Reise in die Vergangenheit

Gleich zwei neue Hotels im Stil der alten Tage öffnen diesen Spätsommer ihre Pforten und holen den Glamour der Zwanzigerjahre zurück in die Hauptstadt. Nostalgie trifft auf "Slow Tourism": Eine vielversprechende Kombination, die nicht nur Touristen anlocken soll.

von Lifestyle - Reise in die Vergangenheit © Bild: OliverJiszda

Schon beim Betreten der Lobby fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt: Das ehemalige Hotel Kummer an der Mariahilfer Straße trägt nun die Handschrift Bernd Schlachers, Motto-Group-Chef und Gastronom, und einen neuen Namen: Hotel Motto.

Das geschichtsträchtige Haus ist mithilfe des Architekten Arkan Zeytinoglu zu einem Lifestylehotel geworden und vereint Pariser Chic der Zwanziger-und Dreißigerjahre mit modernem Komfort und Industrial Style. Der ursprüngliche Barockund Renaissance-Charme des ehemaligen Hotels Kummer wurde würdig in die Gegenwart übersetzt. Trotz der aufwendigen Handarbeit, die das Haus vom imposanten Treppengeländer bis zu den Möbeln schmückt, wirkt das Hotel aber keinesfalls prätentiös. Ganz im Gegenteil. "Honeymooners" werden sich hier ebenso wohlfühlen wie Geschäftsleute und Locals, die auf einen schnellen After-Work-Drink im hoteleigenen Restaurant Chez Bernard vorbeischauen.

© OliverJiszda Das ehemalige Hotel Kummer an der Mariahilfer Straße wurde zum Hotel Motto. Der Charme der "Goldenen Zwanziger" ist in jedem Zimmer erlebbar

Für den frankophilen Bernd Schlacher geht mit dieser Umsetzung ein Traum in Erfüllung: "Ich liebe Paris. Die Grundidee war, das Paris der Zwanzigerjahre und dieses ganz spezielle Lebensgefühl nach Wien zu bringen." Das ist Schlacher auch gelungen - wortwörtlich. Teile der Einrichtung, wie die beiden Sofas in der Lobby, ersteigerte der gebürtige Steirer bei einer Auktion in Paris. Früher zierten die Möbel das Hotel Ritz.

Paris zu Gast in Wien

Es ist ebendiese Liebe zum Detail, die das Hotel Motto zu einem ganz besonderen Ort macht. Jedes Champagnerglas und jeden Spiegel hat der Parisliebhaber persönlich ausgewählt. Neben handverlesenen Auktionsobjekten zeigt sich im Hotel Motto auch traditionelle Handwerkskunst von ihrer besten Seite. Stoffbezogene Wände mit üppigem, fantasievollem Muster und von den Arkan Zeytinoglu Architects eigens entworfene Teppiche und Fliesen bilden den Rahmen für originelle Vintage-Möbel und charmante Details wie die kleine Cocktailbar in jedem der 83 Zimmer und acht Junior-Suiten. Selbst die Messingtürgriffe, die Klimaanlagenverkleidung und zahlreiche Lampen sind Unikate.

»Ich liebe Paris. Die Grundidee war, das Paris der Zwanzigerjahre nach Wien zu bringen«

Perfekt ins Bild passt auch das Gastrokonzept. Die hauseigene Boulangerie Motto Brot ist über die Mariahilfer Straße begehbar. Das Rooftop-Restaurant Chez Bernard hat gute Chancen, zum neuen Hotspot der Wiener Lokalszene zu avancieren. Das lichtdurchflutete Restaurant verteilt sich auf zwei Stockwerke und serviert ehrliche Gerichte mit französischen, österreichischen und nordafrikanischen Einflüssen. Kühle Cocktails können in bequemen Loungesesseln mit spektakulärem Blick über den sechsten Gemeindebezirk genossen werden.

Neues Highlight der Gastroszene

Diese stylishe Lokalperle will Schlacher aber nicht nur seinen Übernachtungsgästen vorbehalten. Auch die Wiener Bevölkerung soll hier Zeit verbringen. "Die Gastronomie in Hotels ist enorm wichtig und sie wird immer wichtiger werden. In vielen Metropolen der Welt, wie New York oder Paris, ist es völlig normal, dass auch Locals in Hotels brunchen gehen und dass die coolsten Restaurants und Bars der Stadt in den Hotels sind. Nur in Wien ist das noch nicht so angekommen. Das wollte ich ändern."

© OliverJiszda Elegantes Raumdesign und ein durchdachtes Gastrokonzept: Im Hotel Motto kommen Designfans und Gourmets auf ihre Kosten

Von Fürst zu Josefine

Mit Spannung erwartet wurde auch die Renaissance des ehemaligen Hotels Fürst Metternich ein paar Straßen weiter. Manfred Stallmajer von The Guesthouse Vienna und seine Partner hauchten einem alten Objekt neues Leben ein und kreierten so ein weiteres Hoteljuwel in der Stadt.

Im Jahr 2019 schloss das historische Hotel nach 20 Jahren seinen Betriebsstandort, und auch der Barfly's Club musste ausziehen. Gemeinsam mit Daniel Hora vom Architekturbüro Megatabs verwandelte Stallmajer das Gebäude in ein einmaliges Boutiquehotel, das heute den Namen Die Josefine trägt. Er holte nicht nur den Charme der Zwanziger in das Haus zurück, sondern auch den Barfly's Club.

© Tina Herzl Mit der Josefine durfte auch die erste American Bar Wiens wieder einziehen: Der Barfly's Club erstrahlt in noch nie da gewesenem Glanz

Namensgeberin des Hauses ist die junge Aristokratin Josephine de Bourblanc, die als Tochter eines Botschafters 1895 in Wien zur Welt kam. Sie kehrte nach ihrem Studium an der Sorbonne als Josefine nach Wien zurück und fand vor der russischen Revolution in jenem Haus in der Esterházygasse Unterschlupf, das ihr Vater einst erworben hatte.

Sie versammelte ihr Gefolge, bestehend aus Kunstschaffenden und Kreativen, um sich, und allmählich wurde aus dem ehemaligen Wohnhaus ein Hotel und Zufluchtsort für Intellektuelle. Immer dabei war Josefines Notizbuch, in dem sie Anekdoten aus ihrem Alltag festhielt.

Mut zu analog

Details aus ihren Erzählungen finden sich auch heute in den 49 Zimmern des frisch renovierten Boutiquehotels wieder. Art déco, Wiener Geflecht, Kristallluster, samtbezogene Sofaelemente, Wände aus grünem Marmor und große Spiegel kreieren eine Atmosphäre, die Theda Bara und Jay Gatsby garantiert als Stammgäste angezogen hätte. Es waren die verspielte Fassade des Hauses und seine Geschichte, die Stallmajer in seiner Entscheidung bestärkten, das Gebäude in seinen ursprünglichen Glanz zurückzuversetzen. Zeitlose Ästhetik, so scheint es, wird bei Hotelobjekten immer wichtiger. "Selbst nach 100 Jahren empfinden wir die Zwanzigerjahre immer noch als schön", so der Hotelier.

© Tina Herzl

Nicht nur optisch versprüht das Josefine den Charme der Goldenen Zwanziger. Als durchaus mutig könnte man die Entscheidung der Hoteliers begreifen, nicht jedes Zimmer mit einem Fernseher auszustatten und Wählscheibentelefone in den Zimmern zu installieren. Auch die Türen werden noch "old school" versperrt: Statt unansehnlicher Schlüsselkarten erhalten Gäste an der Rezeption echte Schlüssel für ihre Zimmer.

An Annehmlichkeiten mangelt es aber keineswegs. In der Honesty Bar kann man in Thonet-Sesseln bei einem Glas Wein und Schallplattenklängen entspannen oder Cocktails im Barfly's Club einnehmen, der selbstverständlich auch Locals bewirtet. Und falls ein Gast doch ein bisschen weniger analog sein möchte, kann er sich an der Rezeption immer ein Tablet fürs Zimmer ausborgen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 37/2021.