Deutschland: Kommt die Ehe für alle?

Merkel forderte "Gewissensentscheidung"

Nach den überraschenden Äußerungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zur "Ehe für alle" könnte Österreichs Nachbarland möglicherweise noch vor der Bundestagswahl im September einen entsprechenden Beschluss fassen. Mehrere Abgeordnete, darunter auch Parlamentarier von Merkels CDU, pochten auf eine sofortige Abstimmung, nachdem Merkel eine "Gewissensentscheidung" ins Spiel gebracht hatte.

von Homosexualität - Deutschland: Kommt die Ehe für alle? © Bild: AFP or licensors

SPD, Grüne und Linke fordern schon länger die Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Kürzlich legte sich auch der potenzielle Koalitionspartner von Merkels Union nach der Bundestagswahl, die liberale FDP, darauf fest. Der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), Alexander Vogt, begrüßte Merkels Aussagen. Nun sei "klar, wo die Reise hingeht", sagte Vogt. Die Homosexuellenvereinigung in CDU und CSU würde sich "eine Abstimmung bereits am Donnerstag wünschen". Merkels Vorschlag könne aber auch darauf abzielen, "die Union auf die Koalitionsverhandlungen vorzubereiten". Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, forderte eine sofortige Abstimmung. "Die Abgeordneten sollten jetzt ohne Fraktionszwang entscheiden, und das noch vor der Sommerpause", sagte Lüders in Berlin. "Lesben und Schwule sollten jetzt nicht wieder monatelang warten müssen."

»Die Abgeordneten sollten jetzt ohne Fraktionszwang entscheiden, und das noch vor der Sommerpause«

In sozialen Netzwerken war die #Ehefueralle in der Nacht auf Dienstag ein vieldiskutiertes Thema. "Merkel will erst in nächster Wahlperiode frei über die Ehe für alle entscheiden lassen? Warum? Wir können diese Woche abstimmen. Auf geht's!", twitterte der gleichstellungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sönke Rix. Gleiches forderten mehrere Grünen-Politiker, die Parteivorsitzende Simone Peter schrieb in dem Kurznachrichtendienst: "Wir warten auf die politische Initiative, nachdem die Ehe für alle letzte Woche im Bundestag zum 30. Mal vertagt wurde!"

Diskussion in Richtung einer Gewissensentscheidung

Merkel war zuvor vom klaren Nein der CDU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt. Die CDU-Vorsitzende erklärte am Montagabend in Berlin, sie wünsche sich eine Diskussion, die "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht". Bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag ohne Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat Merkel die Linie mit CSU-Chef Horst Seehofer abgesprochen.

Gleichstellung homosexueller Partnerschaften bisher abgelehnt.

Die Union hatte die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften bisher abgelehnt. SPD, Grüne und FDP machen sie zur Bedingung für eine Koalition - und auch in Teilen der CDU gibt es Zustimmung: So schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann kurz nach Merkels Äußerungen auf Twitter: "Danke Angela Merkel! Wie befreiend! Von mir aus könnten wir gerne noch diese Woche abstimmen!"

Abstimmung über "Ehe für alle" diese Woche

Nach dem Schwenk der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der "Ehe für alle" wird es noch in dieser Woche eine Parlamentsabstimmung dazu geben. Dies kündigte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin an. Parteichef Martin Schulz hatte zuvor angedeutet, dass die SPD in dieser Frage zu einem Koalitionsbruch bereit wäre. Das Votum "wird diese Woche passieren", sagte Oppermann. Die SPD werde dafür sorgen, dass ein Antrag der rheinland-pfälzischen Landesregierung aus dem Bundesrat zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Bundestag zur Abstimmung gebracht werde, sagte Schulz. Er äußerte die Hoffnung, "dass die Kollegen der Union dabei mitziehen werden.

»Das Votum "wird diese Woche passieren«

Ansonsten wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion heute Nachmittag in ihrer Sitzung die weiteren prozeduralen Schritte beschließen und einleiten". Die SPD reagierte mit ihrem Schritt auf die Ankündigung von Kanzlerin Merkel, bei einem Votum über die "Ehe für alle" den Fraktionszwang aufheben zu wollen. Allerdings will die Union erst nach der Bundestagswahl im September darüber abstimmen lassen. SPD, Grüne und Linke haben im Bundestag eine knappe Mehrheit, doch hatten die Sozialdemokraten bisher aus Koalitionsdisziplin davon abgesehen, Vorstöße zur Einführung der "Ehe für alle" zu unterstützen.

"Homo-Ehe" in Österreich: Kern appelliert an ÖVP

Kanzler Christian Kern (SPÖ) pocht auf eine möglichst rasche Öffnung der Ehe für Homosexuelle: Er schlage vor, dass alle Fraktionen ihren Mandataren eine entsprechende Abstimmung freigeben und sie nach ihrem Gewissen entscheiden lassen, erklärte Kern am Dienstag gegenüber der APA. Die SPÖ werde das ab sofort so halten, sollte es in den kommenden Plenartagen eine Abstimmung geben.

Hintergrund für Kerns Appell ist die Ankündigung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), bei einem Votum über die "Ehe für alle" den Fraktionszwang aufzuheben. Er lade alle Parteien ein, dem Beispiel zu folgen, schrieb Kern auf Facebook. "Liebe darf keine Frage des Klubzwangs sein."

Auf die Frage, ob die SPÖ im Plenum einen entsprechenden Antrag auf Öffnung der Ehe für Homosexuelle einbringen wird, verwies der Kanzler gegenüber der APA darauf, dass mehrere Initiativen dazu bereits im Parlament liegen, etwa seitens der NEOS (die man per Fristsetzung zur Abstimmung bringen müsste, Anm.). Wenn es zu einer Abstimmung komme, sei den roten Abgeordneten freigegeben, mitzustimmen. Im Plenum Mitte Mai hatte die SPÖ ihren scheidenden Koalitionspartner ÖVP bei einer Fristsetzung für einen entsprechenden Grünen-Antrag noch nicht überstimmt.

Anfang Juni hat Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) der ÖVP einen Gesetzesentwurf für die Öffnung der Ehe für gleich geschlechtliche Partnerschaften übermittelt, die Schwarzen zeigten bisher allerdings keine Bereitschaft, ihn umzusetzen.

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