Vom Homeoffice ins Burnout

Die Corona-Pandemie hat wahrscheinlich größere Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Herrn und Frau Österreicher als gedacht. Der "Lock-Down" brachte für einige Menschen neben wirtschaftlichen Veränderungen, hervorgebracht durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, auch persönliche, noch nie dagewesene Veränderungen durch das vermehrte Arbeiten im häuslichen Bereich, das "Homeoffice", mit sich.

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Gastkommentar - Vom Homeoffice ins Burnout © Bild: iStockphoto.com
MMag. Nicole Trummer ist Psychotherapeutin, Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Arbeitspsychologin mit Schwerpunkt unter anderem auf Stress, Burnout, Burnout-Prävention, Ängsten, Zwängen und Phobien.
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Die Folgen dieses für viele Österreicher veränderten Arbeitens werden für mich in meiner täglichen Arbeit als Psychotherapeutin und Psychologin immer deutlicher. So konnte ich bei einigen Menschen sowohl in meinem beruflichen wie auch in meinem privaten Bereich eine Zunahme von Stresssymptomen erkennen und im Gespräch feststellen, dass es sich dabei um ein Burnout, ein Erschöpfungssyndrom, handelt.

Der Begriff Burnout stammt aus dem technischen Bereich, um das Aus- bzw. Abbrennen von Brennstoffelementen zu beschreiben. In Bezug auf das "menschliche Ausgebrannt-Sein" wurde er erstmals in den 70er Jahren von einem amerikanischen Psychoanalytiker, H.J. Freudenberger, verwendet. Was aber nicht bedeutet, dass es den Zustand des Erschöpft-Seins erst seit den 1970ern gibt, nein!!! Soziologen weisen darauf hin, dass sich das Burnout-Syndrom bereits im 18. Jahrhundert zeigte, in der Zeit, in der sich sozusagen alles beschleunigte, die Wirtschaft in Schwung kam. Die Wirtschaft veränderte sich und es gab immer weniger Zeit, in der immer mehr hergestellt werden musste. Der Druck auf den Menschen nahm zu und seit damals tut der dies stets.

Corona: Keiner ist vor den psychischen Folgen gefeit

Es gibt viele Definitionen von Burnout. Ich würde aber kurzweg sagen, dass es sich dabei um einen schleichenden, chronifizierenden Erschöpfungszustand mit wechselnden Symptomen handelt, die sich sowohl im mentalen als auch im emotionalen und körperlichen Bereich zeigen können. Die Betroffenen berichten häufig von Ein- oder Durchschlafproblemen, Unruhe, Nervosität, dem Gefühl, etwas nicht erledigt zu haben. Magenschmerzen, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen bis hin zu Migräneattacken werden beschrieben. Die persönliche Stimmung sei meist gereizt oder auch labil und Kleinigkeiten, denen man früher "locker" gegenüber trat, würden oft schon einen Weinanfall auslösen. Die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sei deutlich minimiert und neben Nacken- und Schulterverspannungen wird eine körperliche wie auch psychische Unfähigkeit, sich zu entspannen, beschrieben. Viele berichten von einem permanent anhaltenden Stressempfinden und dem Wunsch, sich einfach nur irgendwohin zurückziehen zu können.

Ja, und da haben wir die Krux durch die Corona-Pandemie, eine Zeit, in der viele den Großteil des Tages auf sehr engem Raum gemeinsam mit den restlichen Mitbewohnern und/oder Familienmitgliedern verbringen mussten. Es spielte sich, im Gegensatz zu sonst, alles auf ein paar Quadratmetern ab. Eine Work-Live-Balance konnte von vielen aufgrund des Arbeitsplatzes in den eigenen vier Wänden nicht hergestellt werden. Auch der Weg ins Freie war nicht so sorglos wie sonst, begleitet von unguten Gefühlen, vielen Ängsten und der Sorge um die eigene Gesundheit und die seiner Lieben. Aus diesem Grund verbrachten doch einige Personen den Großteil der Zeit der Ausgangsbeschränkung zu Hause, sowohl privat wie auch arbeitend.

Die einen erlebten durch das Homeoffice mehr Flexibilität und Freiheit, für andere stellte diese Umstellung eine deutliche Überforderung dar. Eine zunehmende Belastung, eine Erschöpfung mit dem Gefühl des Ausgebrannt-Seins machte sich breit, die auch jetzt noch, nach der großteils vollzogenen Rückkehr ins Office, gegeben ist.

Mögliche Ursachen fürs Burnout

Warum es den einen so und den anderen so erging und viele auch ohne eigenes Zutun in ein Burnout geschlittert sind, lässt sich anhand von ein paar Fakten erklären. Familie und Beruf unter ein Dach zu bringen, kann gut gelingen, wenn eine gute Struktur gegeben ist. Eine gute Struktur sowohl bei sich selbst als auch durch den Dienstgeber, denn wir wissen, dass sozusagen zwei Wege in ein Burnout führen können.

» Stress stand an der Tagesordnung und Angst war oftmals der Begleiter«

Der eine Weg ist jener der Burnout-prädestinierten Persönlichkeit, der sogenannten Selbstverbrenner. Bei ihnen sind innere Faktoren für ihr Ausgebrannt-Sein verantwortlich. Kurzum, sie treibt ihr eigener Perfektionismus in die Erschöpfung. Der andere Weg wäre jener über das Umfeld, über die äußeren Faktoren. Diese spielten meiner Meinung nach im Zuge des Lock-Downs eine nicht so unbedeutende Rolle.

Viele Unternehmen und Führungskräfte mussten sich schnell und ohne Vorbereitung der veränderten Situation anpassen. Dies gelang auch vielen sehr gut. Als Arbeitspsychologin erlaube ich mir zu sagen, das war wohl bei jenen der Fall, die auch schon vor dem Lock-Down gute Führungskräfte waren. Sie haben auch schon davor ihre Fürsorgepflicht ernst genommen, haben mit den Mitarbeitern kommuniziert und sind ihnen mit Wertschätzung begegnet. Die fehlende Erfahrung im Online-Führen, die virtuelle Steuerung von Teams, das nicht vorhandene Equipment, die fehlende Vertrautheit im Umgang mit der Technik usw. erforderten sowohl für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer eine hohes Maß an Flexibilität. Stress stand an der Tagesordnung und Angst war oftmals der Begleiter. "Bekomme ich das morgen mit der Anmeldung zum Meeting hin?", "Kann ich vor den anderen nachfragen, ob ich den Arbeitsauftrag richtig verstanden habe? Oder wie stehe ich dann da?", "Mein Chef wird beim Online-Call meine Wohnung sehen. Was hat der dann für eine Meinung von mir?"

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Die Ungewissheit, wie es weitergeht, verschärfte zusätzlich die Stresssituation und auch hier oftmals auf beiden Seiten. Und dann war ja auch noch bei vielen der Rest der Familie da – Kinder, die ansonsten in der Kindergruppe, im Kindergarten oder in der Schule waren. Wenn dann beide Elternteile im Homeoffice arbeiteten, wurde das Organisationstalent schon mal auf eine harte Probe gestellt. Großeltern, die eine große Stütze bei der Kinderbetreuung waren, fielen weg und nicht nur das – Angst war auch hier oftmals ein schlechter Begleiter.

Gespräche, die ansonsten im Büro bzw. im Sozialraum stattfinden und die, wie man weiß, zur persönlichen Psychohygiene beitragen, fielen weg. Die fehlenden Sozialkontakte, das quasi nicht freiwillige Homeoffice und damit verbunden oftmals fehlende Kernarbeitszeiten, die Unfähigkeit abzuschalten, wenn die Arbeit faktisch zu Hause liegt, die unidealen räumlichen Arbeitsbedingungen, die oftmals freiwillig durchgeführten unbezahlten Überstunden, die fehlende Regeneration, der Wegfall der ansonsten üblichen Freizeitaktivitäten usw. brachten den einen oder anderen schon mal ans Ende seiner Kräfte, in die Erschöpfung, in ein Burnout.

Der Weg aus dem Burnout

Ein Burnout stellt sich nicht von heute auf morgen ein und es verschwindet auch nicht von heute auf morgen. Es hängt auch davon ab, ob es sich um eine leichte, mittlere, schwere Erschöpfung oder um das völlige Ausgebrannt-Sein handelt. Sollten Sie bei sich selbst über mehrere Wochen hinweg eine Erschöpfung verspüren, begleitet von Symptomen im körperlichen, emotionalen oder geistigen Bereich, so ist es ratsam, dass sie sich überlegen, wo Ihre Energiequellen liegen. Wie und wo Sie Kraft schöpfen und Stress abbauen könnten. Ist es die Yogastunde oder das Ausdauertraining im Fitnesscenter, das Sie nun ja wieder besuchen können? Oder ist es eine Wanderung in die Berge? Ein Badetag am See? Gönnen Sie sich Pausen, achten Sie auf Pausen. Planen Sie einen Urlaub. Es muss nicht die Karibik sein, auch Österreich bietet viel Schönes. Vielleicht sind Sie auch schon mit diversen Atem- oder Entspannungstechniken in Berührung gekommen, die Sie nun wieder aktiv einsetzten können. Probieren Sie alles aus, was Ihnen helfen kann, in die Entspannung zu kommen. Leben Sie Achtsamkeit.

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Manchmal ist es aber leider so, dass sich die Erschöpfung schon sehr breit gemacht hat und es einem schwer fällt, sich selbst zu motivieren und aus dem aktuellen Zustand herauszuholen. Sollte das bei Ihnen der Fall sein oder sollten Sie jemanden kennen, bei dem Sie den Eindruck haben, dass die Kraft dafür fehlt, dann wäre es gut, sich Hilfe von außen zu holen.

»Gönnen Sie sich Pausen, achten Sie auf Pausen!«

Wie kann so eine Hilfe aussehen? Eine psychologische Beratung oder eine Psychotherapie könnte hilfreich sein. Im Gespräch können Sie herausfinden, ob es zu Ihrer Erschöpfung aufgrund von inneren oder aufgrund von äußeren Faktoren oder aufgrund von beiden gekommen ist. Fragen Sie auch in Ihrer Firma nach – in vielen Firmen, vor allem in größeren Organisationen, besteht die Möglichkeit, ein Coaching oder eine Supervision in Anspruch zu nehmen. Gemeinsam mit einer Fachperson gehen Sie sozusagen Ihrer Befindlichkeit auf den Grund und erhalten wertvolle Tipps und Tricks aus deren "Werkzeugkiste", wie Sie wieder zu Kraft, Lust und guter Laune kommen. Sie können Strategien erarbeiten, um gut für sich sorgen zu können, sei dies in Bezug auf Pausengestaltung, Abgrenzung zum Arbeitsalltag, Umgang mit sich selbst und anderen.

Haben Sie aber Geduld, denn aus einem Burnout herauszukommen kann schon mal mehrere Monate dauern. Vergessen Sie nicht: Sie haben lange gebraucht, um dort hinzukommen, wo Sie jetzt sind, und alte Muster und Gewohnheiten lassen sich oft nicht so schnell verändern. Das beste Mittel, um aus einer Erschöpfung zu kommen, wäre die absolute Selbstliebe. Diese Form der Liebe fehlt vielen Menschen. Das Gute aber ist, dass Sie sie erlernen können.

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