Hochrangig besetztes EU-Afrika-Forum beginnt in Wien

Letzter Höhepunkt des EU-Ratsvorsitzes

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Am Abend beginnt das Forum feierlich mit einem Abendessen in der Spanischen Hofreitschule - allerdings ohne Medien. Inhaltlich zur Sache geht es dann am Dienstagfrüh im Wiener Austria Center (ACV) unter dem Motto "Taking cooperation to the digital age". Unter den Gästen sind sieben afrikanische Staats- und Regierungschefs - darunter der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der bereits am Vormittag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen wurde. Abschlusserklärung ist keine vorgesehen.

Gastgeber des Forums ist neben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der derzeitige Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU) und Präsident Ruandas Paul Kagame. Aus den übrigen EU-Mitgliedsländern haben sich 13 Staats- und Regierungschefs angesagt: jene aus den vier Visegrad-Ländern (Tschechien, Slowakei, Ungarn und Polen), Bulgarien, Rumänien, Niederlande, Irland, Kroatien, Slowenien, Malta, Finnland und Estland. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union (AU), Faki Mahamat Moussa, sowie EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani nehmen an dem Forum teil.

Aus Afrika wurde allerdings nur eine "Auswahl" an Staaten eingeladen, die laut Bundeskanzleramt in Abstimmung mit Kagame ausgewählt wurden - eine Tatsache, die bereits vor Beginn des Forums für Kritik sorgte. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs sind neben Ägypten und Ruanda auch Äthiopien, Ghana, Guinea, Kenia und Mauritius vertreten.

Nicht dabei sind die politischen Schwergewichte in der EU: Angela Merkel und Emmanuel Macron. Deutschland wird durch den Afrika-Beauftragten der Kanzlerin, Günter Nooke, vertreten, Frankreich durch den Staatssekretär im Außenministerium, Jean Baptiste Lemoyne. Frankreich und Großbritannien sind die beiden wichtigsten früheren Kolonialmächte und haben bis heute zahlreiche wirtschaftliche Verbindungen mit Afrika. Das US-Magazin "Politico" insinuierte, der Ausstieg Österreichs aus dem Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration der Vereinten Nationen, sei Grund für das Fernbleiben einiger Top-Player.

Offiziell stand das Thema Flucht und Migration nicht auf der Tagesordnung, auch wenn das Forum im Sommer ursprünglich zu dem Thema bzw. als "Hilfe-vor-Ort-Gipfel" - zur Bekämpfung von Fluchtursachen - angekündigt worden war. Die Regierung wolle Migration diesmal "ganz bewusst" aussparen, heißt es nun. In ihrer Afrika-Politik brachte die EU in den vergangenen Monaten das Thema allerdings immer wieder auf das Tapet - sei es durch Migrationspartnerschaften, "Ausschiffungsplattformen" oder den Afrika-Treuhandfonds, über den unter anderem die Ausbildung der libyschen Küstenwache finanziert wird. Und auch die von der Bundesregierung viel zitierte "Bekämpfung von Fluchtursachen" zur "Eindämmung von Migration" steht nicht auf der Agenda.

Bei den Oppositionsparteien sorgte das Forum deshalb für Kritik. Es handle sich nur um eine "Inszenierung", waren sich SPÖ und die Liste Jetzt (vormals Liste Pilz) einig. Auch heimische entwicklungspolitische Organisationen appellierten an die Regierung, nicht nur auf Wirtschaft zu setzen, sondern auch auf die Zivilgesellschaft. Wirtschaft alleine schaffe "kein stabiles Fundament", betonte der Geschäftsführer von "Jugend Eine Welt", Reinhard Heiserer, bei einer Pressekonferenz des Dachverbandes AG Globale Entwicklung in Wien.

Begleitet wird das EU-Afrika-Forum von zahlreichen Side-Events und einer Business-to-Business(B2B)-Plattform, bei der Unternehmer aus beiden Kontinenten die Möglichkeit haben, Kontakte zu knüpfen und ihre Konzepte und Lösungen für das digitale Zeitalter untereinander auszutauschen. B2B- und B2G-Treffen (B2G: Business-to-Government) werden den ganzen Tag über stattfinden und bilden den Mittelpunkt der B2B‐Veranstaltung. Auf Unternehmerseite haben sich unter anderem die CEOs von Siemens, Joe Kaeser, Vodafone (Nick Read), BMW (Harald Krüger) und Nokia (Risto Siilasmaa) angesagt. Den ganzen Tag über finden zudem Diskussionsrunden und Side Events, etwa zu den Themen "Landwirtschaft 4.0", "Investieren in Start-Ups", "FinTech in Afrika", "Beschleunigung des eCommerce in Afrika" oder "Hochschulbildung und Forschung" und "Mobilisierung von Finanzmitteln für Klimaschutzmaßnahmen in Afrika" statt. Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit Afrika zu intensivieren.

"Innovation und Digitalisierung sind die Kernpunkte für die erfolgreiche Entwicklung des Kontinents", erklärte EU-Parlamentspräsident Tajani am Montag in einer Aussendung. Europa und Afrika müssten sich ähnlichen Herausforderungen stellen, etwa der Arbeitslosigkeit, dem Klimawandel, dem Terrorismus und der Migration. Daher sollte "Afrika ganz oben auf unserer Tagesordnung stehen".

Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Wirtschaftskammern (Eurochambres), forderte eine Intensivierung der EU-Afrika-Beziehungen. Es brauche eine "vernetztere Strategie", weil es zwar viele Ansätze gebe, aber niemand wisse, was der andere mache. Zudem müsste mindestens einmal pro Jahr ein EU-Afrika-Gipfel stattfinden. Traditionell gibt es diese nur alle drei Jahre - auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Das hochkarätige Treffen in Wien ist deshalb auch offiziell kein EU-Afrika-Gipfel.

Das Forum wird von strengen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Das Bundesheer sichert verstärkt den Luftraum über der Bundeshauptstadt. Dafür wird ein Flugbeschränkungsgebiet über Teilen Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlandes errichtet. Mehr als 900 Soldaten und 22 Militärluftfahrzeuge sind im Einsatz.

Aus "Protest gegen rassistische und ausbeuterische Abschottungspolitik" organisiert die Plattform für menschliche Asylpolitik am Montagabend eine Kundgebung auf der Wiener Reichsbrücke unter dem Motto "Baut Brücken, nicht Mauern".

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