Hinter der Tapetentür

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Was genau ist eigentlich an der Indiskretion, Sebastian Kurz trinke wenig und schon gar keinen Kaffee und er rauche auch nicht, despektierlich? Die Erregung über diese bei einem Treffen mit EU-Botschaftern (angeblich) gefallene Äußerung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den ÖVP-Chef sagt mehr über das Land, sein Verhältnis zu Genussmitteln und seine Debattenkultur aus als über den Politiker selbst. Eine Aufregung davor ging es um die ebenso vertraulich geäußerte Ablehnung Van der Bellens, blaue Politiker wie Johann Gudenus und Harald Vilimsky mit bestimmten Regierungsämtern zu betrauen -für die sie angeblich eh nie im Gespräch waren. Aber die Möglichkeit, Ministerkandidaten, die nicht für das Amt geeignet sind, abzulehnen, kann und soll der Bundespräsident auch nützen.

Was aus dem von den Botschafterkreisen hinausgespielten Gedächtnisprotokoll über Van der Bellens Plaudereien bisher noch am wenigsten Empörung geerntet hat, war die Aussage, die Ablehnung einer FPÖ-Regierungsbeteiligung sei "hysterisch". Wenn sich die Präsidentschaftskanzlei nicht wieder auf eine Fehlinterpretation beruft, kann man sich zumindest wundern. Noch im Wahlkampf 2016 war es Van der Bellen, der angekündigt hatte, keinen Kanzler Strache angeloben zu wollen - um dann sukzessive zurückzurudern.

Zu Recht ärgert sich der Bundespräsident, wenn vertrauliche Aussagen an die Öffentlichkeit gelangen. Zu Recht stellt man sich in der Hofburg die Frage, wer ihn da desavouieren will - und warum. Bei den Verschwörungstheorien ist für jedes politische Lager etwas dabei. Die Linke glaubt, rechte Kreise wollten den Präsidenten prophylaktisch schwächen, damit dieser im Endspurt der Verhandlungen nicht dazwischenfunkt. Die Rechte meint, linke Gegner von Schwarz-Blau wollten damit Stimmung gegen eine Koalition von ÖVP und FPÖ machen.

Alexander Van der Bellen hätte es selbst in der Hand, überschießende Spekulationen über seine Meinung zu den Regierungsverhandlungen zu unterbinden. Er wollte ein unkonventioneller Präsident sein, und seine Wähler stimmten auch deshalb für ihn, weil er für sie ein Mann klarer Worte war. Nun verschwindet Van der Bellen nach den Besuchen der Regierungsverhandler wortlos hinter der Tapetentür. Vielleicht sollte er sich einfach öffentlich und regelmäßig zu Wort melden, sagen, was bei den Verhandlungen gerade Sache ist und wo die rote Linie verläuft, die Kurz und Strache nicht übertreten dürfen. Dabei kann er durchaus die Vertraulichkeit seiner Gespräche wahren. Das wäre für alle Beteiligten und das angestaubte Prozedere der Regierungsverhandlungen hilfreich und für die Wähler erhellend.

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