Homeoffice: Warum es
Frauen stärker belastet

Homeoffice treibt während der Pandemie die Kosten für rund 42 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in die Höhe. Silvia Hruška-Frank, Rechtsexpertin der Arbeiterkammer (AK), schreibt über die Herausforderungen von Heimarbeit, warum Frauen stärker belastet sind und wer künftig für die Kosten aufkommt.

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Homeoffice © Bild: iStockphoto.com/pixdeluxe
Silvia Hruška-Frank ist Leiterin der sozialpolitischen Abteilung in der Arbeiterkammer Wien. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich die AK-Expertin und Juristin mit folgenden Themen: Grundlagenarbeit zu Sozialpolitik und Sozialstaat, Arbeitsrechtspolitik und Arbeitsrechtsentwicklung, Mitbestimmung (Arbeitsverfassung, Aufsichtsrat) und allgemeines Arbeitsrecht und Arbeitszeit.


Umwälzung der Kosten

Die Herausforderungen, denen sich die Menschen in Österreich pandemiebedingt stellen mussten und müssen, sind vielfach schwierig und mit erheblichen Einschränkungen des täglichen Lebens verbunden. Vor allem das Arbeitsleben ist davon in besonderer Weise betroffen. In einem beispiellosen Kraftakt haben die ArbeitnehmerInnen nicht nur das System am Laufen gehalten, sondern vielfach auch persönliche Ressourcen eingesetzt, um ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Wie die Beratungserfahrungen der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und den Arbeiterkammern zeigen, war dies aber oftmals nur mit besonderen Anstrengungen möglich. Der Einsatz privater Infrastruktur wie Laptop, Internet, etc. führte zu einem Überwälzen von Kosten vom Betrieb auf die ArbeitnehmerInnen. Wohn- oder Familienverhältnisse, die ein Arbeiten von zu Hause aus sehr schwierig gestalteten, waren Inhalt der vielen tausenden Beratungen, die GPA und AK in den letzten Monaten durchgeführt haben.

Silvia Hruska-Frank
© AK Silvia Hruška-Frank

Laut einer im Auftrag der AK durchgeführten IFES-Befragung im April und Oktober 2020 mit jeweils mehr als 2.000 befragten Personen haben in der Hauptphase des Lockdowns rund 42 % der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice gearbeitet. Dieser Wert zeigte sich in etwa auch bei den anderen – mir bekannten – Forschungsergebnissen in Österreich. Beim restlichen Anteil der ArbeitnehmerInnen wurde angegeben, dass Homeoffice aufgrund der Art der Tätigkeit oder Struktur des Betriebs nicht möglich ist. Das Phänomen betrifft somit aber eine sehr große Gruppe von Beschäftigten in Österreich und wird zahlreiche Menschen weiter begleiten.

Spreizung der Arbeitsrealität von Frauen und Männern

Die Erhebungen haben gezeigt, dass die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice zwar grundsätzlich gut ist, allerdings auch zahlreiche Nachteile zu Tage treten. Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl hat daher bereits im Frühjahr 2020 eine faire und gerechte gesetzliche Regelung für Homeoffice gefordert. Insbesondere die Spreizung der Arbeitsrealität von Frauen und Männern wurde wieder einmal besonders augenfällig: Nicht nur, das Homeschooling, Distance Learning und andere Formen der Kinderbetreuung mit dem gleichzeitigen Anspruch, unvermindert zu arbeiten, eine in dieser Form unbekannte Belastung für Frauen sind und waren, hat sich bei der IFES-Befragung auch deutlich gezeigt, dass die technische Ausstattung im Homeoffice für Frauen ungleich schlechter ist.

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Die ergonomische Beanspruchung ist für Frauen insofern wesentlich negativer, als man vereinfacht gesagt den Befund ziehen muss, Frauen arbeiten im Homeoffice häufig am Küchenstockerl. Die zweite Befragungswelle von IFES im Herbst 2020 zeigte leider, dass es sich dabei nicht bloß um Anfangsschwierigkeiten handelte, sondern sich diese besonders schlechte Ausstattung – nicht nur mit Möbeln, sondern auch mit digitalen Arbeitsmitteln über die Monate der Pandemie manifestierte und sich bei circa einem Drittel der Betroffenen nichts strukturell änderte. Kinderbetreuung und -beschulung mit Arbeit im Homeoffice zeitgleich zu verbinden, ist ein Kraftakt der grundsätzlich nicht gelingen kann. Daher wurde auch eine massive Ausfransung der Arbeitszeiten nicht nur erlebt, sondern auch in Studien belegt. Fazit ist: Das Homeoffice der Zukunft braucht bessere Spielregeln und einen fixen Rahmen, der dem Schutzcharakter des Arbeitsrechts entspricht. Denn wenn die psychische und physische Gesundheit flöten gehen, wird das teuer – für uns alle.

Bis zu 600 Euro jährlich steuerfrei

Die Bundesregierung hat daher die österreichischen SozialpartnerInnen (Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund – die Industriellenvereinigung wurde beigezogen) beauftragt, einen rechtlichen Rahmen ausbalanciert zu verhandeln, der nicht nur für die Zeit der Pandemie, sondern auch für die Zeit danach gelten wird. Künftig bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung mit gesetzlich verankertem Rücktrittsrecht, um die Freiwilligkeit von Homeoffice sicherzustellen. Weiters wird der Bedeutung von Betriebsvereinbarungen zu Homeoffice Rechnung getragen, indem diese explizit im Arbeitsverfassungsgesetz eingeführt wird. In der Pandemie hat sich nämlich gezeigt, dass die Zufriedenheit in Betrieben mit bereits bestehender Betriebsvereinbarung am weitaus besten war, die Unternehmen waren einfach besser vorbereitet.

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ArbeitgeberInnen müssen zukünftig die digitalen Arbeitsmittel bereitstellen oder einen angemessenen Kostenersatz für die Nutzung privater digitaler Arbeitsmittel leisten. Dabei werden Beiträge bis zu EUR 300,- jährlich steuerfrei. Für mehr Ergonomie im Homeoffice gibt es einen steuerlichen Anreiz: Im Rahmen von Werbungskosten können zukünftig weitere EUR 300,- jährlich abgesetzt werden.

Datenschutz als große Herausforderung

Eine große Herausforderung bleibt für die Unternehmen: Auch bei der Arbeit im Homeoffice sind Datenschutz und die Sicherheit der verwendeten IT-Systeme von großer Bedeutung. Der sorgsame Umgang mit personenbezogenen Daten und Geschäftsinformationen setzt im Homeoffice jedoch zusätzliche Maßnahmen voraus, dies wurde den betrieblichen Verantwortlichen erst nach und nach klar. Ein Grund dafür ist, dass laut IFES-Umfrage im Herbst 2020 noch immer ca ein Drittel der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice auch mit privaten Geräten und in einer privaten Infrastruktur (WLAN) arbeiten, die nicht unbedingt den betrieblichen Sicherheitskriterien entspricht.

»Die dabei gewählten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur IT-Sicherheit können jedoch auch zur Kontrolle der MitarbeiterInnen verwendet werden«

Nach Art 32 der EU-Datenschutz-Grundverordnung müssen aber betriebliche Verantwortliche „unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und
Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten“. Die dabei gewählten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur IT-Sicherheit können jedoch auch zur Kontrolle der MitarbeiterInnen verwendet werden.

In der Beratungspraxis der Arbeiterkammern werden wir mit immer mehr Verunsicherung von betroffenen ArbeitnehmerInnen konfrontiert. In Betrieben mit Betriebsrat gibt es zu einem sehr großen Teil bereits Betriebsvereinbarungen zum Thema Datenschutz. In Betrieben ohne Betriebsrat ist der Beschäftigtendatenschutz jedoch meistens ein ungeliebtes Stiefkind – von Unternehmensseite fühlt sich niemand zuständig – von den ArbeitnehmerInnen traut sich keineR nachzufragen. Neben notwendiger niederschwelliger Information zu Datensicherheit im Homeoffice stärken betriebliche Regelungen und insbesondere Betriebsvereinbarungen die Position der im Homeoffice-Arbeit leistenden Menschen. Der digitale Wandel muss von der gesamten Gesellschaft mitgestaltet werden. Mitgestaltung und Demokratie in der Arbeitswelt geht nur mit Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen. Hier gibt es noch viel zu tun.

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