gelebt haben. Wir nehmen an, dass sich das Virus auf Oberflächen befunden hat und die Tiere daran geschnüffelt haben. Es ist also wahrscheinlich mechanisch auf die Hundeschnauzen gelangt." Bei anderen Tieren wisse man inzwischen, dass sie sich sicher mit dem Virus anstecken können: Das seien Frettchen und Nerze. Bei Hunden wurde das Virus zwar nachgewiesen, nicht aber eben eine tatsächliche Infektion.

»Ab einer Trefferquote von 90 Prozent ist der Einsatz von Hunden sinnvoll«

Inaktiviertes Virus

Nichtsdestotrotz plädiert auch Nowotny dafür, hier vorsichtig zu sein. Noch wisse man einfach zu wenig über das Virus. Zuletzt wurde eine Studie italienischer Forscher veröffentlicht, die in Norditalien 540 Hunde und 277 Katzen untersuchten, die in Haushalten von Personen lebten, die positiv auf das Coronavirus Covid-19 getestet worden waren. Das Ergebnis: 3,4 Prozent der Hunde und 3,9 Prozent der Katzen hatten Antikörper gegen das Virus gebildet. Straßl wird daher in jenen Proben, die aus Abstrichen von Infizierten gewonnen werden, mit denen Marschall mit ihren Hunden Fany und Fossy trainieren wird, zuvor das Virus inaktivieren lassen. Dazu wird ein Reagenz verwendet. Auch das Bundesheer arbeitet mit inaktivierten Viren: Dort wird dazu allerdings UV-Strahlung eingesetzt.

Als sinnvoll sähe Marschall den Einsatz von Coronaspürhunden, wenn deren Trefferquote bei 90 Prozent oder höher läge. Dass das machbar ist, zeigen derzeit ähnliche Tests in Deutschland, wo die Bundeswehr mit einem Forscherteam unter der Leitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover ebenfalls den möglichen Einsatz von Hunden zum Erschnüffeln des Coronavirus prüft. Hier kamen im Rahmen einer Studie acht Hunde zum Einsatz - und sie zeigten Erfolg versprechende Ergebnisse: Am Ende des Trainings konnten sie von 1.012 Speichel-oder Tracheobronchialsekretproben 94 Prozent korrekt als virushältig oder nicht angeben.

Wie aber können Hunde anzeigen, ob sie das Virus riechen? Marschall hat zwei ihrer Hunde ins Hundezentrum Wien, eine Hundeschule und -tagesstätte, mitgebracht, das sie neben ihrem Projekt Canis mit einer Partnerin führt: Fany, die sich derzeit in der Vorversuchs-Phase des Covid-19-Virus-Erschnüffelns befindet, und den Berner Sennenhund Hugo, der vor einigen Jahren lernte, Lungenkrebs zu riechen. Hier führen die beiden Tiere auch vor der Kamera des Fotografen vor, wie sie anzeigen, ob eine Probe positiv ist oder nicht: In Plastikschemel hat Marschall Röhrchen mit der Pufferlösung gesteckt. Handelt es sich nur um Pufferlösung, gehen die Hunde rasch zur nächsten Probe. Enthält die Lösung auch kleine Mengen von Futter, setzen sich die Hunde vor den Schemel hin. So zeigen sie an, dass sie etwas gerochen haben -und werden dann umgehend mit einem Leckerli belohnt.

Faszinierende Schnelligkeit

Was fasziniert, ist die Schnelligkeit. Es dauert nur wenige Sekunden, bis die beiden Hunde die insgesamt drei Proben abgerochen haben. Hier liegt auch das Potenzial des Einsatzes von Coronavirusspürhunden, erläutert Marschall. Wie schon bisher müsste zunächst ein Abstrich von Nase und Rachen erfolgen und dann bei den genommenen Proben das Virus deaktiviert werden. Dann aber könnte ein Spürhund in kürzester Zeit zig Proben ablaufen und anzeigen, ob eine Probe das Virus enthält oder nicht. So gewinne man Zeit. "Wir hören ja auch ständig in den Medien, dass die Tests noch immer viel zu lange dauern. Die Hunde könnten das beschleunigen."

Österreichweit wurden bisher etwas über 900.000 PCR-Tests durchgeführt. Inzwischen fielen deutlich mehr als 21.000 dieser Tests positiv aus. Tritt ein Cluster auf wie etwa vor einigen Wochen in Postzentren in Wien und Niederösterreich oder zuletzt im Urlaubsort St. Wolfgang, ist es wichtig, schnell zu Ergebnissen zu kommen, um so die Infektionskette zu unterbrechen.

Ein auf das Erschnüffeln des Virus trainierter Hund könne unter optimalen Bedingungen, also ohne Beeinträchtigungen etwa durch Lärm, Hitze oder andere Gerüche, 20 Minuten konzentriert arbeiten, sagt Marschall. Dann braucht er eine etwa halbstündige Pause, nach der er aber abermals eingesetzt werden kann. Gibt es also eine vorbereitete Umgebung, in der die Proben zunächst in großer Zahl hintereinander fixiert werden, könnte ein Hund so durchaus innerhalb eines Tages an die 1.000 Proben ablaufen und angeben, welche er auf Grund des Geruchs als positiv identifiziert, meint die Hundeexpertin.

Straßl kann sich den Einsatz von Hunden dabei vor allem als Vorscreening-Methode im Spital vorstellen. "Die Hunde sagen sehr rasch Ja oder Nein. Wir könnten dann Proben vorziehen oder Patienten gleich isolieren. Mit Reagenzien nachtesten muss man dann aber auf jeden Fall."

Das ist auch deshalb nötig, da man derzeit nicht weiß, ob Hunde das Virus nur riechen können, wenn Infizierte Symptome zeigen, oder auch bei asymptomatischen Verläufen. "Wir wissen noch nicht, ob ein Hund das Virus riecht oder ob der Mensch im Zug der Krankheit Gerüche entwickelt", so der Virologe der Medizinischen Universität Wien. "Die Vorversuche, die von Marschall durchgeführt wurden, scheinen aber vielversprechend", sagt Straßl.

Nun bleibt abzuwarten, was die Evaluierung des Trainings der Bundesheer-Hündin Fantasy zeigt -aber auch ähnliche Testläufe weltweit wie eben jenem bei der deutschen Bundeswehr. Dass Hunde als Drogen-oder Falschgeldspürhunde eingesetzt werden, ist schon lange der Fall. Zunehmend setzt man die klugen Tiere aber auch im medizinischen Bereich ein: einerseits als Assistenzhunde etwa von Epilepsie-oder Diabetespatienten, aber eben auch zum Aufspüren von Krankheiten wie Krebs oder Malaria. In der aktuellen Corona-Pandemie könnten sie dazu beitragen, dass Abstriche, die potenziell Covid-19-positiv sind, rascher überprüft und damit Infizierte rascher isoliert werden.

Der beste Freund des Menschen als Helfer gegen Covid -das ist längst mehr als nur eine sentimentale Hoffnung.